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Im Urlaubsmärchenland IV

Fortsetzung von: Im Urlaubsmärchenland, Teil 3


Von

Lillhärdal bis Älvdalen


Vom Trubel des Jahrmarkts in Jokkmokk geht es weiter zur E4 und auf dieser bis Sundsvall an der Küste des bottnischen Meeres entlang. In Sundsvall zweige ich ab auf die E14 Richtung Östersund bis Ånge und ab dem kleinen Städtchen ist Gleiten angesagt: auf einer kleinen, aber extrem naturschönen Strasse (viele Seen und entlang dem Ljunganfluss) bis Rätan. Dieser Wegabschnitt ist unbedingt zu den schönsten Strassen Schwedens zu zählen. In Rätan geht es quer über die Bundesstrasse 45 (Inlandsstrasse) und auf einem engen Strässchen in den Ort Vemdalsskalet und weiter nach Sveg.

von Eduard Nöstl


Von Sveg sind es dann nur mehr zwanzig Kilometer bis Lillhärdal, meiner heutigen Station. Das Dorf ist winzig und besteht aus einer Tankstelle, zwei Kaufläden (ICA und Konsum), dem Verkehrsbüro und dem Gasthof, sowie ein paar verstreuten Einfamilienhäusern. Ich beziehe mein Quartier im ganz frisch renovierten Gasthof Lillhärdal. Direkt an der Strasse wurde in Gedenken an den Gründer Lillhärdals und Härjedalens, dem norwegischen "Einwanderer" Prinz Härjulf und seiner Frau Helga ein Denkmal gesetzt.

Eine für den kleinen Ort reichlich überdimensionierte Kirche grüsst von einem Hügel und nur einen Steinwurf davon entfernt steht ein ebenso etwas gross geratenes Hallenbad. Dieses wurde noch als letzte Massnahme vor der Eingemeindung mit Sveg von den damaligen Ortsvätern mit dem "eigenen" Geld erbauen lassen.

IM "DORF DER SELIGEN"

Anders Olsson und Stefan Källbäck hatten eine Idee. Beide sind aus Lillhärdal gebürtig und beide hatte es nach Stockholm verschlagen, wo sie zu Ruhm und Ehren gelangt waren. Das war in jungen Jahren. Im respektablen Alter von vierzig Jahren hatten beide den Zenit des Lebens erreicht und konnten zufrieden auf die Erfolge zurückblicken. Doch es fehlte etwas.

Die Grosstadt hat ihre Reize, aber wenn man vom Land kommt, so ist der Bezug zur Scholle, zum Duft der Wälder, wenn der Frühling alles in Saft und Kraft versetzt,zum ausgreifenden Schritt des Wanderers nie wegzukriegen. Er kann überlagert werden von den Verlockungen der Grosstadt, wie ein Haus, das mit den verschiedensten Farben übermalt wird um den Moden der Zeit zu folgen, aber immer wird ein Holzhaus eine gemütliche Stimmung verströmen.

Anders und Stefan hatten sich wieder einmal zur gemeinsamen Wandertour in ihrem Heimatdorf Lillhärdal in Härjedalen getroffen. Als sie bei einem Angelausflug am Ufer des kleinen Flusses Sexån standen und ihren Kaffee über dem offenen Feuer kochten, hielt Stefan kurz inne, liess den Blick über die Flussbiegung schweifen und meinte: "Das müsste man unseren Kollegen in Stockholm zeigen. Das ist Schweden, wie es am schönsten ist". Anders war Feuer und Flamme.

Doch wie sollte man ein Dorf, dessen Einwohneranzahl im Lauf der Jahre stetig gesunken war, das im Zuge der Eingemeindung nur ein Teil der grossen Gemeinde Härjedalen war und wo nicht einmal ein Pächter für das Gasthaus gefunden werden konnte von ihren Idee überzeugen?

"Wir müssen das selber in die Hand nehmen", waren ihre Abschiedsworte, als sie sich wieder auf den Weg nach Stockholm machten. Wochen, ja Monate zähen Planens folgten. Telefone liefen heiss und ein Brainstorming begann. Als alle Ideen hundertmal besprochen und diskutiert waren, hatte sich ein Weg herauskristallisiert, der den beiden gangbar schien.

Lillhärdal sollte sich auf seine Stärken besinnen. Geschichte und Kultur, die Wildnis der Wälder und Flüsse gleich vor der Tür. Jagd auf Elch, Auerhahn und Bär. Hier, wo die reichste Familie Schwedens, Wallenbergs, mitten im Wald nur mit dem Hubschrauber erreichbar ein Jagdhaus besitzt, sollte ein Dorf entstehen, in dem die Menschen sich auf sich selbst besinnen können, im Einklang mit der Natur leben und sich Kenntnisse aneignen, die sie fähig machen, sich für alle Zukunft in eben dieser ursprünglichen Natur zurechtzufinden.

