Zauberhaftes
Lappland - Pajala
Fortsetzung
von: Im Urlaubsmärchenland, 2.Teil
Mit
dem Schneemobil durch den Winterwald
Von
Bjurholm geht es ein Stück auf der "Kunststrasse"
entlang, der Reichsstrasse 92. Linkerhand taucht auch
schon bald eine kleine Kapelle aus Spiegelglas auf,
in der sich die Umgebung in einem faszinierenden Bildmosaik
widerspiegelt. Ich
bringe mein Gefährt auf einem Parkplatz zum Stehen,
wo sich bereits zwei ältere Herren an einem Anhänger
zu schaffen machen, und während ich aus dem Auto
klettere um die Kapelle aus der Nähe zu begutachten,
höre ich, wie einer der beiden aufgeregt in sein
Handy ruft: "Ja, such doch die Nummer der Polizei
aus dem Telefonbuch
". Ich bin mir nicht
ganz im klaren, was denn die Aufregung verursacht,
denn weit und breit ist nichts zu sehen, was irgendwie
bedrohlich aussieht.
von
Eduard Nöstl
Als
ich von der Kapelle zurückkomme, kann ich meine
Neugier nicht mehrbezähmen, und erkundige mich,
ob denn die beiden Hilfe brauchen? "Nein, wir
haben nur einen Elch geschossen, dem ein Lauf abgefahren
wurde, und jetzt warten wir auf unsere Söhne,
die ihn mit dem Motorschlitten herschleifen wollen",
ist die Antwort des bärbeissigen alten Mannes,
ehe er seine Aufmerksamkeit wieder seiner Thermosflasche
und seinem Butterbrot zuwendet.
Also
gibt es sie doch auf der Strasse auch, denke ich und
beschliesse, meine Augen ein wenig extra offenzuhalten.
Kein Elch stört meine Fahrt, nur die Fahrbahnbeschaffenheit
verschlechtert sich zusehends, je näher ich zum
Vindelfluss komme, das Eis liegt blank, keine schützende
Schneeschicht verhindert das Durchdrehen der Räder
und jetzt kurven auf einmal alle Verkehrsteilnehmer
vorsichtiger über die Eispiste.
In
Vindeln sehe ich mir das neue Hotel an, von dem alle
so begeistert sind - es liegt wirklich toll direkt
am Fluss in einem Naturreservat (!) mit Blick über
die Stromschnellen des ungezähmten Wildwassers.
Die Fenster sind schalldicht, sodass die Nachtruhe
nicht vom Brausen der Wellen gestört wird. Gleich
daneben befindet sich in einer alten Mühle eine
permanente Kunstausstellung.
Von
Vindeln aus fahre ich weiter über Nyliden, von
wo im Herbst meine Kanutour auf dem Åmansee
ihren Ausgang genommen hat (www.schwedenoutback.com/
vindelnkanot.htm) und hier am Fluss bis Mårdsele
muss ich mehrere Male ordentlich einbremsen, wenn
vorwitzige Rentiere, die sich ausgerechnet die Strasse
als Spielplatz ausgesucht haben, im Licht des Scheinwerfers
auftauchen.
In
Nyliden besuche ich gute Freunde, die eben bei ihrer
Rhodesian-Ridgeback Zucht Nachwuchs gekriegt haben.
Acht Stück kleiner, entzückend tollpatschiger,
runzliger und faltiger Welpen kriechen am Boden herum,
purzeln übereinander und fallen schliesslich
kunterbunt durcheinandergewürfelt in den Schlaf.
Rhodesian Ridgeback sind begehrte Wachhunde, so haben
meine Freunde Anfragen aus ganz Europa via Internet
bekommen (www.norridgeback.com)
Von
Nyliden geht es, wiewohl es inzwischen schon finster
geworden ist, auf einsamen Waldstrassen nach Norsjö.
Diese Fahrt ist wirklich aufregend, wenn sich die
Zweige der Bäume vom Schnee gedrückt immer
wieder über die Strasse neigen oder die Büsche
sich in abenteuerliche Gestalten verwandeln, die im
Licht der Scheinwerfer die merkwürdigsten Verrenkungen
ausführen.
Dummerweise
hat irgendein frecher Dieb die Antenne von meinem
Mietwagen abgeschraubt, wodurch ich nicht einmal akustisch
von diesen finsteren Figuren ablenken kann, sondern
ihnen dank meiner, wenn es um Angstzustände und
Schreckfiguren geht, äusserst kreativen Phantasie
hilflos ausgeliefert bin.
