Lustige
Kanutour auf dem spannenden Råneälv
Der
Råneälv ist einer der wenigen frei lebenden Flüsse Nordschwedens,
er ist also von jedem Kraftwerk mit seinen Dämmen und Flussregulierungen
verschont geblieben. Die wenigen Strassen, die es in seiner Nähe
gibt, sind Schotterstrassen und wir Mitteleuropäer würden eigentlich
eher Forststrassen dazu sagen. In Valvträsk wartet bereits
Håkan mit dem Kanu auf dem Dach seines VW Golf Combi. Er sieht
aus wie ein Wikinger mit seinen langen blonden Haaren und ist wildnismässig
in braunen Drillich gekleidet. Er erklärt mir kurz die Strecke,
die er für heute geplant hat, dann fahren wir an die Ausgangsstelle.
Dort lassen wir mein Auto stehen und mit seinem fahren wir weiter.
von
Eduard Nöstl
Wir
haben eine kurze Tour vor, die uns über einige Stromschnellen
führen soll. Das passt mir ganz ausgezeichnet, denn es ist
immer gut, wenn man mit einem Profi unterwegs ist, denn ein bisschen
was kann man immer dazulernen. Und Håkan ist ein Profi. Das
merke ich nicht zuletzt an seiner ruhigen Art, wie er seine Worte
wählt.
Trotz
seiner jungen Jahre, er dürfte noch keine dreissig sein, strahlt
er eine Ruhe aus, wie sie nur die Erfahrung und ein gesundes Selbstvertrauen
mit sich bringt. Und der Umgang mit reichen Leuten. Denn Håkan
organsiert "Wildnisabenteuer" für Firmen, also Incentive
und solche Sachen, mit denen Firmen sich bei ihren verdienten Mitarbeitern
vom Starverkäufer aufwärts für deren selbstlosen
Einsatz erkenntlich zeigen.
Und wenn sich dann so ein Supermanager in der Natur anstellt wie
der erste Mensch und klein wird wie ein Zwerg, naja, dann wächst
natürlich das Selbstvertrauen derer, die sie führen. Irgendwie
logisch.
Håkan
hat also schon viele Kunden geführt. Seine Ausrüstung
ist tiptop in Schuss. Das Angelzeug ist in einer Plastikhülle,
die wiederum bequem an einem Riemen um die Schulter getragen werden
kann. An der Schwimmweste baumelt ein kleines Messerchen, sie ist
zugleich eine kombinierte Anglerjacke mit hunderttausend Taschen.
Das
Kanu ist ein Coleman Outback, was mich freut und wieder beweist
wie serviceminded Håkan ist, denn meine Firma heisst ja auch
Outback.
In
Aspliden, wo wir unsere Paddeltour starten, ist der Fluss ganz ruhig,
fast wie ein See. Recht tief und ich bin froh über meine Schwimmweste.
Es gibt übrigens einen hervorragenden Paddelführer für
den gesamten Rånefluss, wo jeder einzelne Flussabschnitt eingezeichnet
ist und erklärt wird. Auch die Stromschnellen sind eingezeichnet
und bewertet. Hier im Oberlauf ist von Stromschnellen keine Spur.
Ein paar weisse Wölkchen spiegeln sich im Wasser, rechts und
links erstreckt sich kilometerweit der Wald.
Håkan erklärt mir die Paddelschläge. "Die Hand,
die am Griff liegt, wird in Stirnhöhe nach vor geführt,
dann stichst du das Paddel ein und ziehst kräftig durch",
höre ich seine Stimme hinter mir. Leichte Missbilligung schwingt
mit, denn ich habe, im Vertrauen darauf, dass der Fluss mir die
Arbeit abnimmt, das Paddel mehr pro forma ins Wasser gehalten. Doch
hier ist Arbeit angesagt. Ich tue, wie Håkan sagt und schon
ziehen wir ein wenig schneller durchs Wasser. Bald schon finden
wir unseren Rhythmus und ich entspanne mich und fange an zu geniessen.
Eigentlich
gibt es nichts Schöneres als eine Paddeltour. Du sitzt mehr
oder weniger bequem, brauchst nichts zu schleppen, siehst enorm
viel und wenn du hungrig wirst, legst du an, machst ein Feuer, isst
etwas und dann schlägst du an einem schönen Plätzchen
dein Zelt auf und schläfst zufrieden einem neuen Tag voller
Abenteuer entgegen.
In
einer Bucht des Flusses kurz vor der ersten Stromschnelle legen
wir an. Håkan packt die Angel aus und fragt beiläufig,
ob ich denn viel angeln würde. Beschämt muss ich verneinen,
denn Angeln ist nun wirklich nicht mein Sport. Ich halte es auch
gar nicht für einen Sport, obwohl ich mich jetzt wahrscheinlich
als ganz untypischer Nordlandfan outen werde.
Ich
habe zwar schon ein paar mal eine Angel in der Hand gehalten, auch
schon am Dalälven Fliegenfischen versucht, aber es ist bis
jetzt immer beim Versuch geblieben.
Doch Håkan ist so stolz auf sein Angelgerät, dass ich
ihm den Spass nicht verderben will und mich brav hinstelle und die
Angel nach seinen Anweisungen auswerfe, und dann wieder einhole,
und wieder und wieder. Dabei ist es sicher zu heiss zum fischen
und der Hecht grundelt irgendwo am Boden herum und kümmert
sich nicht um meinen Köder. Während ich mich solcherhand
amüsiere, spaziert Håkan den Fluss entlang und inspiziert
die Stromschnelle. Stromschnelle ist vielleicht zu viel gesagt,
das Wasser kräuselt sich und einige Wellen künden von
verborgenen Steinen.
