Hallo
Freunde! Wir hatten im vorigen ezine einen
Bericht von Henry und Verena und ihre ersten Gehversuche im Fjäll
von Jämtland. Die beiden erlebten ein tolles Abenteuer und
sind nach der ersten Nacht im Zelt und einem kleineren Irrweg gespickt
mit vielen Wasserlöchern in die Vålåhütte
und haben von dort Tagesausflüge unternommen. Die beiden jungen
Hamburger hatten einen schönen Urlaub, sind trotz allen Missgeschicks
weiterhin guter Dinge und wollen gern wiederkommen.
Diese
Einstellung ist goldrichtig und man kann sicher sein, Henry und
Verena werden nach einigen weiteren Ausflügen in die schwedische
Bergwelt zu richtigen Fjälltigern werden. Und was noch wichtiger
ist: Sie werden immer wieder unbeschadet aus den Fjälls zurückkommen,
weil sie schon bei ihrer ersten Wanderung bewiesen haben, dass ein
kühler Kopf und gesunde Vernunft wichtiger sind als übertriebener
Ehrgeiz und ein Festhalten an einem undurchführbaren beziehungsweise
gefährlichen Plan.
Immer
wieder hört man gutgemeinte Ratschläge: "Fragt die
Einheimischen, hört genau auf den Wetterbericht richtet Euch
nach den Auskünften, die ihr vor Ort kriegt". Das mag
oft durchaus stimmen, nur genauso wie ein Bayer nicht unbedingt
auch gleich ein Bergsteiger ist oder ein Wiener ein kleiner Mozart,
so muss nicht jeder, der Schwedisch spricht, auch gleich ein ausgesprochener
Bergfex sein.
Die
folgende wahre Begebenheit haben wir der Zeitschrift des Schwedischen
Tourismusvereins STF, Turist (Nr.3/2000, S.7) entnommen. Sie zeigt,
dass auch Einheimische Kapitalfehler in der Vorbereitung und am
Berg machen können, ebenso deutlich kommt dabei heraus, dass
mit ein bisschen guten Willen und dem Vertrauen auf die anderen
Wanderer fast jede miese Situation eine Wendung zum Positiven nehmen
kann.
Eine
wahre Begebenheit:
Drei
junge Frauen, Krankenschwestern aus Östersund, unternehmen
eine Dreitagestour im Fjäll von Jämtland, also in der
gleichen Gegend, wo auch Henry und Verena gewandert sind. Sie kommen
am Freitagnachmittag in Storulvån an und setzen sich zuerst
einmal hin und gönnen sich eine gute Mahlzeit im Berggasthof.
Dann schultern sie am späten Nachmittag ihre Rucksäcke
und machen sich auf den Weg.
Erwähnt
werden muss, dass sie weder Schlafsäcke noch Zelt noch Kompass
mithaben, weil sie nur auf Wanderwegen unterwegs sein und in Schutzhütten
übernachten wollen. Ziel für den ersten Tag ist die Berghütte
Blåhammaren, die ungefähr zehn Kilometer entfernt ist
und auf einem markierten Weg zu erreichen ist.
"Wir
starteten von Storulvån bei Schönwetter, allerdings weht
ein ziemlich starker Wind. Nach acht Kilometern gesellten sich Regen
und Nebel zum Windböen. Es wurde dunkel aber wir beschlossen
trotzdem weiter zu marschieren, denn wir wollten unbedingt zum Blåhammaren
kommen".
Zwei
Kilometer vor dem Ziel verlieren die Wanderer den Sommerweg wegen
der zunehmenden Dämmerung aus dem Gesicht. Jetzt beschliessen
sie, den Sommerweg zu verlassen und dafür auf den Winterweg
auszuweichen, in der Annahme, die Andreaskreuze würden schon
zum Ziel führen. Sie haben weder Taschenlampe noch Kerzen mit,
das Display vom Handy ist die einzige Lichtquelle und das zeigt
an: KEIN EMPFANG.
"Wir
teilen uns auf und während zwei bei einem Andreaskreuz Aufstellung
nehmen, läuft der Dritte als Späher vor zum nächsten.
So tasten wir uns weiter. Bis zu einem Teich. Da wir keine Lust
haben hinüberzuschwimmen, müssen wir den Teich wohl oder
übel umrunden. "
Doch
auch das erweist sich als unmöglich. Eine der Frauen erinnert
sich, irgendwo ein Zelt gesehen zu haben. Die drei klammern sich
an diesen Strohhalm, drehen um und folgen den Andreaskreuzen in
die andere Richtung. Inzwischen ist es neun Uhr abends und finsterste
Nacht. Immer wieder kommt es zu Stürzen und es ist ein Wunder,
dass sich keines der Mädchen verletzt. Das vorsorglich übergezogene
Regenzeug ist anscheinend nicht von der allerbesten Qualität,
und die Nässe und die Kälte machen den Dreien schwer zu
schaffen.