Wenigstens
tritt kein Elch zu einem unpassenden Zeitpunkt aus
dem Wald hervor und ich bin froh, als ich in Norsjö
wieder auf die etwas belebtere Bundesstrasse komme.
Von Norsjö nach Skellefteå kann ich wieder
richtig Gas geben - es geht fast schnurstracks geradeaus
dahin, die Strassen sind leergefegt und erst in Ortsnähe
verkünden die Scheinwerfer schon von weither
das Nahen eines anderen Gefährts.
In
Boliden ist der riesige Förderturm des Bergwerks
angestrahlt , irgendwo hatte ich gelesen, dass hier
genug Wolfram abgebaut wird, um nicht nur den gesamten
schwedischen Bedarf zu versorgen, sondern dass genug
überbleibt, um auch noch beachtliche Gewinne
auf dem Weltmarkt zu erzielen.
Skellefteå,
Piteå, Umeå, Luleå - alle diese
Städte haben ausser der Endung "Å"
(Fluss) eines gemeinsam: Sie sind als Hafenstädte
an Flussmündungen entstanden und haben sich vor
allem als Verschiffungsplätze für Holz und
Bodenschätze einen Namen gemacht. In Umeå
(www.schwedenoutback.com/ume.htm)
gibt es ein interessantes Museum mit spezieller Abteilung
für die Samen und Schwedens nördlichste
Uni.
In
Luleå beschliesse ich, mir ein Nachtquartier
zu suchen. Auch hier übernachte ich in der Jugendherberge,
die noch dazu den Vorteil hat, an einer Bucht des
Luleflusses nur einen Steinwurf von der E4 entfernt
zu liegen. Hier gibt es zwar keine Hütten, doch
immerhin ein sauberes und warmes Zimmer.
DURCHS
WILDE TORNETAL
Am
nächsten Morgen treibt mich die Strasse weiter
nach Haparanda. Ich wollte schon immer die Grenzstadt
zwischen Schweden und Finnland sehen, doch werde ich
enttäuscht, denn meine Strasse ins Tornetal zweigt
bereits an der Ortseinfahrt ab. Sicher, ich hätte
die Europastrasse in Finnland wählen können,
doch die Bundesstrasse soll ganz naturschön am
Tornefluss entlangführen. Ausserdem denke ich
mir, dass der Fernverkehr die Strasse in Finnland
wählen wird und ich hier ganz in Ruhe und gemächlich
vorankommen werde.
Ich
sollte mich nicht täuschen. Allein auf weiter
Flur geht es dahin. Die Sonne lacht vom Himmel und
der Schnee glitzert auf den Wiesen. Es ist ziemlich
kalt, so um die fünfzehn Minusgrade, wodurch
der Frost den Holzhäusern einen weissen, glitzernden
Anstrich verliehen hat.
Die
kleinen Orte sind menschenleer bis auf ein paar alte
Leute, die mit ihrem "Spark" eine Art Tretroller,
der anstelle von Rädern Kufen hat, einkaufen
gehen. Diese Sparks sind im Winter ideal, da sie mit
ihren langen Kufen (2 m) stabil sind und vorne drauf
einen Sessel montiert haben, auf dem man sich ausruhen
kann, wenn der Weg zu lang wird. Auch der eine oder
andere Motorschlitten zieht über die Wiesen und
auf dem gefrorenen Fluss entlang.
Schmucke Holzkirchen baden im Sonnenschein. Nach vielleicht
einer halben Stunde komme ich zu den Stromschnellen
des Kukkolaforsen, wo im Sommer an bestimmten Zeitpunkten
ein Netz über den Fluss gespannt wird und die
ganze Ortsbevölkerung beim Einholen des Netzes
hilft und sich dann den Fang teilt.
Immer
wieder kommt die Strasse ganz nah an den Fluss heran,
der jetzt von einer halbmeterdicken Eisschicht bedeckt
ist. Nur manchmal an Stromschnellen, ist offenes Wasser
zu sehen. Das Eis macht einen sehr kalten Eindruck,
speziell wenn die Sonne draufscheint und die Eisklötze
in einer hellblauen, fast durchscheinend klaren Farbe
erstrahlen lässt.
