Diesmal
hat uns Rainer seine Erfahrung von einer Wanderung in Dalarna geschickt.
Ich finde, das passt sehr gut zu unserem übergreifenden Thema
der Sicherheit beim Wandern, unter anderem weil Rainer sich genau
und gewissenhaft vorbereitet und sehr schön rüberkriegt,
wie wichtig so ein Wanderurlaub eigentlich ist. Und wie viele Wochen
allein mit den Vorbereitungen draufgehen. Im Anschluss daran gibt
uns Rainer noch ein paar Tips wie er bei Auswahl seiner Utensilien
vorgeht.
Rainer
schreibt:
Hallo
Eduard,
wie versprochen übersende ich Dir meinen Bericht über
meinen diesjährigen Aufenthalt in Schweden. Wie sehr das eigene
Wohlbefinden mental beeinflußt wird, merke ich jedesmal an
mir, wenn die Zeit für mein Wanderung in Schweden näherrückt.
Schon Wochen vorher beginne ich mit den Vorbereitungen, fange an,
den Rucksack zu packen, um ihn alsbald wieder aus- und umzupacken.
Die eigentlich komplette Ausrüstung wird nochmals gesichtet,
ergänzt, und "verbessert", wobei ich zugebe, daß
ich schnell den Produktbeschreibungen in den einschlägigen
Katalogen Glauben schenke, oftmals mit negativen praktischen Erfahrungen.
Bei meiner ersten Wanderung vor sechs Jahren sah ich noch aus wie
ein sich nach Schweden verirrter Bundeswehrsoldat. Naja und heute
entspreche ich eben dem Bild eines gut ausgerüsteten Outdoorfuzzie.
Jedenfalls
steigt meine Stimmung in dieser Vorbereitungszeit durch Anstieg
von Glückshormonen deutlich an. Mein diesjähriges Ziel
war der Sijansleden, angefangen von FURUDAL bis ORSA. Danach wollte
ich weiter südlich im Glaskogen Naturreservat noch vier Tage
verbringen.
Am 14.8.00,um 07.30 legt die Fähre in Trelleborg an. Von dort
aus geht es nach Norden auf den bekanntermaßen guten und fast
leeren Straßen und Autobahnen bis Furudal. Auch während
dieser Fahrt zeigt sich meine euphorische Stimmung. Hätte mir
jemand in Deutschland gesagt, daß es angenehm ist, mit 110/120
km/h auf der Autobahn zu fahren, hätte ich ihn für verrückt
erklärt. So stelle ich meinen Tempomat ein und fahre entspannt
meinem Ziel entgegen. Auch das Wetter entspricht meiner Stimmung.
Die Sonne scheint, und der Himmel leuchtet in einem Blau, das, hätte
es ein Maler auf einem Bild so wiedergegeben, sicherlich als kitschig
bezeichnet werden müsste. Es scheint mir fast, diese Leichtigkeit
des Lichts und die noch sommerlichen Farben der Landschaft riechen
zu können.
In
Furudal erwartet mich jedoch sodann eine kleine Enttäuschung.
Die Information ist seit einem Tag geschlossen, so daß ich
weder eine Fischereikarte, noch eine neue Wanderkarte erwerben kann.
Auch die Bemühungen eines freundlichen Schweden bleiben insoweit
erfolglos. Du hattest mir zwar freundlicherweise eine Karte zukommen
lassen, die Tatsache jedoch, daß diese zwei Jahre "alt"
ist sollte sich noch bemerkbar machen, denn in dieser Gegen Schwedens,
wird der Tourismus bereits ganz groß geschrieben. Und damit
es die Besucher auch schön bequem haben, wurden einige neue
Schotterstraßen durch die Botanik gezogen.
Ein vermeintlicher Orientierungspunkt (Wanderpfad kreuzt Straße)
in der "alten" Karte, war nunmehr zwei- oder gar dreimal
vorhanden. Kurzum, eine Standortbestimmung wurde äußerst
schwierig, manchmal sogar zur Glücksache. In diesem Zusammenhang
kann ich nur hoffen, daß die Verantwortlichen dieser Region
die Geldquelle Tourismus nicht wie in anderen Ländern pervertieren.
Zu allem Übel hatte in einer derartigen Orientierungssituation
auch noch mein Schrittzähler versagt, so daß ich nicht
einmal mehr aufgrund der zurückgelegten Strecke genau bestimmen
konnte, wo ich war.
