SCHONENWANDERUNGEN
Hallo
Freunde, wir sind zurück aus dem
Norden und haben uns zur Abwechslung für
diese Woche etwas im Süden, genauer
gesagt in Schonen umgetan. Es ist nämlich
schon erstaunlich, was es in dieser südlichsten
Provinz Schwedens zu sehen und zu erleben
gibt: Zwei Wochen lang sind wir jeden
Tag in einer anderen Gegend gewesen, einmal
am Meer, dann im Wald, dann am See und
dann auf almenähnlichen Hochebenen,
haben uns Schlösser angeschaut sind
am Ostseestrand entlangspaziert und und
und.
von
Eduard Nöstl
Auf
einem dieser Spaziergänge, in Simrishamn
an der Küste zwischen Simrishamn
und dem Nationalpark Stenshuvud auf einem
kleinen Parkplatz mit herrlichem Blick
aufs Meer und in Hörkontakt mit den
Wellen haben wir Elke und Johannes getroffen,
die diesem Ezine sozusagen als Paten vorstehen.
Wir
spazieren in Richtung Meer, als aus einem
uralten Volkswagen Guitarrengeklimper
tönt, über den ganzen Wagen
sind Schlafsäcke zum Lüften
gebreitet, daneben glosen noch die Reste
des Lagerfeuers und verbreiten einen heimeligen
Geruch, und auch ein Griller steht noch
so da, wie er am vorigen Abend stehengelassen
wurde. Eine halbleere Kiste Bier ist unters
Auto hineingeschoben und wie gesagt, leise
Guitarrenmusik untermalt das Schlagen
der Wellen an den Strand.
Elke
und Johannes machen das öfter, erzählen
sie. Setzen sich kurzerhand ins Gefährt,
tuckern hoch nach Schonen, suchen ein
schönes Plätzchen, bevorzugt
am Strand der Ostsee und verbringen ein
herrlich freies Wochenende hier. Alles
gratis und als Draufgabe gibt's noch Lagerfeuerromantik.
Deshalb
haben wir uns gedacht, dass wir dieses
Mal einige solche Plätzchen für
andere schildern wollen, die auch nur
einmal übers Wochenende oder für
ein paar Tage hierher nach Schweden kommen
wollen. Einfach so, zum ausspannen. Unter
dem Motto: Nicht daheim und doch zu Hause.
Für
die Überfahrt ist es eigentlich egal,
was man wählt. Fähre oder Brücke,
bei beiden Möglichkeiten ist man
gleich mitten drin im Geschehen. Zwei
Touren die so richtig fürs ein verlängertes
Wochenende passen, wollen wir hier präsentieren:
Ystad und die "Apfelrunde" ist
die erste, Mittelschonen mit dem Dagtorpssee
ist die zweite. Und als Draufgabe kommt
noch die "Räuberhöhle"
oder Rövarkulan dazu, und
was da so schlimm klingt, ist ein 40 ha
grosses Naturreservat durchflossen von
dem Bach Braån, wo früher die
Snapphanar, also Freischärler,
die auf dänischer Seite in den Kriegen
zwischen Schweden und Dänemark vor
etwa dreihundert Jahren gekämpft
hatten, eine Bleibe fanden. Heute ist
hier eines der schönsten und am wenigsten
bekannten Täler Schonens.
1.
Ystad und die Apfelrunde
Von
Malmö aus führt die E65 und
von Trelleborg die Bundesstrasse 9 geradewegs
nach Ystad. Auf beiden sind Sie etwa eine
Stunde unterwegs. In Ystad nicht lange
aufhalten, sondern gleich hinaus fahren
an den Strand, das heisst auf der Bundesstrasse
9 bleiben, über eine alte Bahnübersetzung
und dann linkerhand und rechterhand die
alten Häuschen angucken.
Wenn
links ein Campingplatz auftaucht, sind
rechts im Abstand von vielleicht hundert
Metern einige Einfahrten zu kleinen Parkplätzen
(gebührenfrei natürlich). Dort
das Auto stehenlassen, die paar (zwanzig)
Meter zur Strandkante laufen und den Blick
über die Bucht schweifen lassen.
Weisser Sand so weit das Auge reicht,
Kiefern an der Strandkante und Wasser
bis zum Horizont. Scheint dann noch die
Sonne wie bei unserem Besuch und verwandelt
das Wasser in gleissendes Silber, dann
steht einem kleinen Nickerchen im Windschatten
eines alten Bunkers nichts mehr im Wege.
Von
Ystad etwa zwanzig Kilometer entfernt
liegt Sandhammaren, ein weiteres Kleinod
der ostschonischen Küste, vielleicht
etwas einsamer, dafür mehr windanfällig,
und herrlich zum Zelten. Der Sandstrand
ist flacher hier und auch weiter, vielleicht
fünfzig Meter breit mit Dünen.