In
Hedenäset fällt mir schon von weitem ein
altes Holzkirchlein auf, dessen von Schindeln bedeckter
Turm ganz vorwitzig in den Himmel ragt. Über
eine alte Holzbrücke fahre ich vorsichtig zum
alten Marktplatz, an dem das Kirchlein liegt. Es ist
zweihundert Jahre alt und hat sich richtig gut gehalten.
Ein schöner Blick über den Tornefluss belohnt
für den kleinen Umweg.
IN
PAJALA
Nach
zwei weiteren Stunden bin ich auch schon in Pajala
angekommen. Jetzt noch schnell eingecheckt und dann
möchte ich mir den Ort ein bisschen anschauen.
Pajala hat in letzter Zeit ziemlich von sich reden
gemacht. Der Bürgermeister, Ove Pekkari, ist
ein umtriebiger Mann und innerhalb von ein paar Jahren
ist es ihm gelungen, nicht nur Computerindustrie hier
anzusiedeln, sondern auch vierzig Studienplätze
von der Universität Umeå hierher zu lokalisieren.
Alles geht anscheinend, wenn man die richtigen Hebeln
zieht. Die Krone seiner Bemühungen ist aber trotz
allem der Flugplatz, der in Pajala letzten Herbst
feierlich eingeweiht wurde.
Man
stelle sich das vor: Hier, im höchsten Norden
Schwedens, mit den Flugplätzen von Kiruna und
Gällivare in einem Abstand von eineinhalb Stunden
und Luleå in drei Stunden wird ein weiterer
Flugplatz gebaut - um ein paar Geschäftsleute
und Gemeindepolitiker wohl zu ihrer nächsten
Audienz bei den "Grosskopferten" in Stockholm
schneller hinzubefördern. Dieses Land muss sehr
reich sein.
Immerhin
bin ich wirklich positiv überrascht, als ich
kurz darauf vor dem Flugplatzchef stehe. Jukka Niskala
ist etwa mittelgross, sportlich, blond und blauäugig,
mit einem offenen Blick und einem festen Händedruck.
"Nur
hereinspaziert", meint er lachend und führt
mich gleich in den Aufenthaltsraum, wo seine gesammelte
Mannschaft bestehend aus drei Leuten gemütlich
beim Kaffee sitzt und schnackt. Witzigerweise reden
sie finnisch! Und da fällt mir ein, dass die
ganze Gegend hier eigentlich mehr mit Finnland gemein
hat als mit Schweden.
Der
Tornefluss bildet die Landesgrenze zwischen Schweden
und Finnland, aber niemandem würde einfallen,
den Fluss als etwas Trennendes anzusehen, sondern
eher ist es so, dass der Fluss die Leute miteinander
verbindet. Das scheint mir gerade der Mentalität
gutzutun, so sind die Leute hier im Tornetal bekannt
für Frohsinn und Heiterkeit und lachen gern und
viel.
Einer
der schwergewichtigen Burschen, Aaho, er ist etwas
älter als seine beiden Kollegen und trägt
einen nicht aus modischen Gründen gewachsenen
Dreitagesbart, deutet hinaus auf die Rollbahn und
meint: "Gleich hinter dem Zaun stehen drei Elche."
Ich beuge mich vor, sehe aber nichts. "Doch,
doch," meint er, "und wenn viel Schnee ist,
dann springen sie einfach über den Zaun. Und
manchmal bleiben sie daran hängen und wir müssen
sie befreien."
Obwohl
er das ganz ernst gesagt hat, grinst Jukka nur und
meint: "Ah, man soll nicht alles glauben, was
einem so erzählt wird". Bald sitzen wir
im Auto und brausen auf der Rollbahn dahin. Und wirklich,
am anderen Ende der Rollbahn steht eine Elchkuh mit
ihren beiden Jungen hinter dem zwei Meter Hohen Zaum
und knabbert seelenruhig an einem Baumast.
Wieder
im Kontrollturm frage ich Jukka, wie er zu seinem
Job gekommen ist. "Eigentlich bin ich Pilot,
ich war zwanzig Jahre in Ostafrika, in Tanzania. Dann
habe ich geheiratet und die Kinder und meine Frau
wollten hierher zurück. Diesen Wünschen
hatte ich nicht viel entgegenzusetzen. Ausserdem hat
mich die Aufgabe gereizt. Ich hoffe nur, es wird sich
bald ein bisschen mehr tun hier," meint er und
schaut sehnsüchtig über die leere Rollbahn.
