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Västerbotten

Im Urlaubsmärchenland, Teil II

Fortsetzung von: Im Urlaubsmärchenland, Teil 1

Elchfarm Christer Johansson
"Ich glaub' mich knutscht ein Elch"


Nach einer Nacht in der Jugendherberge von Docksta (Matz Bergman, Tel.+46 613 130 64), wobei das Wort Jugendherberge niemand darüber hinwegtäuschen darf, dass es sich hierbei - zumindest im Winter - wohl um die luxuriöseste und dabei preiswerteste Art des Übernachtens handelt, die man sich vorstellen kann: Ein komfortables Blockhaus mit Wohnzimmer, Küche, Bad und zwei Schlafzimmern für SEK 110.- (€ 15.-), allerdings richtet sich der Preis nach Personenzahl, also erhöht sich der Preis mit jeder Person, aber trotzdem!

von Eduard Nöstl


Derart positiv auf den Norden eingestimmt geht es los. Wie immer, wenn es winterlich ist und ein zügiges Vorankommen höchste Priorität hat, halte ich mich an die E4, die grosse Lebensader, die das Norrland mit Stockholm, dem fixen Zentralpunkt Schwedens seit Gustav Vasas Zeiten, verbindet. Die Strasse ist herrlich breit und wird auch von ausreichend vielen Autos befahren, wodurch ein Vorankommen auch bei Schneefall jederzeit garantiert ist.

Wird auf den Strassen noch bis Sundsvall/Härnösand teilweise Salz gestreut, so nimmt das Fahren ab Örnsköldsvik einen abenteuerlichen Charakter an. Die Strassen werden nämlich nur mehr vom schlimmsten Schnee geräumt und damit hat sich's. Kein Wunder, dass Schweden auf Winterreifen mit Spikes schwören.

Für mich, der ich aus Lund, dem warmen Süden, hierher aufgebrochen bin, kostet es immer einige Zeit voller Konzentration und bösen Ahnungen, wenn ich miterlebe, wie hier unbekümmert Gas gegeben wird, wenn im besten Fall eine feste Schneedecke die Strasse in ein weisses Band verwandelt.

Doch schon nach einigen Kilometern lasse ich mich vom Strom treiben und fahre ebenso schnell wie alle anderen. Denn merkwürdigerweise halten die Spikes, was die Reifenhersteller versprechen. Die Bremsstrecke verlängert sich kaum nennenswert und eigentlich braucht man auf diesen Strassen auch nicht zu bremsen - ausser ein vorwitziges Rentier verirrt sich auf die Fahrbahn.

Also - schon hinter Örnsköldsvik mit seinen rauchenden Schloten der Zellstoffabriken wo das grüne Gold in weisses verwandelt wird, mache ich mich daran, die zahlreichen überlangen LKW's routiniert zu überholen - Sicht hin, Sicht her.

Vor einer Kuppe richtet sich meine Aufmerksamkeit auf eine Kolonne von vielleicht zehn Autos, die vor mir dahinzuckeln. Allen gemeinsam sind Dachträger mit überdimensionierten Scheinwerfern. Da ich für jede Abwechslung auf der eintönigen Fahrt dankbar bin, fange ich sofort zu raten an. Automarke? Unbekannt.

Erst bei näherem Herankommen und nach Überholen der letzten drei sehe ich im Rückspiegel, dass es Rover sind. Aha, alles klar - Autotester. In der Gegend von Arvidsjaur und Arjeplog treffen sich alljährlich die grossen Autohersteller Europas, um ihre Produkte auf Wintertauglichkeit zu prüfen.

In Nordmaling verlasse ich die E4 und zweige in Richtung Bjurholm auf eine kleinere Bundesstrasse ab. Gut, dass ich ein wenig auf der E4 üben konnte, denn hier heisst es wirklich seine Fahrkünste unter Beweis stellen.

Eine vielleicht drei Zentimeter dicke Schneeschicht verdeckt eine Eisbahn. So kommt es mir zumindest vor. Und ich bin froh, dass ich mein eigenes Auto in Lund stehen gelassen habe, und mit einem Mietwagen unterwegs bin. Denn Winterreifen in alle Ehren, aber auf Eispisten brauchst du Spikes.

Mit einem Kometenschweif von Schneekristallen hinter mir zische ich durch den Wald. Es macht richtig Spass Gas zu geben. Vor allem da sich ausser mir niemand auf der Strasse befindet. Kilometer um Kilometer geht es einsam dahin. Die ganzen vierzig Kilometer bis Bjurholm begegnet mir ein Auto!