Während
ich so da sitze und vergeblich versuche, das Gerät zu reparieren,
fällt mein Blick auf eine Armee von Waldameisen, die in Zweierreihe,
jeweils in die entgegengesetzte Richtung marschieren, offensichtlich
ein festes Ziel vor den Augen. Im Verhältnis Körpergröße/Wegstrecke
erbringen diese Tierchen eine unvorstellbare Leistung und das ohne
jeglichen technischen Firlefanz. Die Frage, wer hier das Höher
entwickelte Lebewesen ist, braucht nicht gestellt zu werden. Und
wenn auch viel Unsinniges aus Amerika zu uns rüberschwappt,
daß Manager einmal der Natur überlassen werden (survival),
um zu sich selbst zu finden und die Wichtigkeit ihres Tuns wieder
relativieren können, ist eine gute Idee.
Zu
Guterletzt finde ich meinen Standort ja doch noch, und dieses kleine
Ärgernis wird durch die Natureindrücke ganz schnell vergessen.
Die Wälder stehen voll mit Pilzen. Ihre roten Hüte, es
sind hauptsächlich Apfel- und Frauentäublinge, stehen
in einem schönen farbliche Kontrast zum Grün der Moose.
So muß ein Zauberwald in den Märchen ausgesehen haben.
Und wer schon einmal seinen Hunger und seinen Durst durch den Verzehr
von Baubeeren gelöscht hat, versteht, wenn ich sage, daß
das beste italienische Essen in so einem Moment nicht besser sein
kann. Ein Schluck Wasser aus einem Gewässer wirkt so prickelnd
wie ein Schluck Champagner. Ein weiterer Genuß ist es für
mich immer, wenn ich mich abends vor mein Zelt setze und der Stille
lauschen kann.
Nachts
hat es tüchtig geregnet. Das gleichmäßige Stakkato
des Regens auf das Zeltdach wurde durch das laute Zerplatzen herunterfallender
großer Tropfen von den Bäumen ergänzt. Dieses Zerplatzen
hörte sich an, wie das Finale eines fernen Feuerwerks. Die
Wolken hängen schwer über der Landschaft und haben die
ansonsten in dem hellen Licht leuchtenden Farben der Natur mit einem
kalten Grauschleier überzogen. Das Wandern wird schwieriger.
Der Boden ist tiefgehend durchnäßt, die Steine und Wurzeln
rutschig. Zudem wird der Wanderpfad offensichtlich auch von Reitern
benutzt, so daß oftmals der ohnehin schon aufgeweichte Boden
knöcheltief vermatscht ist.
Mein neuer Rucksack (GREGORY ,Palisade. Werbespruch: "Rückenstärkung
von GREGORY") verlagert tatsächlich das Gewicht hauptsächlich
auf die Hüften, aber von dort aus geht die Gewichtsübertragung
auf die Beinmuskulatur und von dort aus auf die Füße.
Wenn man sich dieses Wunderwerk ansieht, eine verhältnismäßig
kleine Fläche bewältigt über Jahre in Zusammenarbeit
mit Knochen, Sehnen und Muskeln in den meisten Fällen störungsfreie
Schwerstarbeit, "verzeihe" ich ihnen jetzt, daß
sie mir gehörig weh tun. Immerhin tragen sie mein Eigengewicht
von 71kg plus 23 kg Ausrüstung.
Außerdem
macht sich nun auch der Unterschied zwischen Theorie (Werbung) und
Praxis bemerkbar: Ich hatte mir "Spezialsocken" gekauft,
fußformgerecht für den linken bzw. rechten Fuß
gewebt und insbesondere für GORETEX-Schuhe geeignet. Letzteres
mag ja bei optimalen Voraussetzungen stimmen, wenn aber wie jetzt,
die Schuhe von außen klitschnaß sind, und von innen
die Schweißfeuchtigkeit nach außen will (Kapillarwirkung),
funktioniert nichts mehr. Im Schuh herrscht allenfalls ein optimales
Klima für eine Champignonzucht, und der nach Tagen sich entwickelnde
Geruch vertreibt sogar Mücken.
Meine gute alte Bundeswehrwollsocke kannte dieses Problem in dieser
Form jedenfalls nicht. Meine dritte Übernachtung habe ich in
der bewirtschafteten Sennerei SKRÄDDAR DJURBERGA. Es ist äußerst
angenehm, da ich mich und meine Klamotten ein wenig auf Vordermann
bringen kann, zumal ich durch das eigentliche Saisonende der einzige
Gast in der Hütte bin. Nachteilig jedoch ist, daß ich
den gepriesenen "MESMOR-Käse" nicht mehr bekomme.
Die Hütte ist sehr ordentlich und bald schon lodert das Holz
im Kamin, und ich lasse es mir richtig gut gehen.