Erst
als wir uns am Abend auf ein Bier im Hotel treffen
und er von seinen Abenteuern in Afrika erzählt,
entfährt ihm ganz unvermutet ein Stosseufzer:
"Ach, wenn es nur nicht gar so langweilig wäre".
Kein Wunder, zehn Landungen in der Woche können
einen jungen, tatkräftigen und abenteuerlustigen
Mann halt nicht ganz ausfüllen.
AUSFAHRT
MIT DEM SCHNEEMOBIL
Am
nächsten Tag steht eine Ausfahrt mit dem "Skooter"
auf dem Programm. Ein Skoter ist ein Motorschlitten,
einem Schneemoped nicht ganz unähnlich. In den
Alpen ist er als Gefährt bei den Hüttenwirten
beliebt und läuft unter der Bezeichnung "Skidoo".
Mats
Patumella und Thomas Niemi von Pajala Safari (+46
978 107 08 oder +46 978 714 83), haben sich bereit
erklärt, mir bei einer Ausfahrt die Gegend zu
zeigen. Vielleicht kommen wir auch bei einer Rentierherde
vorbei, meinen die beiden geheimnisvoll, als wir uns
vor dem Hotel Smedjan, der besten Absteige im Ort,
treffen.
Die
Skooter sind moderner geworden, seit ich das letzte
Mal auf so einem Feuerstuhl Platz genommen habe, ungefähr
wie eine Goldwing zu einer Puch 125. Es gibt sogar
einen Retourgang, den ich gleich nach ungefähr
zwei Metern aktivieren muss, als ich in einer Kurve
in der ersten Schneewächte lande, weil ich vergessen
habe, mit dem Gas zurückzugehen.
Doch
eins nach dem anderen. Im Winter ist es kalt, und
auf dem Motorschlitten ganz besonders. Daher ist eine
richtige Industrie um diese Dinger entstanden. Jede
Familie im Norden hat schliesslich mindestens ein
solches Gefährt, manche für jedes Familienmitglied
eins. Die Jungen warten sehnsüchtig darauf wie
bei uns aufs erste Moped.
Daher
habe ich im Hotel einen dicken Overall gekriegt, dazu
Skooterstiefel, den Moonboots der Siebzigerjahre nicht
unähnlich, warme Handschuhe hatte ich selber
und einen Helm setze ich auch auf. Zu oft hört
man von Unfällen, die glimpflich enden, weil
der Kopf von einem Helm geschützt war.
Der
Motor wird wie ein Bootsmotor mit Leine angezogen/gestartet.
Ein kleiner Handhebel ist das Gas und links an der
Lenkstange sitzt die Bremse. Es gibt nur einen Gang
und meistens fährt man nicht schneller als ungefähr
40 kmh. Angetrieben wird das Ding mittels einem Band
von etwa 40 cm Breite. Gelenkt wird mit zwei Kufen,
die extra breit und gut gefedert mit der Lenkstange
verbunden sind.
Also
nur mehr Gas geben und schon geht's dahin. Sollte
man meinen. Ich hatte ganz vergessen, dass eine gewisse
Beweglichkeit ein Vorteil ist und sitze wie ein Kartoffelsack
auf meinem Skooter. Daher das Missgeschick nach den
ersten Metern. Wie beim Radfahren ist es ein nicht
zu unterschätzender Vorteil, wenn man sich in
die Kurve legt beziehungsweise mit dem Körpergewicht
das Gleichgewicht hält.
Nun,
zum Glück habe ich meine Begleiter, die sofort
von ihren Skotern springen, hinten und vorne anreissen
und mein Gefährt wieder auf die Spur bringen.
Von jetzt an geht es ohne Probleme dahin und nach
den ersten Kilometern macht es wir schon wieder riesigen
Spass, auf dem zugefrorenen Fluss dahinzuzischen.
Natürlich
bleibe ich in der Spur von Matz, der seinen Lappenhund
Tschappo vor sich sitzen hat. Trotzdem der Hund gerade
erst zwanzig Wochen alt ist, springt er auf und ab
und Mats muss nur manchmal ein bisschen nachhelfen.
Es
dauert nicht einmal zwei Minuten und wir haben Pajala
hinter uns gelassen und befinden uns in einem tief
verschneiten Wald. Nach einer halben Stunde hebt Mats
den Arm, ein Zeichen dass er stehenbleiben wird. Wir
halten am Waldrand. In der Ferne sehen wir einen runden
Kegel aus der Ebene herausragen. "Das ist Finnlands
höchster Berg", meint Mats stolz.
