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AUF DER KÖNIGSSTRASSE IN DEN NORDEN 2.TEIL


Jämtland / Västerbotten

Stekenjokk

 

Übers Stekenjokk
und aufs Marsfjäll

 

Hallo Freunde, falls Ihr es schon vergessen haben solltet: wir befinden uns mitten auf der Wildnisstrasse! Es ist Herbst, die erste Oktoberwoche und überall im Tal sind noch die schönsten Herbstfarben zu bewundern. Heute fahren wir von Stora Blåsjön hinauf aufs Stekenjokk und werden uns da ein wenig umtun. In Klimpfjäll statten wir dem Norgefarargård einen Besuch ab (s. http://www.schwedenoutback.com/Norgefararleden.htm) um dann in Saxnäs am 30 km langen Kultsee Quartier zu beziehen.

von Eduard Nöstl


Fortsetzung von: Auf der Königsstrasse in den Norden

IN ANKAREDE

Von unserem Hüttchen im Fjällcamp am Stora Blåsjön sind es nur 7 km bis Ankarede, dem kleinen Kirchendorf der Lappen, wo in den Jahren, als es noch keine Strasse und schon gar keine Autos gab, die Menschen, die dem Gottesdienst beiwohnen wollten, in kleinen Hütten, die neben und um das Kirchlein errichtet wurden, übernachteten. Diese Hütten, ganz malerisch am Ufer des Lejarflusses hingelagert, sehen heute noch so aus wie vor hundert Jahren und sind immer noch bewohnt. Zumindest im Sommer zu Mittsommer oder an anderen hohen kirchlichen Feiertagen, wenn die Lappen hier zusammenkommen und sich über die Ereignisse der letzten Monate austauschen.

Natürlich ist die Arbeit der Lappen heutzutage viel leichter geworden, doch die Rentiere sind noch immer frei lebend und streifen auf dem Fjäll umher wie seit vielen hundert Jahren, und sie einzufangen ist nicht unbedingt einfacher geworden, was die vielen Kilometer Rentierzäune beweisen, die quer über die Fjälls gespannt sind.

Heute liegt Ankarde in einem herbstlichen Zwischenschlaf versunken. Nichts regt sich, das Tor des Kirchleins ist verschlossen, geradeso wie die umliegenden Hütten. Es mutet wie ein Anachronismus an, wenn man die starken Vorhängschlösser sieht, die an den verdorrten Holzhütten hängen. Zwischen den alten Holzhütten sind ein paar neue entstanden und zeugen von erwachtem Traditionsbewusstsein, wie ja überhaupt die Naturvölker weltweit im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Regionalisierung ein erstarktes Selbstbewusstsein zu erleben scheinen, angeregt nicht zuletzt durch unsere überzivilisierte Jugend in den Grosstädten, deren romantische Vorstellungen vom freien Leben in der Natur an diesen Völkern und seinen Vertretern festgemacht werden kann, wobei sehr leicht vergessen wird, dass diese Völker sich sehr wohl über die Fortschritte der Technik, soweit sie ihre Arbeit erleichtert, freuen.

Wir spazieren über die Holzbrücke, die die ruhigen Wasser des Lejarflusses überspannt und wandern noch ein Stück am gegenüberliegenden Ufer entlang, wo ein gekennzeichneter Motorschlittenpfad uns den Weg weist. Doch nicht lange, denn wir wollen heute noch aufs Stekenjokk und daher kehren wir bald schon um, ehe uns die Ruhe und Stille des Ortes ganz gefangen nimmt.