Bjurholm ist ein Dorf, wie es sie in ganz Schweden zuhauf gibt. Post, Lebensmittelladen und Gemeindeamt. Eine Dorfstrasse, auf der ich einer grossen Rechtskurve folge, bis sie auf die Bundesstrasse nach Lycksele und Åsele mündet. Hier links und über die hohe Brücke über den Lögdefluss. Dann noch cirka drei Kilometer und schon taucht das Schild "Älgfarm", Elchfarm auf. Die Tafel ist nicht gerade überdimensioniert, also Augen offenhalten. Nach ca. fünfhundert Metern liegt linkerhand die Elchfarm oder besser, das "Haus des Elchs".

Ein langgezogener grauer, ebenerdinger Holzbau mit einem weiten Gehege, wie wir es von den Wildparks her kennen. Eine dick vermummte Figur schippt Schnee. Beim Näherkommen entpuppt sich die Figur als Christer Johansson, Langlaufweltmeister, Vater des Elchhauses und Gründer des "besten Fischwassers Europas".

Elchfarm Christer JohanssonDoch eins nach dem anderen. Ich kenne Christer schon seit einigen Jahren. Damals war er noch Gemeindepolitiker für das bäuerliche Zentrum, und als Spezialgebiet hatte er die Belange des Tourismus für sich gewählt. Er hatte damals schon grosse Pläne für die Umgebung - so ist der Wanderpfad entlang dem Lögdefluss auf seine Initiative entstanden, die Kanupfade auf dem Örefluss und Lögdefluss hätten ohne sein tatkräftiges Zutun nie das Licht der Welt erblickt und noch lange bevor Jukkasjärvi sein Eishotel baute, hatte Christer schon eine Sauna aus - Eis.

So viel zur Zähigkeit, Phantasie und dem eisernen Willen dieses untersetzten, kräftigen Mannes. Denn gerade hier im Norden, wo alles Neue zunächst einmal grundsätzlich in Frage gestellt wird, braucht man ein gerüttelt Mass an Geduld, Ausdauer und Stehvermögen, um seine Ziele zu verwirklichen.

Nach einem festen Händedruck sehe ich Christer ins Gesicht und mir fällt auf, wie sehr ihn dieser Kampf ums Dasein mitgenommen hat. War vor fünf Jahren sein Gesicht offen und heiter, so glaube ich diesmal ein erstes Anzeichen von Härte an ihm festzustellen zu können. Härte, die nicht auf die Unbillen der Natur zurückzuführen ist, sondern auf Unverständnis von den Menschen. Sein Blick ist zwar immer noch offen, doch sein Kopf ist zwischen die Schultern gesunken wie bei einem Boxer, der weiss, dass die nächsten Schläge kommen werden Nur ahnt er nicht woher, er hält es aber für angebracht, sich vorsichtshalber zu schützen.

Die blauen Augen, die früher fröhlich und optimistisch in die Welt geschaut haben, sind jetzt wie von einem Flor überzogen, die Stirn ist gerunzelt und die Linien um den Mund sind tiefer geworden. Nur seine Art zu gehen, als ob er sich gegen einen imaginären Wind anstemmen müsste, ist gleich geblieben. Ich erinnere mich, als wir bei meinem letzten Besuch ein Stück auf dem Lögdefluss Wanderpfad dahinspaziert waren und wie ich mich anstrengen musste, um mit diesem Extremsportler Schritt zu halten.

Die Elchfarm ist für mich völlig neu. Eine Idee, die mir Bewunderung abringt, denn wie alle freilebenden Tiere sind die Elche extrem scheu und eigentlich nicht zu zähmen, sondern sie lassen sich eben gutwillig darauf ein, den Vorstellungen des Menschen zu folgen.

Christer geleitet mich in sein Museum, das sich in dem grauen Holzbau befindet, wo wir uns zuerst einmal die Diashow "Das Jahr des Elchs" ansehen. Da ein Grossteil der Besucher aus Deutschland hierherkommen, ist der Sprechertext auf deutsch. Ich bin beeindruckt von den Bildern. Ich meine, da wohne ich jetzt schon seit fast zwanzig Jahren im Norden aber solche Bilder habe ich noch nicht gesehen.

ElchfarmRotbraune, schwarze und hellgraue Tiere, jung, und alt, Kühe und Elchbullen, die ein riesiges Geweih mit sich herumschleppen. Herrliche Naturaufnahmen, die jedem Hobbyfotografen und wohl auch dem Profi Bewunderung abringen. Den Schluss der Diashow bildet eine amüsante Begegnung zwischen einem Dachshund und einem Elchbullen!

Nach dieser Einführung gehen wir ins Museum. Was da nicht über den Elch und seine Lebensbedingungen zu finden ist, ist nicht wert, aufgeschrieben zu werden. Elchgeweihe, Elche und Bären in Lebensgrösse, Jäger und Gejagte, alles wird hier nachvollzogen so lebensecht wie es eben geht.