"Na, was ist, packen wir's?" fragt er, als er zurückkommt.
Klar packen wir's. Ich will doch nicht das Kanu durch den Wald tragen.
Håkan wäre nicht der gute Führer, würde er
nicht pädagogisch fragen, wie ich die Stromschnelle angehen
würde. "Naja, das ist klar, dort drüben fliesst der
Strom schneller und hier herinnen lauern hinterlistige Steine. Vielleicht
in der Mitte?"
Håkan
lächelt. Freundlich. Nachsichtig, wie der verständnisvolle
Lehrer einem seiner minder begabten Schüler zulächelt:
"Siehst du das V, das der Strom bildet?" Ich sehe kein
V. Erst auf ein Handzeichen sehe ich, dass sich die Wellen wirklich
zu einem V verjüngen. "Immer genau in dieses V, also auf
die Spitze des V mit dem Kanubug hinhalten, dort sind zwar oft Wellen,
aber die sind nur Wasser, dort sind keine Steine," erklärt
er.
Passt,
das ist sicher eine enorm nützliche Information. Vorsichtig
nehmen wir Platz, denn hier ist der Fluss ganz schön tief,
dann legen wir ab und halten auf das V zu. "Paddeln, paddeln".
Schwupp, es schaukelt ein bisschen und schon sind wir durch. Lobende
Worte von der Rückbank, ich weiss zwar nicht wofür, aber
freue mich trotzdem.
Kurze Zeit später kommen noch mehrere Stromschnellen. Jetzt
gehen wir gemeinsam rekognoszieren. Das sollte man immer tun, denn
auch wenn man einen Fluss kennt, so herrschen doch nie die gleichen
Bedingungen. Einmal ist viel Wasser, dann wieder wenig und so ist
es immer gut, wenn man Stromschnellen vorher anschaut. Anlegen,
Kanu heraufziehen, anschauen, geht es oder nicht? Meistens geht
es, V suchen, drauf hinsteuern, paddeln, Augen zumachen und durch.
Weisse Wellen sind stehende Wellen und ein Zeichen für tiefes
Wasser, also keine Steine und somit ungefährlich.
Mich
erstaunt immer wieder, wie schnell alles geht. Kaum dass das Kanu
schaukelt, so rasch sind wir durch. Håkan ist geprüfter
Kanuführer und er erzählt, dass die Probanden bei der
Prüfung den Kukkolaforsen, eine berüchtigte und in ganz
Schweden bekannte Stromschnelle am Tornefluss durchschwimmen müssen.
"Damals habe ich geglaubt, mein letztes Stündchen ist
gekommen," lacht er. "Du musst dir vorstellen, da liegst
du auf dem Rücken, die Beine nach vor gestreckt, damit du bei
den grossen Steinen nicht mit dem Kopf zuerst anstösst, das
Wasser dröhnt und donnert, vor dir türmen sich die Stromschnellen
haushoch auf, eine Welle taucht dich unter, du schnappst verzweifelt
nach Luft, da kommt schon die nächste, es ist ein brausendes
Inferno."
Später
kommen wir zur grössten Stromschnelle des Råneälven,
gischtend weisse Wassermassen brausen unter einer Brücke durch
eine ziemlich enge Schlucht und werfen sich donnernd in einen See.
Unter der Brücke sind grosse Walzen, das nennt man so in der
Fachsprache, wenn sich das Wasser in sich selber gegen die Fliessrichtung
dreht. "Hier bist du runter?" "Ja, aber nur einmal,"
meint Håkan. Meine Achtung steigt. Na, dann traut er sich
schon etwas.
Nach
dieser zweiten Stromschnelle kommen wir zum See Valvträsk.
Das ist ja das Schöne an den nordischen Flüssen, sie verbreitern
sich immer wieder zu Seen. Wir steuern auf eine bewaldete Insel
zu, ein kleines Häuschen leuchtet rot zwischen den hellen Kieferstämmen
hervor. Hierher kommt Håkan mit seinen Kunden und es wird
gegrillt. Genau das wollen wir auch machen.
Wir
legen an, ziehen das Kanu zur Hälfte aus dem Wasser, ich mache
ein Feuer, während Håkan vier Saiblinge aus den tiefen
seines Rucksacks zaubert. Ein bisschen Salz und Pfeffer, ein Hauch
von Thymian, mehr braucht es nicht, meint er. Håkan ist auch
ausgebildeter Wildkoch. Fladenbrot, mit Tomatenmark rot gefärbt,
es gibt auch grünes von Spinat, dient als Teller.
"Den
Fisch auf geringer Hitze langsam grillen, dann schmeckt er am besten
und bleibt schön saftig. Bei zu hoher Hitze wird er aussen
hart und bleibt innen roh," erklärt er. Er kocht ebenso
gut wie er paddelt. Fachmännisch zerteilt er den Fisch und
legt kleine Stücke davon aufs Brot, das wird eingerollt und
genossen. Der Fisch zergeht auf der Zunge. Ein echter Leckerbissen!
Last
Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl
ISDN
1101-9840
|