AUFS STEKENJOKK

Die Strasse auf das Stekenjokk ist ebenso breit und asphaltiert, wie wir das von den schwedischen Strassen gewohnt sind, daher ist die Fahrt zur Passhöhe völlig problemlos zu bewältigen. Kleine Schilder zeugen von herrlichen Ausflugszielen, wie Leipikvatten oder Bjurälven. Je weiter wir hinaufkommen, umso kahler wird die Landschaft. Wiewohl das Stekenjokk mit seinen 856 m nicht gerade einen Höhenrekord aufstellt, wird man als gewiefter Schwedenfan tausend Meter dazurechnen und 1856 Höhenmeter sind dann schon respektgebietend. Kein Wunder, dass hier der Schnee bis weit in den Sommer hinein liegt und im Juni noch Snowboardmeisterschaften ausgetragen werden.

Davon ist heute nichts zu spüren, die Witterung ist angenehm, wenn auch ein rauhes Lüftchen weht, doch damit ist jetzt im Herbst einfach zu rechnen. Je höher wir kommen, desto weiter wird das Land und von Norwegen her grüssen die schneebedeckten Gipfel der Gletscher des Borgafjälls. Linkerhand schiesst der Gaustafall vorbei und dann gleiten wir bereits über die weitgestreckte Ebene der Passhöhe.

Am Schild Stekenjokk geht es vorüber und dann gilt es, die Augen offenzuhalten, denn linkerhand rauscht in einer Entfernung von etwa dreihundert Metern ein herrlicher Gletscherfluss, an diesem wollen wir ein Stück entlangwandern. Dabei geht es uns nicht so sehr ums Wandern, sondern es ist immer wieder eine Freude, das Wasser für den Kaffee direkt aus dem Fluss zu schöpfen und ich bilde mir ein, der Kaffee schmeckt gleich noch einmal so gut, wenn er mit dem klaren, perlenden Wasser eines Fjällflusses zubereitet wird.

Gesagt, getan. Das Auto wird auf einem der zahlreichen Parkplätze abgestellt, dieser liegt gleich neben der Rot-Kreuzhütte, also einer Betonhütte, die mit riesigen Rotkreuzschildern bemalt ist. Zu dieser Hütte führen aus jeder Himmelsrichtung durch hohe Stangen markierte Notwege für Wanderer, die sich im Nebel oder im Schneesturm verirrt haben. Die Hütte ist offen und darin befindet sich alles, was für einen Einsatz notwendig ist: Tragbahren, Decken, und verschiedene Taschen mit Erster Hilfe. Toll.

Wir folgen einem kleinen Pfad, der querfeldein zum Fluss hinunterführt. Ein ziemliches Lüfterl bläst und wir ziehen uns die Kappen tief ins Gesicht. Wie so oft unterliegen wir einer ziemlichen Täuschung, als wir uns im Abstand gründlich verschätzen, es ist weiter als man denkt, doch endlich erreichen wir den gischtenden Fluss, der sich hier über die Steine und Felsen ergiesst. Riesige Gletschermühlen zeugen von der Allgewalt des Wassers und des Eises.

Der Trangia - Kocher wird hervorgeholt, das Wasser direkt aus dem Fluss geschöpft und gleichzeitig mit dem kochenden Wasser beginnt es zu regnen. Zuerst ein feiner Nieselregen, dann etwas stärker und als wir den Kaffee ausgetrunken haben, hört es auch zu regnen auf und der Wind treibt die Wolken auseinander.

Es wäre zwar sehr schön hier, doch wir wollen weiter. Ich will endlich das Gebiet sehen, wo hier heroben während zwanzig Jahren Erz abgebaut wurde. Diese Stelle befindet sich bereits in Västerbotten/Lappland, wie erwähnt ist die Passhöhe zugleich auch die Landesgrenze für die Provinzen Jämtland und Lappland. Eine kleine Informationshütte, einem Lappentipi nachempfunden, steht unübersehbar am Strassenrand.

Hier finde ich auch Bilder und eine Legende: 1918 wurden hier heroben erste geologische Erzfunde gemacht. Bis 1960 sollte es dauern, ehe diese Funde von der Bergbaufirma Boliden ernsthaft projektiert wurden. 1970 wurde vom Staat eine Kommission eingesetzt, die prüfen sollte, ob die Funde für würdig befunden werden sollten, einen Abbau in Erwägung zu ziehen. Sie wurden und 1976 begann Boliden mit dem Erzabbau.