Wie sollte das vor sich gehen? Lillhärdalen ist der Ort, wo der kühne Krieger Härjulf sich mit der Frau seines Königs, auf seiner Flucht vom königlichen Hof zurückgezogen hatte. Hier wollten die beiden in Abgescheidenheit und weit entfernt vom königlichen Hof und den Verfolgungen des Königs ein neues Leben anfangen. Die beiden fanden in Lillhärdal, was sie gesucht hatten. Ruhe und Geborgenheit, einen fruchtbaren Boden, wildreiche Wälder und freundliche Menschen, die ihnen Schutz und Zuflucht boten.

Genauso sollte sich auch der moderne Mensch fühlen, der aus der Hetze und dem Stress der Grosstadt kommt und Ruhe und Geborgenheit sucht. Doch Anders und Stefan waren sich auch bewusst, dass der moderne Grosstadtmensch nicht mehr in der Lage ist, sich in der ursprünglichen Natur zurechtzufinden.

Wird er in den Wald hinausgeschickt, so verläuft er sich. Hat er einen Fisch an die Angel gekriegt, so weiss er nicht wie er den Fisch vom Haken kriegt oder wie er ihn zubereiten soll. Alle Fertigkeiten, die noch für unsere Grosseltern selbstverständlich waren, sind im Lauf von nur zwei Generationen verschwunden. Verschüttet von einer Zivilisation, die uns zwar immer älter werden lässt, und in der ungeahnte Fortschritte für das Kollektiv gemacht wurden, in der aber der Einzelne, sich selber überlassen, völlig allein dasteht und sich kaum mehr zu helfen weiss.

Speziell Grosstadtmenschen und Urlauber aus fremden Ländern machen immer wieder diese Erfahrung in der unergründlichen Weite der schwedischen Natur. Was soll ich anziehen? Was ist das für ein Baum? Welche Pflanzen kann ich essen und welche sind giftige Pilze? Wie orientiere ich mich bei einem Unwetter? Was ist die Südseite einer Wetterfichte? Wie verhalte ich mich, wenn meine Wege die Spur eines wilden Tieres kreuzen?

Lauter Fragen, die dem unbedarften Urlauber kein Mensch beantworten kann. Erst Anders und Stefan blieb es überlassen, diesen Lapsus der Tourismusverantwortlichen, die zwar gerne die Urlauber in ihre Länder haben wollen, aber glauben, damit ihre Pflicht getan zu haben und diese dann sich selber überlassen, zu erkennen und etwas dagegen zu tun.

SALIXBYN

Die Salixbyn, das "Dorf der Seligen" nahm Konturen an. Wie bei allem, was die beiden unternehmen, begannen sie auch hier in der Geschichte des Ortes. Hatte Härjulf und Helga hier ruhe und Geborgenheit gefunden, waren sie auf ihre Facon "selig" geworden, und gaben sie so den Grundton, das "Leitmotiv" des Projektes an, so stiessen Anders und Stefan im Zuge ihrer Nachforschungen auf den Kräuterpfarrer Sven Johan Evander, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Lillhärdal tätig war.

Sven Johan Evander hatte sich in wissenschaftlichen kreisen als Experte für Weidensträucher einen Namen gemacht. Die lateinische Bezeichnung für Weiden ist "Salix salix". Was lag also näher als ihrem Projekt den Namen "Salixbyn" zu verleihen? Dass Salix und salig (selig) ganz ähnlich lauten, ist zwar ein Zufall, trifft aber genau die Intentionen des Dorfes.

In eben dieser Flussbiegung, wo Anders und Stefan sich damals getroffen hatten und die Idee zur Rettung Lillhärdals geboren wurde, eben dort stehen heute fünf Blockhäuser mit Kanonenöfchen, eine Sauna und ein Langhaus mit Küche. In dieser Salixbyn wohnen die Gäste während ihrer Ausbildung, wenn sie sich im Laufe ihres Urlaubs ein, zwei Tage oder mehr in die Geheimnisse der Natur einweihen lassen. Von ausgebildeten Naturexperten werden sie je nach Lust und Laune oder Vorkenntnissen im Umgang mit Karte und Kompass eingeweiht, wandern zu den besten Angelplätzen, machen eine Wanderung unter bestimmten Themen, spüren eine verlassene Bärenhöhle auf, belauschen den Elch bauen einen eigenen Kohlenmeiler, leben ein paar Tage als Jäger und Fallensteller oder gehen mit dem Jagdhund auf die Foto-Pirsch.