Am
nächsten Tag komme ich nur bis LINDORNA. Ich frage den einzigen
dort anwesenden Schweden, ob er es mir erlauben würde, auf
seinem Grundstück mein Zelt aufzuschlagen, da das Gelände
dieses nicht bzw. nur sehr schwer zuließe. Mein körperlicher
Eindruck muß wohl dermaßen schlecht gewesen sein, denn
der freundliche Mann verneint meinen Wunsch und führt mich
stattdessen in ein Gästehaus in dem ich die Nacht verbringen
kann. Daß das noch ein lustiger Abend wurde, kann jeder, der
die freundlichen Schweden kennt, nachvollziehen.
Leider
gibt es bei schlechtwetter immer noch eine Steigerung. Aber kein
Nachteil ohne Vorteil. Bei dem strömenden Regen lassen mich
wenigstens die Mücken in Ruhe. Regnet es mal nicht, ist diese
Plage wirklich nicht auszuhalten. Kein Stehenbleiben, kein Essenkochen,
kein Spatengang ist mehr möglich, ohne von diesen kleinen blutrünstigen
Monstren angefallen zu werden und das trotz verschiedener Antimückenmittel
(wieder einmal: Theorie/Praxis). Kurz um, es fängt an, keinen
Spaß mehr zu machen. Die Regentropfen, die anfänglich
noch romantisch erscheinen, nerven mich gehörig, weil sie zu
einer Dauereinrichtung werden, und das in einer Heftigkeit, die
jede Bewegungsfreiheit über Maßen einschränkt.
Obwohl
es ansonsten nicht meiner Mentalität entspricht, gebe ich in
ORSA auf und wandere nicht wie geplant bis FURUDAL zurück.
Stattdessen fahr ich ca.500 km südlich bis in das GLASKOGEN
NATURRESERVAT und verbringe dort noch vier angenehme Tage als "Erholung".
Fazit:
Für mich, und damit subjektiv, ist es mal wieder ein Aufenthalt,
der mich meinem täglichen Streß (blödes Wort, aber
ich habe ihn tatsächlich) vergessen lässt und damit alle
Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind. Wie jedes Jahr werde
ich von dieser Zeit zehren und bald schon dem nächsten Vorhaben
entgegenfiebern.
Auch
bei den Vorbereitungen können wir von Rainer lernen
vorweg
ein Fazit meines jetzigen Kaufverhaltens:
1.) Keine, vom Hersteller in seiner Produktaussage beeinflußten
Spontankäufe mehr, (ich habe dadurch zwischenzeitlich drei
Jacken, zwei Schlafsäcke, drei Rucksäcke und diverse Kleinausrüstungsgegenstände).
2.) Keine Produkte im unteren Preisdrittel.
Inzwischen habe ich eine feste Vorgehenswiese bei Neuanschaffungen
mir angewöhnt. Zunächst informiere ich mich über
die verwendeten Materialien. Diese Informationen kann man normalerweise
aus jedem einschlägigen Katalog entnehmen. Hilfreich und interessant
sind auch aufgeführte Testverfahren einzelner Produkte, siehe
z.B. die Zeitschrift OUTDOOR spezial 4/2000 aus dem "rotpunkt
VERLAG", www.rotpunkt.de u. outdoor@rotpunkt.de. Mit diesem
angelesenen "Wissen" gehe ich sodann in Outdoorläden
meines Vertrauens, um mich beraten zu lassen, dabei ist es m.E.
wichtig, einen Verkaufsladen auszuwählen, der ein möglichst
großes Spektrum von Anbietern hat und somit nicht produktgebunden
ist (Ein Mercedes-Händler wird mir schließlich auch nicht
sagen, welche Vorteile z.B. ein BMW ggü. seinem Produkt hat).
Die letzte und wichtigste Kaufbeeinflussung ist für mich jedoch
die praktische Erfahrung, die Gleichgesinnte mit einem Produkt gemacht
haben. Dazu befrage ich auf meinen Wanderungen bei jeder sich mir
bietenden Gelegenheit Outdoorfreaks, die mir über den Weg laufen.
Bei meiner Fragestellung benutzt ich dann immer eine kleine Finte.
Ich frage nicht, wie bist du mit deinem Zelt o.ä. zufrieden
(denn wer gibt schon gerne zu, daß er sich evtl. verkauft
hat), sondern ich denke mir willkürlich eine Schwäche
des Produkts aus, z.B. ..stimmt es, daß das Gestänge
etwas labil ist ?.. Meistens kommt dann eine Antwort wie :"...
das zwar nicht, aber....". Und so erfahre ich oftmals wichtige
Funktionseinschränkungen, die sehr wichtig sein können.
Das Restrisiko, nämlich die persönliche praktische Beurteilung,
kann so zumindest deutlich eingeschränkt werden.