Ganze zwölf Jahre dauerte es und bis 31.Oktober 1988, als die Grube wieder still gelegt wurde wurden abgebaut: 7,1 Millionen Tonnen Erz, daraus wurden 90.000 Tonnen Kupfer, 170.000 Tonnen Zink, 140000 kg Silber und 980 kg Gold gewonnen. Und nicht zuletzt, der Ort Klimpfjäll, der einige Kilometer weit entfernt liegt, erlebte durch die Bergarbeiter einen ungeahnten Aufschwung.

WANDERUNG RICHTUNG TJOKKOLA

Doch noch wollen wir nicht bis Klimpfjäll abfahren, sondern uns steht der Sinn nach einer kleinen Wanderung. Wir halten Ausschau nach dem Schild Tjokkola. Erst nach der Brücke über den Fluss Saxån werden wir belohnt. Tjokkola 9 steht da. Die Entfernungen auf den schwedischen Schildern werden immer in Kilometern angegeben, nicht wie in den Alpen mit Stunden. Erfreut lassen wir das Auto stehen und schultern die Rucksäcke. Die Markierung der Andreaskreuze verläuft querfeldein, doch wir lassen uns nicht verleiten, dieser zu folgen, sondern bleiben auf einem breiten Karrenweg, sehr zur Freude meiner Begleiter, die sich von diesem "Pensionistensteig" sehr angetan zeigen.

Mir selber will das nicht so recht gefallen, daher laufe ich nach etwas fünfzehn Minuten querfeldein los auf den nächsten Hügel hinauf. Ich hatte zwar in meinem Eifer einen kleinen Bach übersehen, der vom Weg aus nicht zu sehen, sich durch das Wollgras schlängelt, aber genau da, wo ich auf ihn stosse, wird er ganz schmal, sodass ich ihn mit einem Sprung forcieren kann. Wie das nun so ist bei den schwedischen Bergen, reiht sich ein Hügel an den nächsten, und der Abstand zum Pensionistensteig wird immer grösser. Das macht mir aber nichts aus, denn inzwischen ist die Sonne endgültig durchgekommen und die ganze Gegend erstrahlt in satten, reifen Herbstfarben. Hier heroben merkt man auch an der geologischen Form, dass wir uns mitten im Fjäll befinden, von überall her leuchten die blauen Augen der kleinen Bergseen. Wunderbar!

Wie gross wird erst meine Freude, als ich auf einen ganz besonders hohen Hügel rauflaufe und von dort oben einen echt tollen Blick ins Nachbartal, also Richtung Tjokkola habe, mit der Durrenspitze vor mir und einem grossen Fluss und seinen, fast könnte man sagen, deltaartig verzweigten Zu- und Nebenflüssen im Tal. Sieht aus fast wie das Rapatal! Vielleicht sogar noch schöner, denn weit hinten am Horizont leuchten die norwegischen Gipfel herüber. Diese kleine Extratour hat sich wirklich ausgezahlt. Von hier heroben sehe ich auch den Pensionistensteig in weiter Ferne und zwei kleine Punkte darauf, die gemächlich dahinspazieren.

Genau an einem kleinen Bergsee treffen wir wieder aufeinander und wieder ist Kaffeepause angesagt. Es ist so wunderschön, der See vor uns, die Ruhe, der totale Friede, kein Mensch weit und breit, nicht einmal eine Strasse ist zu sehen, das ist Schweden! Schöner kann es einfach nicht sein.