IM
LAPPENTIPI
Dann
sitzen wir wieder auf und weiter geht's durch den
Föhrenwald. Nach einer Stunde kommen wir zu einem
Lappentipi aus dessen Dachöffnung Rauch quillt.
Wir halten an und Thomas und Mats meinen, "jetzt
ist es zeit für eine Rast". Das Zelt ist
etwa zwei Meter hoch und sieht wirklich aus wie ein
Indianertipi. Als wir eintreten, schlägt uns
zunächst einmal beissender Rauch entgegen.
In der Mitte flackert ein Holzfeuer, rund um das Feuer
sind Rentierfelle gelgt. Es ist warm und heimelig.
Ein älterer Mann mit scharfgeschnittenen Zügen
empfängt uns. "Ich bin Bert," stellt
er sich vor. Auch ihn ziert, wie schon Mats und Thomas
ein breiter Ledergürtel, an dem zwei Messer hängen.
Diese breiten Gürtel mit den glänzenden
Beschlägen habe ich früher nur bei den Samen
gesehen.
Bert
holt eine Bratpfanne hervor, stellt sie aufs flackernde
Feuer, eine Scheibe Butter dazu und schon bruzzelt
es ganz herrlich. Rentierfleisch, klärt mich
Thomas auf. Das wird nach ein paar Minuten in ein
dünnes Fladenbrot gegeben, zusammengerollt, wenn
es hoch hergeht ein wenig Dressing drauf, und schon
hebt ein Schmausen an, das seinesgleichen kaum gesehen
hat. Wie immer an der frischen Luft entwickeln alle
einen enormen Appetit, die herzhaften Bissen werden
mit einem kalten Bier hinuntergespült und ich
muss sagen, so lässt es sich aushalten.
Es
ist angenehm warm hier im Zelt , der Rauch zieht durch
die Öffnung im Zelt ab und alle vier sind wir
guter Dinge. Nachdem der erste Hunger gestillt ist,
zieht Bert ein weiteres Stück Fleisch hervor.
"Eine Spezialität", meint er, "Rentierleber".
Zuerst bin ich etwas skeptisch, doch nach einigem
Zögern lange ich zu. Ein äusserst positives
Geschmackserlebnis erwartet mich. Gewiss, Leber schmeckt
immer nach Leber, aber wie schon das andere Fleisch
ist auch die Leber des Rentiers zart und zergeht fast
im Mund.
Nachdem
wir uns derart gestärkt haben, fahren wir weiter.
Unser Ziel ist die "Ranch" von Bert. Vor
allem sein Rentiergehege. Da hat er ungefähr
zwanzig Tiere, die er den Winter über durchfüttert,
weil sie allein in der Natur wohl nicht den harten
Winter überleben würden.
Mit
einem letzten Aufheulen halten wir unsere Skoter an.
Das Motorgeräusch stirbt ab und nach dem Lärm
der Maschinen ist es jetzt total still. Bis auf die
Glocken der Rentiere, die aufgeregt im Gehege herumlaufen.
Rentiere sind nur halbdomestiziert und nehmen sofort
Reissaus, wenn sie auf einen Menschen stossen.
Mats
holt sich ein Lasso, rollt es fachgerecht auf und
wir treten in das Gehege. Wenn man im Fernsehen oder
bei den Rentierscheidungen sieht, wie die Lappen gekonnt
ihre Lassos werfen, sieht es ganz einfach aus. Doch
als Mats fünfmal wirft und immer wieder die Rentiere
die Schnelleren sind, merke ich, dass das doch nicht
so einfach sein kann. Zuletzt gibt Mats erschöpft
auf, drückt mir das Lasso in die Hand und meint:
"Versuch du es. Anfänger haben oft Glück".
Wie
gern würde ich jetzt berichten, dass mir das
Kunststück gelungen ist, doch ich muss gestehen,
auch mit allen Tricks, die mir in der Eile einfallen,
wie hinter einem Baum verstecken, oder dass Mats und
Thomas die Rentiere zu mir treiben, - ich bin nicht
erfolgreicher als Mats. Einmal verfängt sich
ein Rentier mit seinem Geweih, doch ich habe wie Obelix
beim Fischefangen nicht nur die kreisrunde Öffnung
nach dem Tier geworfen, sondern das ganze Lasso. Ich
habe nichts mehr in der Hand, um die Schlinge zuzuziehen!