Beispiele:
Trekkingstock von LEKI, der Komfort der gefederten Stockspitze (Stoßdämpfer)
schien mir sinnvoll. In der Praxis indes hat sich gezeigt, daß,
wenn man strauchelt und den Stock als Stütze einsetzt, das
Gegenteil eintritt. Durch das Nachgeben erscheint mir der Stock
labil. Ich habe den teuren Stock nun gegen eine verhältnismäßig
preiswerten Trekkingstock (McKinley)ausgetauscht.
Thermomatten.Wenn überhaupt, sollte man auf jeden Schnickschnack
verzichten. Meine erste Matte , THERM A REST, 650 gr., selbstaufblasend,
bleibt zuhause, stattdessen habe ich seit drei Jahren eine 330 gr.
leichte Schaumstoffmatte (Waffelprofil), RIDGE REST, die unglaublich
gut isoliert und bequem ist.
Schuhe: Hier kommt das zu tragen, was ich oben unter Nr.2 gesagt
habe. Gute (Material) und funktionelle Schuhe sind nicht billig.
Hier zu sparen wird unweigerlich bestraft. GORETEX ist bei Schuhen
tatsächlich optimal. TIP: In Schweden kaufen, deutlich billiger!
Jacken: Hier gilt das gleiche Kriterium wie bei Schuhen. Gute Jacken
kosten nunmal Geld, wobei lediglich bei der Beurteilung des Einsatzes
der Jacke gespart werden kann.Für das normale Trekking ist
sicherlich keine Jacke für DM 700,- od. mehr erforderlich (GOR
XCR; VUDE/SYMPATEX TRANSACTIVE), aber unter DM 300,- sollte man
schon eine genaue Überprüfung der Funktion und der Materialien
vornehmen.
Rucksack. Mein dritter und damit hoffentlich letzter Rucksack ist
der PALISADE von GREGORY. Ich hatte ihn in diesem Jahr erstmals
im Einsatz und bin von seinem Trageverhalten (torsionsversteifter
Hüftgurt, der mit den Alustreben verschraubt ist) begeistert.
Zudem sind die verarbeiteten Materialien und das Tragesystem als
solches sehr gut. Der Rucksack ist übrigens in Konfektionsgrößen
lieferbar (S, M, L).
TIP: Sich nicht scheuen, beim Kauf eines Rucksacks zu verlangen,
daß dieser gefüllt wird, um sodann eine mindestens 30
minütliche Trageprobe zu machen. Wenn es dann bereits drückt
und zwackt und auch durch Einstellungen sich nicht abstellt, was
soll dann erst im Gelände passieren?! Auch hier: Hände
weg von Billigprodukten.
Daß Werbung und Wirklichkeit oftmals nicht übereinstimmen,
habe ich in diesem Jahr bei der Benutzung von Socken "insbesondere
für den Einsatz bei GORETEX-Schuhen" wieder einmal erfahren
(FALKE TK 2,). Die gewebte Paßform für den linken und
rechten Fuß ist tatsächlich angenehm, das war es aber
schon. Wenn der Schuh von außen richtig naß ist, funktioniert
das ganze System nämlich nicht mehr. Eine normale Wollsocke
kostet nur ein Drittel und erfüllt ihren Zweck mindestens genauso
gut.
Qualitativ gute Ausrüstung kostet nunmal Geld, hierbei bei
der Erstanschaffung sparen zu wollen, wird teuer. Sparen kann man
jedoch, wenn man Ausrüster oder Händler im Internet aufsucht.
Oftmals sind dort hochwertige Angebote zu Schnäppchenpreise
zu bekommen, wenn z.B. die Farbe nicht beim Käufer ankommt
(www.nozone.de oder www.sine.de , hier gab es vor kurzem die CASCADE
von JACK WOLFSKIN für DM 350,- statt DM 599,- nur weil die
Farbe orange statt rot war).Fast jeder Anbieter im Internet hat
eine Link für Sonderangebote. Hier zu suchen lohnt sich.
Ich hoffe, daß in meinen Erfahrungen ein paar nützliche
Tips vorhanden sind.
Bis bald
Rainer
Also
ich finde, diesen fundierten und wirklich durchdachten Bemerkungen
und Beobachtungen von Rainer ist nichts hinzuzufügen. Ausser
der Aufforderung an andere Leser, die vielleicht ähnliche Erfahrungen
mit ihren Ausrüstungsgegenständen gemacht haben, mitzumachen.
Teilt uns einfach mit, was Euch zum Thema Ausrüstung und Outdoor
einfällt, vielleicht auch das eine oder andere Schnäppchen,
wie Rainer mit den beiden Webadressen. Nochmals herzlichen Dank
an Rainer, der sich die Mühe gemacht hat, uns seine Erfahrungen
im schriftlicher Form weiterzugeben.
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Teil
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Teil4
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Last
Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl
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