Wieder beim Auto ist es an der Zeit, dass wir uns um ein Nachtquartier umsehen. Die Wahl fällt schwer: Zwei nahezu gleichwertige Alternativen bieten sich an: Hotel Fjällfjället in Klimpfjäll und Hotel Saxnäsgården im gleichnamigen Ort am anderen Ende des Kultsees. Die Entscheidung fällt zu Gunsten von Saxnäs, weil wir am nächsten Tag auf das Marsfjäll gehen wollen, und zwar von Marsliden aus. Der "Normalweg", wenn man so will, führt von Fatmomakke auf dieses Fjäll. Fatmomakke wiederum liegt näher bei Klimpfjäll und für alle, die sich auf das Marsfjäll von Fatmomakke aus begeben wollen, ist ein Hüttchen des Hotels Fjällfjället wärmstens empfohlen.

So begnügen wir uns mit einem Blick vom Norgefarargård, der in der Abendsonne badet, hinunter auf den Kultsee. Dann legen wir die dreissig Kilometer nach Saxnäs immer am Kultsee entlang zurück.
Der Tag klingt in einer wunderbaren Abendstimmung aus, die Sonne taucht den Felsen in ein rotes Licht, und als wir uns Saxnäs nähern, sehen wir das Marsfjäll wie einen wuchtigen Klotz auf der gegenüberliegenden Seite des Kultsees aufragen.

IN SAXNÄS

Unser Hüttchen liegt am Kultsee und ist überkomplett ausgerüstet - Sauna, zwei Schlafzimmer, Küche, im Foyer des Hotels Saxnäsgården gibt es einen gut bestückten Souvenirladen , was trotz des vielfälrigen Angebots an exotischen Souvenirs in Lappland gar nicht gar nicht so leicht zu finden ist.

Ein Wermutstropfen ist trotz aller Eleganz und trotz des sehr hohen Preises, dass das Wischtuch anscheinend schon seit der Einweihung des Hauses nicht mehr getauscht wurde, dass ein Heizkörper kaputt ist und der Schwamm in der Abwasch beim Angreifen völlig zerbröselt. Das ist bei dem Preis einfach unnötig und setzt unserer Begeisterung über die Hütte einen gehörigen Dämpfer auf. Ach ja, was uns besonders ärgert ist der offene Kamin und daneben das Schild: Holz zum Heizen kann in der Rezeption gekauft werden. Bei 870.- Kronen(also € 80.-) die Nacht müssen doch zwei Holzscheite wohl im Preis inbegriffen sein!

Dennoch lassen wir uns von solchen kleinen Unannehmlichkeiten nicht die Laune verderben, sondern geniessen den Abend und kriechen früh ins Bett, denn am nächsten Tag steht wie gesagt das Marsfjäll auf dem Programm. Marsliden liegt dreissig Kilometer von Saxnäs entfernt ungefähr auf der gegenüberliegenden Seite des Kultsees von Saxnäs aus gesehen.

Als ich am Morgen einen Blick aus dem Fenster werfe, traue ich meinen Augen kaum: Nebel, so dicht, dass ich kaum das nächste Gebäude sehe. Das sind nun wirklich nicht ideale Wetterbedingungen für das Marsfjäll, das mit 1800 m doch ein echter Berg ist, speziell wenn man, wie anzuempfehlen, tausend Höhenmeter dazurechnet.

Nach einem ausgedehnten Frühstück, immer von der Hoffnung verlängert, dass sich der Nebel doch noch lichten möge, setzen wir uns ins Auto und tuckern nach Marsliden. Nicht einmal der Treppenwasserfall, wo sich der Kultsee über eine treppenförmige Steinformation in den Kultbach ergiesst, ist ordentlich zu sehen. In Marsliden wartet die nächste unliebsame Überraschung: Die schmale Strasse ist in ihrer ganzen Breite aufgegraben und zwei Männer sind damit beschäftigt, ein Entwässerungsrohr zu verlegen. Diesmal macht uns das Warten nichts aus, denn zum Nebel hat sich jetzt noch ein leichter, dafür steter Regen gesellt.