Jetzt im Herbst kommen höchstens
ein paar Tagesbesucher, für Ruhe
ist also gesorgt.
Von
Sandhammaren dauert es etwa eine halbe
Stunde nach Simrishamn, ein kleines Städtchen
mit Hafen und Fähre zur dänischen
Ostseeinsel Bornholm. So ein kleines Städtchen
ist immer gut zum Auffrischen der Vorräte.
Wie erwähnt, gleich hinter Sirmrishamn
kommt ein Golfplatz und die nächste
Einfahrt rechts führt zu einem schönen
Parkplatz mit WC, Wasser und Blick übers
Meer. Hier darf auch Fido ins Wasser,
obgleich das jetzt im Herbst sicher nicht
so genau ist.
Sie
wissen, ob Sie das richtige Plätzchen
gefunden haben, wenn: a) mehrere alte
Fischerboote kieloben und geteert am Strand
liegen, b) wenn mitten in der sandigen
Bucht auf einem Areal von etwa fünfzig
mal fünfzig Metern Felsen aufragen,
die so richtig zum Lagern und Lagerfeuer
einladen. Ein Kiefernwäldchen am
Strand sorgt für den Holznachschub.
Richtung
Norden ist bereits die gewaltigen Kuppel
des Nationalparks "Stenshuvud",
also "Steinernes Haupt" auszumachen,
die sich ins Meer hinausschiebt.
Von
Simrishamn Richtung Norden liegen die
bezaubernden Fischerdörfer wie an
einem Perlenband aufgereiht: Baskemölle,
Vik, Kivik, alle eingebettet in Apfelhaine,
die dieser Gegend auch den Namen gegeben
haben. Jetzt im Herbst natürlich
ist hier für Liebhaber eines frischen,
fruchtigen, rotbäckigen Apfels direkt
vom Baum die beste Zeit.
Dann
kommen wir nach Brösarp, wobei wir
zuvor die Hügellandschaft "Brösarps
Backar" durchgleiten. Diese Brösaps
Backar sind wie Almen und dementsprechend
grasen auch glückliche Kühe
das ganze Jahr über hier. Brösarp
kann mit Brösarps Gästgivargård
eines dieser typischen gemütlichen
schonischen Landgasthäuser punkten,
wo die Essenskultur dieser südschwedischen
Region hochgehalten wird.
Gleich
hinter Brösarp kommt eine Strassenkreuzung,
da fahren wir rechts auf der Bundesstrasse
19 Richtung Kristianstad. Kurz vor Degeberga
rechts rein, 6 km nach Vittskövle,
dieser kleine Umweg zahlt sich aus, denn
das Schloss Vittskövle ist eine Augenweide.
Überhaupt ist diese Gegend wunderschön,
wir haben sie bereits in diesem Bericht
beschrieben: http://www.schwedenoutback.com/degeberg.htm).
Von
Degeberga an bleiben wir auf einer kleinen
Landstrasse und fahren auf der Kung Borestrasse
am Schloss Maltesholm vorbei nach Östra
Vram und auf der E 22 zurück nach
Malmö.
2. Lagerfeuer am Dagstorpsee
Für alle, die lieber ein Wochenende
inmitten herrlichster Buchenwälder
verbringen wollen, sei Frostavallen mit
dem dazugehörigen kleinen See und
die Gegend um den Dagstorpsee empfohlen.
In Ullstorp kann man ein kleines Hüttchen
mieten und dann den ganzen Tag über
auf Streifzügen unterwegs sein. In
Frostavallen gibt es ein kleines Hotel
gleichen Namens, das durchaus für
eine Übernachtung gut sein kann,
wenn man nicht überhaupt auf jeden
Komfort verzichten will und sein Zelt
am Ufer des Dagstorpsees aufschlägt.
Geweckt
werden wir vom Schrei der Wildgänse,
die in hellen Scharen, immer geführt
von einer alten "Akka", wie
die Gans des Nils Holgersson geheissen
hat, ihre viele Kilometer lange Reise
von den eisigen Gebirgsseen des Nordens
nach Afrika oder wo die Gänse auch
immer hinziehen, in gemächlichem
Tempo absolvieren.
Merkwürdigerweise
sind die Schwäne, die auch um diese
Zeit unterwegs sind, nie mehr als sieben,
acht, höchstens zwölf an der
Zahl.
Vor
lauter Begeisterung über die Natur
und ihre Schönheit und Vielfalt habe
ich jetzt ganz vergessen zu erwähnen,
wo Frostavallen überhaupt liegt.
Malmö - Lund - Rolsberga - dann ab
von der E22 Richtung Växjö bis
Höör. Dort links Richtung Skånes
Djurpark (Schonens Tierpark) und bis
zur Abzweigung Frostavallen durchfahren.