Die Nächte werden in einer der Holzhütten im Salixbyn verbracht, die Speisen im Langhaus eingenommen und die Holz geheizte Sauna direkt am Flüsschen Sexån trägt zur Entspannung bei. Damit niemand den gewohnten Luxus allzu lange zu entbehren braucht, haben Anders und Stefan den Gasthof in Lillhärdal übernommen und renoviert.

Ganz besonders interessant, vor allem für die Familie, ist der "Naturpass", in den nach jeder Station ein Vermerk eingetragen wird. Also wenn zum Beispiel der Umgang mit Karte und Kompass beherrscht wird, bekommt der Teilnehmer einen Vermerk, wenn er mit dem Motorschlitten fahren gelernt hat ebenso, bis alle Stationen, die angeboten werden, durchlaufen sind. Dann kann man sich wirklich bedenkenlos in die Natur aufmachen, denn man weiss, dass man jeder Situation gewachsen sein wird.

Nachdem sich Anders und Stefan solcherart um Lillhärdal verdient gemacht haben, hat es nicht lange gedauert und immer mehr kleine Anbieter haben sich im Ort angeseidelt. So kann heute so ziemlich jeder Sport vom Mountainbiken, Reiten übers Kanupaddeln bis hin zum Hundeschlittenfahren und Motrschlittenfahren in Lillhärdal ausgeübt werden.

VON LILLHÄRDAL NACH ÄLVDALEN

Von Lillhärdal geht meine Fahrt auf einer total einsamen Strasse Richtung Älvdalen weiter. Während ich noch mit anders und seiner Frau Gunilla im gemütlichen Gasthof von Lillhärdal geplaudert habe, hat es zu schneien begonnen. Ich lehne daher die Einladung zum Mittagessen dankend ab und schaue, dass ich weiterkomme.

Schon an der ersten Kreuzung wird mir klar, dass es diesmal wirklich ernst wird, denn die kleine Strasse, auf der ich achtzig Kilometer zurücklegen muss, ist kaum befahren. Ein frischer Wind ist aufgekommen und stellenweise hat der starke Seitenwind recht hohe Schneeverwehungen verursacht. Nur jetzt nicht stehenbleiben, fährt es mir durch den Kopf, als eine leichte Steigung zu überwinden ist.

Trotzdem ich mich voll auf die Strasse vor mir konzentrieren muss, bleibt mir immer wieder Zeit, meine Blicke in der Gegend umherschweifen zu lassen. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl durch die verzauberte Winterlandschaft mit den dick verschneiten Bäumen zu gleiten. Immer wieder öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei auf ein Hochmoor oder über ein Flusstal, wo sich nichts regt, nur der weisse Schnee wie eine weiche, anschmiegsame Tuchent alles Leben zudeckt.

AUERHAHN UND SPITZMAUS BELAUSCHEN

Alles Leben? Nein, denn nach einer Wegbiegung steht ein Auerhahn mitten auf der Strasse und hat absolut keine Lust, sich von seiner Stelle fortzubewegen. Ganz nahe fahre ich heran und erst als ich aussteige und in die Hände klatsche, bewegt er sich ein paar Schritte zur Seite. Nur ein paar Meter weiter versucht eine klitzkleine Spitzmaus einen schier unüberwindlichen Schneewall, der sich an beiden Seiten der Fahrbahn vielleicht einen halben Meter hoch aufbaut, zu überwinden. Immer wieder versucht sie hochzuklettern, kommt bis zur Mitte des Hindernisses, und kullert wieder herunter. Als ich fünf Versuchen zugesehen habe, gebe ich auf und fahre voller Bewunderung für die Strebsamkeit und stoische Zielstrebigkeit der Maus weiter.

Bei Verlassen des Gemeindegebietes von Härjedalen , wenn die Strasse aufs Gebiet von Dalarna kommt, ist die Fahrbahn vom frisch gefallenen Schnee geräumt. Eigentlich schade, denn es war wirklich ein tolles Erlebnis, die erste Spur durch den vielleicht zwanzig Zentimeter hohen Schnee zu ziehen (allerdings hatte ich mir auf der Fahrt mehr als einmal gewünscht, eine menschliche Behausung zu sehen).

Kurz vor Älvdalen mündet die kleine Strasse in die belebte Durchzugsstrasse zum Schigebiet von Idre und Sälen, den mittelschwedischen schizentren, die vor allem bei den Bewohnern der dicht besiedelten Mälarregion beliebt sind. Hier ist das Weiterkommen kein Problem mehr, aber ich möchte diese Fahrt durch das Wintermärchenland von Lillhärdal auf keinen Fall missen!

Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Härjulfresor oder
Lillhärdals Turistbyrå
Härjulfsväg 5
S-840 80 Lillhärdal
Tel: +46 680 300 50
oder +46 680 300 01
härjulfsresor@telia.com


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Last Updated: Dienstag, 2. September 2008
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