Bald sind die beiden fertig, sagen uns auch noch den Weg an, "nach 500 m rechts hinauf Richtung Fjällstugor" und dort parken. Diesen Rat befolgen wir gern. Direkt am Parkplatz stehen wirklich einige Hüttchen, die ich mir vormerke, falls ich wieder einmal von hier aufs Marsfjäll gehen will, sie scheinen zwar klein, doch für eine oder zwei Nächte sicher lang gut und vor allem preislich sicher angenehmer als unser Haus auf der anderen Seite.

AUFS MARSFJÄLL

Marsfjällskåtan 12 steht da auf dem blauen Schild. Also 12 Kilometer. Jetzt ist es zehn Uhr. Auf der Karte hatte ich gesehen, dass die Marsfjällshütte (Kåtan = Hütte) ungefähr 5 km vom Gipfel entfernt ist und direkt am Weg von Fatmomakke auf das Marsfjäll liegt. Der Weg von Marsliden mündet in diesen Weg ungefähr zwei Kilometer von der Marsfjällhütte Richtung Gipfel. Bei drei Kilometern pro Stunde wird der heutige Ausflug also ungefähr sechs bis sieben Stunden dauern. Vielleicht acht, wenn man ein kleines Wegsuchen, Verirren und Wiederfinden einrechnet. Bei dem Nebel und bei der späten Stunde sollte man sich vielleicht etwas sputen.

Wir steigen die ersten fünfhundert Meter den Weg bergauf. Steine, grosse, kleine, der Weg ist übersät davon. Nach einer halben Stunde beschliessen wir, dass wir getrennt marschieren, und machen aus, um zwei Uhr umzudrehen, egal, wo wir uns gerade befinden. Nach etwa drei Kilometern komme ich zu einer Hütte, "Apelsinklyftan", also Orangenspalte, geheissen. Da sind gerade zwei junge Schweden dabei, sich ihr Frühstück zu bereiten. Sie sind schon gestern aufgestiegen und haben im Zelt am Bach, den ich bis hierher rauschen höre, übernachtet.

Ich haste weiter. Hatte ich unten noch gehofft, vielleicht, vielleicht, könnte sich der Nebel hier über der Baumgrenze lichten und den Blick auf einen blauen Himmel freigeben, so sehe ich diese Hoffnung enttäuscht. Im Gegenteil, der Nebel wird immer dichter, was ich eigentlich gar nicht mehr für möglich gehalten hatte.

Zum Glück ist der Weg wirklich gut markiert, teils mit orangefarbigen Ringen an den Bäumen und hier heroben, wo es keine Bäume mehr gibt, nur riesige Steinklötze, durch Steinmänner. Es ist kein angenehmes Wandern. Am Bach geht es noch, da rauscht der Bach, doch hier schluckt der Nebel jedes Geräusch und man muss sich enorm konzentrieren, um den Weg nicht aus den Augen zu verlieren.

Irgendwie erinnert mich diese Wanderung an meinen Ausflug auf den Kebnekaise, wo ähnliche Bedingungen geherrscht hatten. Oder auf den Pårtegipfel, aber an den erinnere ich mich nicht gern, denn die Waschküche dort war überhaupt das Schlimmste, was ich in Beziehung Nebel jemals erlebt hatte.

Ich renne bis zu einem Bach. Hier ist plötzlich eine unfreiwillige Pause angesagt. Nach der Karte müsste der Weg auf der anderen Seite des Bachs weitergehen, doch ist keine Furt da, nur neben dem Bach verläuft noch ein kleiner Weg am Ufer entlang. Dem beschliesse ich zu folgen. Leider, er endet in einem Morast. Ich laufe in den eigenen Spuren zurück, auf der anderen Seite des Bachs ist nichts zu sehen. Kein Weg, kein Steinmann, nur zwischen den Felsen das Andreaskreuz der Wintermarkierung. Dorthin wende ich mich, balanciere auf ein paar Steinen über den Bach und ungefähr auf halbem Weg kreuze ich durch einen Zufall wieder meinen Weg. Passt.