Abzweigen und 5 km durch Buchenwald, dann
das Auto beim Hotel abstellen und um den
kleinen Teich wandern. Nur so zur Einstimmung.
Ein Stück auf dem Schonenweitwanderweg,
ein Kanu oder ein Ruderboot mieten und
die Angel auswerfen. Vielleicht beisst
ein starker Hecht, wer weiss?
Schön,
nicht? Aber es kommt noch besser. Von
Frostavallen einfach die Strasse weiter
entlangfahren bis zur ersten Kreuzung.
Da zeigt ein Schild zu einem Naturreservat
und Sportfischen. Links geht es zum "Hallaskog"
(Hallawald). Aber wir bleiben auf der
kleinen Schotterstrasse und fahren geradeswegs
in den Buchenwald hinein.
Auch
wenn Sie glauben, es geht nicht mehr weiter,
erst dort vorne ist ein Bauernhof, da
ist der Weg zu Ende, es geht immer weiter.
Verfahren ist ausserdem unmöglich,
denn es gibt nur dieses eine Strässchen.
Bis zu einer Tafel mit der Aufschrift
"Dagstorpsee" und einer kleinen
Karte, auf der alle Naturreservate Schonens
eingezeichnet sind. Hier parken wir das
Auto und folgen der roten Markierung.
Da
gibt es einen Rundweg von vielleicht drei
Kilometer Länge und der führt
zu einem wunderschönen kleinen Lagerplatz
direkt am See mit Grillplatz und Lagerfeuerstelle
an einem kleinen Felsen angelehnt. Gegenüber
am anderen Seeufer Buchenwald und kein
Mensch weit und breit. Zelt aufstellen
und geniessen.
Dieser
Dagstorpsee lässt sich auch ganz
vorzüglich mit dem Fahrrad umrunden,
was wird man dafür brauchen? Vielleicht
zwei, drei Stunden, je nach Lust und Laune.
Für ganz Unentwegte, die der Stimmung
gern noch eins draufsetzen wollen, sei
ein Besuch des Countryschuppens Ranch
Easy empfohlen, nur fünf Kilometer
entfernt in Färingtofta. Hier spielt
am Freitag und Samstag eine Country &
Western Band, es gibt Bier vom Fass und
schmackhafte gegrillte Schweinsrippchen.
Die Stimmung ist heiter und entspricht
der Countrymusik.
3.
In der Räuberhöhle von Rolsberga
Von Malmö ist es genau eine halbe
Stunde bis Rolsberga. Rolsberga ist ein
winziges Dorf mit drei Häusern und
wäre absolut nicht erwähnenswert,
gäbe es hier nicht das Naturreservat
"Rövarkulan". In Rolsberga
gleich nach dem Ortsschild auf die Strasse
nach Löberöd rechts abzweigen,
dann ungefähr zweihundert Meter fahren
und dann links runter in die "Räuberhöhle".
Eine
zweite Alternative ist direkt an der Tankstelle
rechts abbiegen und bis zum Hejdeholmshof
fahren, das ist dort, wo Lamas, Yaks und
anderes exotisches Getier hinter Maschendrahtzäunen
grast. An diesen Weiden vorbei und bis
zum Buchenwald. Das Auto stehenlasssen
und zu Fuss weitergehen. Auch hier führt
der unvermeidliche Schonen Weitwanderpfad
durch!
Die
Rövarkulan ist ein Tal, durch
das der Bach "Braån" fliesst,
früher einmal war die Landesstrasse
mitten durch das Tal verlaufen, was sich
noch heute an der enormen uralten Steinbrücke
manifestiert, die ganz deplaziert wirkt,
was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch
tut.
Direkt
am Parkplatz stehen ein paar Bänke
und ein Grillplatz ist gleich neben dem
Bach passend angelegt. Ein sehr schöner
Wanderpfad führt gelb markiert an
der einen Seite des Tals hinauf und dann
über ein kleines Holzbrücklein
auf der anderen Seite wieder zurück.
Es
ist fast schwer zu sagen, wann das Tal
am schönsten ist: Im Frühjahr,
wenn das erste zarte Grün die Buchen
ziert oder jetzt im Herbst, wenn Goldgelb
der vorherrschende Farbton ist. Auf alle
Fälle ist es kaum zu glauben, dass
hier, nur ein paar Kilometer von Malmö
und Lund entfernt, eine solche Oase zu
finden ist, wo die Zeit scheinbar stillgestanden
ist und wir die Natur so erleben können,
wie sie vor dreihundert Jahren gewesen
ist.
Wir
können aber immer noch spekulieren,
wie schnell aus einem viel befahrenen
Landsweg nichts mehr übrigbleibt
als eine uralte Steinbrücke. Mit
diesem memento mori zur Vergänglichkeit
all unseres Strebens und Tuns verabschiedet
sich diesmal Euer Ed Nöstl. Danke
für's Lesen.