Beschämt
warten wir auf das Eintreffen von Bert. Er lacht nur
gutmütig, holt sich sein Lasso, und schon beim
ersten Vorbeilaufen, hat er sich ein Rentier herausgeholt.
Wie sehr wehrt sich dieses gegen die Freiheitsbeschränkung.
Als ginge es ums nackte Überleben stemmt es sich
alle vier Läufe auf den Boden, schüttelt
den Kopf mit dem mächtigen Geweih, macht aber
keine Anstalten, sein Heil im Angriff zu suchen. Bert
zieht das Tier zu sich heran und nach einer Minute
lässt er es wieder laufen.
Als
wir uns die kleine Holz gezimmerte Lappenkate anschauen,
die er gebaut hat und vom Holzhaus über den Fluss
schauen, fällt mir auf, wie toll das alles gelegen
ist. "Sag, lebst du denn hier allein?" entfährt
es meinem Mund. "Naja, bis vor einem halben Jahr
habe ich hier mit einer Frau gewohnt", meint
Bert, "sie hatte auch einen guten Job bei einer
Bank. Doch plötzlich hat sie einen Ruck gekriegt.
Sie hat nur gemeint, hier sei nichts los und ist von
heute auf morgen ausgezogen. Jetzt arbeitet sie in
Umeå".
Für
mich ist das zwar unverständlich, aber Bert scheint
es nicht weiter schlimm zu finden. Als Mats zum Weiterfahren
drängt, meine ich, "du wirst dir schon wieder
eine Frau finden". Bert ist nicht ganz so überzeugt,
Frauen sind Mangelware hier heroben, doch schon nach
kurzem lacht er wieder, steckt sich eine selbstgedrehte
Zigarette zwischen die Lippen, zuckt die Schultern
und sagt: "Komm doch wieder im Sommer, da fangen
wir die tollsten Lachse im Fluss, direkt vom Ruderboot
aus."
Bei
der Rückfahrt dunkelt es bereits aber wir fahren
trotzdem noch bei einer Quelle vorbei, die den ganzen
Winter über nicht zufriert. "Ja, da holen
wir uns das Wasser für den Kühler unserer
Autos, da sparen wir uns das Frostschutzmittel",
schmunzelt Mats. Wir steigen ab und kosten von dem
Wasser, es ist frisch und spritzig. "jetzt bleibst
du das ganze Jahr über gesund," meint Thomas,
"wie jeder, der von unserer Quelle trinkt".
Passt,
denke ich und nehme noch einen guten Schluck.
IM EISHOTEL VON JUKKASJÄRVI
Am
nächsten Tag spüre ich zwar meine Muskeln,
doch was ist schon ein bisschen Muskelkater gegen
ein so tolles Erlebnis, wie es eine Ausfahrt mit dem
Motorschlitten nun einmal ist. Vom Bewundern und Erleben
der Natur geht es heute nach Jukkasjärvi, wo
ich mir unbedingt das Eishotel ansehen will, von dem
ich schon so viel gehört habe.
180
Kilometer zauberhafter Winterlandschaft sind von Pajala
nach Kiruna zu durchqueren. Elf Kilometer vor Kiruna
zweigt die Strasse nach Jukkasjärvi ab. Ich hatte
schon vor ein paar Jahren einen Versuch gestartet,
aber kam damals im Mai hierher, als von dem stolzen
Eishotel nur mehr ein Schneehaufen übrig war.
Denn das Eishotel wird alljährlich aus Eis und
Schnee wieder neu aufgebaut. Es sieht daher auch nie
ganz gleich aus, sondern immer wieder verschieden.
Nach
den zehn Jahren seines Bestehens hat das Eishotel
inzwischen ein Renommee, das man kaum für möglich
halten würde. Aus aller Welt kommen die Menschen
angereist, um eine Nacht auf einem Eisbett zu ruhen,
an der Absolut Eisbar einen, na, was schon, Wodka
zu schlürfen (Bier und Wein würden frieren)
und am Tag darauf eine erfrischende Ausfahrt mit dem
Hundeschlitten auf dem Fluss zu machen.