Nach der Karte habe ich jetzt ungefähr ein Drittel des Wegs zurückgelegt, es ist zwölf Uhr und ich merke, dass ich für diese Tour nicht optimal ausgerüstet bin. Mein Fleecepullover zieht die Feuchtigkeit des Nebels an und meine Jacke baumelt am Rucksack. Dummerweise habe ich meinen "Jagdrock" an, also ein Kleidungsstück, das sich sehr gut für einen Tagesausflug in schonische Buchenwälder eignet, aber hier heroben doch wohl etwas fehl am Platze ist. Daher lasse ich die Jacke, wo sie ist. Auch meine Beinkleider sind nicht ideal für dieses Wetter.

Die Fjällrävenhose ist wirklich super im Sommer, denn sie ist aus ganz dünnem Baumwollstoff und trocknet superschnell - nur ist sie ebenso schnell wieder nass, was sich jetzt unangenehm bemerkbar macht. Handschuhe und Mütze liegen auch im grossen Rucksack in der Hütte in Saxnäs, zusammen mit dem Regenzeug, das dem Trangiakocher weichen musste und viel mehr hat in meinem winzigen Tagesrucksack nicht Platz. Naja, die Schirmkappe etwas fester gedrückt und den Hügel hinaufgestürmt.

Sagte ich eben Hügel? Vor dem eigentlichen Marsfjäll gilt es einen kleinen Pass zu überwinden. Zumindest war mir das gestern Abend so vorgekommen, als ich mir die Route in der warmen Hütte auf der Karte angesehen hatte. Heute schraubt sich der Weg einen Steilhang empor in einer Rinne, die voller Geröl ist. Da drüben ist sogar noch ein Schneefeld zu sehen.

Rechts von mir ragt der Berg in die Nebel. Doch der Weg ist gut sichtbar und Stangen weisen mir den Weg. Dennoch, so hatte ich mir diesen Ausflug nicht vorgestellt. Irgendwie hatte ich einen sanften Spaziergang erwartet, nicht eine hochalpine Tour.

Hier sei eine Anmerkung gestattet: Wie sehr doch bei jeder Tour die innere Einstellung eine Rolle spielt. Und das Wetter. Nebel ist so ziemlich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, gesellt sich zu diesem Nebel dann noch ein ausgewachsener Sturm und Regen, so wie hier, nun, dann muss die Motivation schon sehr gross sein. Dann sollte die Ausrüstung in Ordnung sein und der Witterung angepasst und vor allem der Wille muss da sein. Der Wille, den Gipfel zu erreichen und nicht klein beizugeben.

Heute scheint nichts davon zu stimmen. Die Ausrüstung nicht und auch der Wille ist etwas dünn. Ausserdem habe ich noch nichts gegessen, bin aber jetzt schon zu müde um noch lang den Rucksack auszupacken und die Speckbrote anzugehen. Ausserdem bläst der Sturm und wie ich kurz stehenbleibe, merke ich, dass es eigentlich ganz schön kalt ist. Hätte ich nur meine gute Vadmals(Loden)hose und die Gamaschen an den Füssen. Der Wind bläst durch den Fleece durch und mich friert.

Als ich die Anhöhe und das Ende der Schlucht erreicht habe, beschliesse ich, zu rasten. Ich würge ein Speckbrot hinunter, eigentlich hatte ich damit gerechnet, überall ausreichend Wasser vorzufinden und hatte daher auf den Luxus einer Wasserflasche verzichtet. Natürlich ist jetzt weit und breit kein Gewässer zu sehen. Dafür - ein sauber abgenagtes Rentierskelett , sogar die Läufe sind noch dran. Das will mir nun so ganz und gar nicht gefallen, daher mache ich, dass ich weiterkomme. Inzwischen ist es dreizehn Uhr geworden und ich habe erst die Hälfte des Wegs zurückgelegt. Und dabei fehlt mir immer noch der Aufstieg auf den eigentlichen Berg.