Schliesslich geht es hinaus in das Gehege. Dieses ist riesig und die freie Wiese geht in einen dichten Wald über. Im Sommer sind die Elche meistens im Wald unterwegs und können von den Besuchern in ihrer ureigensten Umgebung belauscht werden. Als wir eintreten, ist kein Elch zu sehen. Doch nicht lange dauert es, dann kommt schon die erste Elchkuh dahergewandelt. Mit jedem Schritt wird das Vieh grösser und grösser, und als sie sich vor uns in ihrer ganzen Majestät aufbaut, trete ich unwillkürlich einen Schritt zurück.

So gewaltig hatte ich mir dieses Tier nun auch wieder nicht vorgestellt und auch die freundlichen braunen Augen mit denen mich die Elchkuh mustert, können meine Vorbehalte gegen einen Nahkontakt nicht ganz zerstreuen. Christer lacht verschmitzt über meine Sorge und um zu beweisen, wie gutmütig diese grossen Tiere eigentlich sind, holt er eine Banane aus der Tasche und schwupp, mit einem Bissen ist sie samt der Schale verschwunden. Jetzt kommt auch die zweite Elchkuh hinter der Scheune hervor und macht sich über die Leckereien in Form von Äpfeln her, die ihr Christer entgegenstreckt.

ElchfarmDas Maul des Elchs ist samtweich. Das kann Christer bestätigen, denn zum Gaudium der Besucher und zur Freude der Fotografen hat er den Elchen "Küsschen" gelernt. Er steckt sich einen Apfel in den Mund und Helga, die Elchkuh holt sich den Apfel vorsichtig. Gar nicht vorsichtig ist Helge, der Elchbulle. Trotzdem sein Geweih vorsichtshalber abgesägt wurde, nähert er sich respektgebietend mit Riesenschritten. Er ist womöglich noch grösser als die beiden Kühe. Da ich ein wenig von Christer und den anderen Elchen abgerückt bin, stehe ich dem Bullen im Weg.

Er senkt den Kopf ich bin wirklich froh, dass er kein Geweih mehr hat, denn als er mir einen freundchaftlichen Schubs gibt, fliege ich auch schon in den Schnee. Hat der eine Kraft! So etwas habe ich auch noch nie erlebt. Völlig ohne Anstrengung schupft mich der Bulle, dass ich einen Meter weg mich wieder finde.

Zum Glück bemerkt Christer meine missliche Lage, nimmt einen Stock und drängt Helge von mir ab, bevor er Muhs aus mir macht.

"Naja, die sind halt so, er ist eben nicht kastriert und wird leicht eifersüchtig," meint Christer beruhigend, ganz Herr der Lage. "Aber ich kann dir einen kleinen Tip geben: Wenn du draussen in der freien Wildbahn auf einen Elch stösst, der die Ohren anlegt und mit den Vorderbeinen scharrt,, dann verschwindest du am besten hinter dem nächsten Baum, denn sonst kann es dir bös ergehen."

Ich hoffe, ich werde nie in so eine Situation kommen, nehme meinen Rucksack und verschwinde durch das Gatter, das das Gehege von dem Hof trennt. Erst hinter der Tür drehe ich mich wieder um und sehe mir die drei Riesen an. Kaum zu glauben, als könnte er kein Wässerlein trüben, steht Helge mit seinen beiden Kühen da. Zufrieden, dass er die beiden Eindringlinge verjagt hat, trottet er wieder zurück hinter die Scheune.

Christer und ich ziehen uns ins Restaurant zurück und bei einem Kaffee erzählt er mir von seinem nächsten Projekt. "Europas bestes Fischwasser", das sehr wohl Wirklichkeit werden kann. "Die Elchfarm läuft jetzt von selber, das machen mein Sohn und meine Frau, ich will mich von nun an um meine heimlich Liebe, mein Fischwasser im Lögdefluss kümmern. 20 Kilometer gehören mir und da gibt es Forellen, sage ich dir, drei und mehr Kilo. Jeder, der herkommt, wird garantiert Fische an die Angel kriegen. Wohnen werden die Gäste in unseren Blockhäusern und das ist erst der Anfang."

Als er von diesem Projekt erzählt, wird Christer wieder zu dem Mann, als den ich ihn kennengelernt habe. Voller Energie, Optimismus und enthusiastisch. Voller Pläne und Tatendrang, ein neues Ziel vor Augen. Als ich mich verabschiede, beschliesse ich, dieses Bild bis zum nächsten Treffen zu bewahren und denke bei mir: "Christer, du hast den Elchtest bestanden!"


Adresse:
Älgfarm
Christer Johansson
916 92 Bjurholm
Tel: +46 932 500 00

Fortsetzung: Im Urlaubsmärchenland Teil 3


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Last Updated: Freitag, 14.Oktober 2011
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