Japaner,
Amerikaner, Deutsche, Engländer - alles ist vertreten,
nur kaum Schweden. Diese halten Jukkasjärvi für
eine Touristenfalle und wirklich ist, als ich ankomme,
alles durchorganisiert und nur auf den Touristen abgestimmt,
dass man an den Ballermann 69 erinnert wird und nicht
an ein Gesamtkunstwerk aus Eis.
Natürlich
ist das etwas übertrieben, doch gibt es in ganz
Schweden kaum einen ähnlichen touristischen Magneten,
wenn man einmal vom Pippi Langstrumpf Land absieht,
das ähnliche Besucherzahlen anlockt. In der Rezeption
geht es zu wie auf einem internationalen Flughafen,
ein leichtes Brausen aus vielen verschiedenen Sprachen
liegt in der Luft, die Hostessen sind einheitlich
gekleidet und an Geschäftigkeit kaum zu überbieten.
Irgendein
Supermodell, ich glaube es ist Cindy Crawford, posiert
auf Postern zwischen den Eisblöcken, wie muss
sie gefroren haben, die Arme, aber ich tröste
mich bei dem Gedanken, dass ihr auf dem Weg zur Bank
wieder warm geworden ist. Die Souvenirs, die angeboten
werden, gehen von eingelegten und kandierten Früchten
bis zum Likör oder Jacken aus Rentierfell.
Doch
all das ist nur der Vorgeschmack. Das Hotel ist ein
riesiger Schneehaufen, später sollte ich erfahren,
dass eine Fläche von 5000 Quadratmetern verbaut
wird. Pfeiler aus Eis halten die Gewölbe aufrecht,
Eisskulpturen stehen in den Gängen. Die Schlafzimmer
sind in Eisnischen gehauen. Jedes Zimmer wurde von
einem anderen Künstler gestaltet und mit Eisfiguren
versehen.
Das
riesige Doppelbett aus Eis sieht recht heimelig aus
mit den Rentierfellen und im stolzen Preis von 1500
Kronen (€ 170.-) pro Nacht inbegriffen ist der
Schlafsack, der bis minus 25 Grad ausreichend Wärme
garantiert. Voriges Jahr hatte man eine ganze Woche
lang minus 45 Grad! Doch draussen kann es so kalt
sein, wie es nur will, im Iglu herrscht eine konstante
Temperatur von etwa minus drei Grad.
In
einem der Gänge ist ein Eisthron aufgestellt.
Hier hat Königin Silvia vor kurzem einem deutschen
Fernsehsender stilecht ein Interview gegeben. Heute
nimmt unsere Führerin, jaja, es werden sogar
Führungen veranstaltet, die hübsche Lotta,
die es aus Malmö (!) hierher verschlagen hat,
Platz, und lächelt den Fotografen huldvoll in
die Linse.
Natürlich
darf in einem Hotel die Kapelle nicht fehlen, wo sich
alle Jahre wieder einige Brautpaare das Jawort geben.
In der Eisbar wird der Drink in einem Eisglas serviert,
das sind also wirklich aus dem Flusseis gewonnene
Gläser, in die der Wodka eingefüllt wird.
Hohe Wände aus gebrauchten Gläsern zeugen
von der Trinkfestigkeit der Besucher, denn die Gläser
sind natürlich nur einmal zu verwenden und dadurch
hat jeder Gast sein "persönliches"
Glas.
Neben
dem Eishotel entsteht eine Halle, in der Schwedens
kältester Punkt angepriesen wird. Minus 54 Grad
das ganze Jahr über. Da der Winter heuer erst
spät gekommen ist, hatten die Verantwortlichen
für das Eishotel einige bange Wochen erleben
müssen und mit drei Wochen Verspätung ihr
Eishotel zu bauen begonnen.
Daher
will man jetzt aus der Not eine Tugend machen und
in der Halle das ganze Jahr über die Minusgrade
aufrecht erhalten und dadurch Eisblöcke für
das nächste Jahr bereits heuer vorfrieren. So
kann auch im Sommer mit ein paar Touristen gerechnet
werden, die sich gern Schwedens kältesten Punkt
anschauen wollen und im Sommer ein gruseliges Frösteln
spüren wollen.
Fortsetzung:
Im Urlaubsmärchenland Teil 4
Weitere
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83
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Jukkasjärvi Eishotel: Marknadsvägen 63,
S-981 91 Jukkasjärvi, Tel: +46 980
66800, www.icehotel.com
Ferienhauszentrale und Jugendherberge Docksta: Skoved,
870 33 Docksta, Tel: +46 613 130 64