Hinter der nächsten Biegung liegt wieder ein Rentierskelett. Das genügt. Ich drehe um und renne zurück. Wahrscheinlich hätte mir das alles nichts gemacht bei schönem Wetter, aber in diesem gespenstischen Grau, wo man nur der Wind heulen hört und mit der Aussicht bei dichtestem Nebel auf einen Gipfel zu rennen, und bei einem Verlaufen von der Dunkelheit überrascht zu werden, scheint mir das die beste Alternative.

Überraschend schnell bin ich die Schlucht unten und hier kommen mir die beiden jungen Schweden entgegen. Wie auf einem Sonntagsausflug wandern sie daher, Hand in Hand, das Glück strahlt aus ihren Augen. Johan und Karin sind wie alle Einheimischen sehr gut ausgerüstet - Regenkleidung vom Feinsten, Stiefel und sehr gute Bergschuhe und vor allem scheint sie der Nebel nicht im Geringsten zu stören. Sie gingen noch weiter bis zur Hütte, dann wollten sie sehen, ob der Aufstieg lohnt. Naja, mir soll es recht sein. Jetzt gehe ich die Rinne auch nicht noch einmal hoch. Ich wünsche den beiden viel Glück und haste weiter.

Am Bach verliere ich wieder kurzfristig den Weg, da sehe ich am anderen Ufer meine Kameraden auftauchen, die ebenfalls ein wenig ratlos das Ufer auf- und ablaufen. Vereint treten wir den Rückzug an und sind um sechzehn Uhr wieder am Parkplatz. Um halb sechs wird es dunkel und daher war die Entscheidung umzukehren vielleicht doch nicht ganz so unüberlegt, wie mir das noch zum Zeitpunkt der Wende erschienen war. Dennoch - ein nicht ganz gutes Gefühl ist zurückgeblieben und auch jetzt noch beim Schreiben dieser Zeilen spüre ich den Respekt vor dem schwedischen Bergen in mir rumoren.

Wenigstens ist es am nächsten Tag immer noch neblig und auch der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage keine durchgreifende Wetterbesserung. Daher fällt mir der Abschied nicht schwer und wir fahren die Wildnisstrasse hinaus nach Vilhelmina. Auf der Inlandsstrasse geht es wieder Richtung Süden.

Nachtrag: Zwischen Hoting und Strömsund gibt es in Lövberga einen wunderschönen Rastplatz/Campingplatz mit Toiletten und einem kleinen Laden an einer Bucht des Sees Flåsjön. Kurz davor im gleichen Ort gibt es Vadmalskleidung zu erstehen. Dies als Tip für Freunde natürlicher Textilien.

Damit wäre die Tour über die Wildnisstrasse abgeschlossen. Auf der Rückfahrt übernachten wir in einer Hütte in Kloten, die sich sowohl vom Preis her als auch von der guten Luft und der Sauberkeit her als optimal erweist.

Hier noch einige wichtige Adressen und Telefonnummern:
http://www.stromsund.se
http://www.vilhelmina.se
http://www.frostviken.z.se
Jormliens Fjällgård Tel. +46 672 201 90
Hotell Fjällfjället Klimpfjäll (Hütten) +46 940 711 80
Hotel Saxnäsgården Saxnäs (Hütten) +46 940 554 20
Blåsjöns Fjällcamp +46 672 210 01
Marsliden Hütten +46 940 152 70
Jugendherberge STF in Björkvattnet +46 672 230 24
Kultsjögården Saxnäs (Hütten) STF Jugendherberge +46 940 700 44
STF Jugendherberge (Hütten) Docksta Skoved +46 613 130 64
Kloten Hütten , Kopparberg +46 580 88 300

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Last Updated: Freitag, 14. Oktober 2011
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