Endlich
sehen die drei ein, dass es so nicht weitergeht. Es ist Nacht, kein
Weg ist zu sehen und nur die Hoffnung auf ein imaginäres Zelt
irgendwo in der Finsternis lässt die drei nicht ganz verzweifeln.
Eine
kommt auf die Idee: "Wir rufen um Hilfe, irgendwer wird uns
schon hören". "Hallo, Hallo, Hilfe, Hilfe, hallo,
hallo", Rufe gellen bald schon durch die Nacht.
In
weiter Ferne leuchtet ein schwacher Lichtschein auf und eine Stimme
antwortet auf die verzweifelten Rufe. Die drei laufen auf den Lichtschimmer
zu, fallen in einen Bach, krabbeln wieder heraus, weiter, weiter.
Nass bis auf die Haut, aber was ist das schon, da vorne sind Menschen,
wir sind gerettet. Nach einigen Minuten Schwerarbeit kommen die
drei völlig durchnässt zum Lichtschein.
Ein
Wanderer ist von ihren Hilferufen erwacht. Er ist nicht allein,
sondern vier weitere Zelte stehen da auf einem Haufen. Inzwischen
ist es 11 Uhr geworden. Die drei Frauen kriegen einen Platz in einem
Zelt angewiesen. Zwar haben die drei nur ihre Hüttenschlafsäcke,
doch sie schlafen wie in Abrahams Schoss.
Am
nächsten Tag scheint wieder die Sonne du die drei wandern zur
Schutzhütte, trocknen ihre Kleider essen eine ausgiebige Frühstück
und wandern dann wieder weiter in Richtung Sylarna.
Ende
gut, alles gut, wie Shakespeare sagt. Ausserdem war Sommer und die
drei wären sicher nicht zu Schaden gekommen. An einer Nacht
im Freien ist noch niemand gestorben. Irgendwie ist diese Geschichte
auch beruhigend. Wenn das sogar alten Hasen passiert, dann braucht
sich kein Greenhorn wegen wirklicher oder eingebildeter mangelnder
Erfahrung abhalten lassen, in den schwedischen Fjälls zu wandern.
WAS
SOLLTE BEI DER WANDERUNG MIT DABEI SEIN?
Trotzdem
können wir alle daraus lernen: Ein Biwaksack sollte immer mit
dabei sein. Auch bei der Nachmittagswanderung in unbekanntem Gelände.
Dasselbe gilt für Taschenlampe, Kompass, Karte und eine kleine
Extraration Schokolade (eine Dose Fisch tut es auch). Wasserflasche
nicht vergessen. Durst ist schlimmer als Heimweh, haben wir schon
bei der Bundeswehr gelernt.
Richtig
luxuriös wird es, wenn man auch noch den Trangiakocher mit
hat, Zündhölzer und Brennspiritus. Dann noch vielleicht
ein Süppchen und eine Nacht im Freien kann einem dann eigentlich
nichts mehr anhaben.
Geht
trotzdem etwas schief, nun, dann ist es immer noch Zeit, sich auf
die Bergkameradschaft und die Hilfe der anderen Wanderer zu verlassen,
wie sie ja auch sehr schön in diesem Abenteuer der drei Mädchen
zum Ausdruck kommt.
Warum
wir ausgerechnet diese Geschichte gebracht haben? Nun, um zu zeigen,
dass die Mär' vom alleswissenden Einheimischen nicht immer
unbedingt der Wahrheit entspricht. Und vor allem - weil wir damit
zum Ausdruck bringen wollen, dass jeder letzten Endes für sich
selber verantwortlich ist. Egal, woher er kommt. Die eigene Vernunft
muss der wichtigste Leitstern sein auf unseren Wanderungen und schon
davor, wenn es gilt, die Ausrüstung zu optimieren und sich
wirklich auf alle liebsamen und unliebsamen Überraschungen
vorzubereiten.
Gerade
dieser Gedanke kommt sehr schön im Beitrag von Frank in unserem
Forum (http://www.schwedenoutback.com/forum.htm)
zum Ausdruck, wenn er meint:
"Ein
anderes Thema ist sicherlich, wie man mit Risiken und sich selber
umgeht. Bei vielen "Abenteurern" kommt sicher ein Stück
Selbstüberschätzung dazu, da diese in Deutschland keine
lebensbedrohlichen Konsequenzen hat".
Erst
einmal schönen Dank für diesen Gedanken, Frank, dann dass
du dafür das Forum benützt, denn es ist ja schliesslich
und endlich dazu da, dass man darin seine Gedanken zu einem Thema
vor das Leserforum.
Ich
finde, Franks Gedanke bringt sehr schön zum Ausdruck, dass
der eigenen Einstellung eine enorm wichtige Rolle zukommt für
Gelingen oder Misslingen einer Tour. Also der Vorbereitung - sowohl
rein praktisch als auch und vor allem mental. Von einem, der sich
dies zur obersten Maxime gemacht hat, handelt das nächste ezine.
Bis
dahin - see you at the top! Howdee, Edi.
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Updated: Donnerstag, 4. September 2008
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