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Lappland/Norrbotten

Elchjagd am Polarkreis

Als ich den ersten Entwurf dieser Reportage abgespeichert hatte und mir das Resultat nach einigen Tagen wieder anschaute, wurde mir klar, dass dieser Artikel nur einen Bruchteil von dem beschrieb, was eigentlich passiert war. Und wie so oft war genau das Essentielle, also die eigentlichen Hintergründe und Beweggründe auf dem Weg verloren gegangen. Daher fange ich jetzt wieder an und zwar ganz von vorne. Wie hatte alles begonnen? Wie war es zur Elchjagd gekommen? Ich denke es kann vielleicht den einen oder anderen Jäger, der mit dem Gedanken spielt, zur Elchjagd nach Lappland zu kommen eine andere Seite aufzeigen, eine Seite die wichtig ist für ein vollständiges Jagderlebnis, wenn auch von einer anderen Warte aus als allgemein üblich und auch abseits der normalen Vorgangsweise wie sie auf den diversen Homepages und in den einschlägigen Illustrierten und Zeitschriften als einzig mögliche angepriesen wird. Ein Bild, wie Jagd auch erlebt werden kann und wie die traditionelle Fleischjagd Nordschwedens als Zusammenspiel von Naturerleben,  Kameradschaft und Nutzen in den Vordergrund gerückt wird.

von Eduard Nöstl

Als Steirer und geboren in der Montanstadt Leoben kommt man ganz natürlich mit der Jagd und dem Wald in Berührung. Allerdings nicht als ausübender sondern eher als geduldeter Gast. Geduldet dahingehend als die Forstbetriebe mit ihren Hinweis- und vor allem Verbotsschildern an allen Einfahrtswegen in den Wald nicht unbedingt zu einer positiven Einstellung ihnen gegenüber beziehungsweise Jagd und Forst beitragen. Kommen dann noch einschneidende negative Erlebnisse in frühester Kindheit betreffend Begegnungen mit respekteinflößenden Förstern und Jägern dazu, so dauert es relativ lange bis sich ein halbwegs entspanntes Verhältnis zur Jagd und allem was damit zu tun hat eröffnet. Bei mir hat es eigentlich sehr lange gedauert – denn erst mit meinen ausgedehnten Wanderungen und Kanutouren in Nordschweden bin ich mit der Jagd in einem ganz anderen Zusammenhang konfrontiert worden. Hier wird die Jagd nämlich immer noch als natürlicher Bestandteil des täglichen Lebens betrachtet und vor allem die Elchjagd ist etwas, worauf sich die ganze Bevölkerung als ein Teil des Jahresablaufs der ganz natürlich im Kalender aufscheint freut und dementsprechend vorbereitet. Und wo die Jagd nicht zuletzt rein volkswirtschaftlich immer noch eine wichtige Aufgabe verfolgt, indem durch sie die Gefriertruhen mit Fleisch gefüllt werden.

Dennoch, auch diese ersten Begegnungen mit der Jagd als natürlichem Bestandteil des Jahresablaufs wurden von mir zwar mit einigem Erstaunen aber eher mit höflichem Interesse denn mit sofortiger Begeisterung zur Kenntnis genommen. Doch die immer wiederkehrende Betonung des Gewichts der Elchjagd von den verschiedensten Berufen und Bereichen sowie allen sozialen Schichten weckte schlussendlich irgendwann meine Aufmerksamkeit und ich begann den Geschichten und Erzählungen dann doch mit einigem Interesse zuzuhören und die Menschen, die sie erzählten, mit anderen Augen zu betrachten.

Eine Kultur - verschiedene Traditionen

So ist mir ein Mann, Lehrer von Beruf, in Erinnerung geblieben, Sven-Åke Axelsson aus Flåsjöbygden in Jämtland, der so manchen deutschen Jäger ins Revier begleitet hat und immer wieder von der völlig anderen Einstellung zur Jagd bei diesen Jägern im Vergleich zu den schwedischen gesprochen hat, durchaus hochachtungsvoll und mit einem gewissen Respekt in der Stimme. „Jeder Jagd Tag wurde mit einem Signal aus dem Waldhorn eingeleitet und wurde ein Tier zur Strecke gebracht, so kommt der obligate Reisigzweig an den Hut und wieder ertönt der Ruf aus dem Jagdhorn. Sehr zeremoniell die deutschen Jäger, ganz anders als bei uns“, meinte der freundliche alte Mann, der wohl schon manchen Pirschgang erfolgreich  geleitet haben mochte.

Ein anderes Mal war ich zu einem Ausritt eingeladen in Tjåmotis, das liegt zwischen Jokkmokk und Kvikkjokk, damals gab es da noch Bashkir Pferde, das sind Pferde, die auch Allergiker reiten können und als wir von dem herrlichen Tour entlang dem Lulefluss zurückkamen, wurde ich eingeladen doch noch ein paar Tage zu bleiben. Nichts lieber als das, ich rollte meinen Schlafsack in einem aus Holz gezimmerten Lappentipi aus und entfachte ein Feuerchen, denn es war schon Oktober und da sind die Nächte im Norden bereits empfindlich kühl.   Ich heizte fleißig denn es gibt nichts Schöneres als am Lagerfeuer zu sitzen und gemütlich ein Bier zu trinken und eine gute Zigarre zu genießen. Der sternenklare Himmel lädt ein zum Träumen und so vergingen die Tage im Nu. Am letzten Abend  gesellten sich auch die Wirtsleute zu mir und auch sie erzählten von der Jagd und gleichsam nebenbei kamen wir auch auf die Trophäen zu sprechen und ich fragte was denn mit all diesen Elchgeweihen geschehe. Da die Elchjagd jeden Herbst stattfindet, müssen ja einige kapitale Elchbullen geschossen worden sein.

Damals war ich noch fasziniert von den Elchgeweihen und stellte mir vor, wie ich ein solches über dem Eingang meiner Hütte befestigen würde. Wie wenig weiß man von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens und sitzt immer wieder falschen Vorstellungen auf, nur weil die öffentliche Meinung einem weismacht so und nicht anders soll es sein. „Na dann will ich dir zeigen was wir hier mit den Trophäen machen“, schmunzelte Frau Stenman schließlich,  ging zum Holzschuppen und öffnete eine Tür. Der Raum, der sich dahinter auftat war gerammelt voll von gigantischen Elchgeweihen. Sicher mehr als zwanzig lagen da kunterbunt durcheinander. Doch was ist denn das? Ich zeigte auf einen Schädel mit furchterregenden Zähnen. „Das? Das ist der Schädel von einem Bär, den ich vor drei Wintern geschossen habe. Sein Fell hängt bei uns im Haus an der Wand,“ meinte Herr Stenman stolz. Kein Wunder, dass er uns vor dem Ausritt gewarnt hatte bloß nicht auf der anderen Seite des Flusses zu reiten, denn dort hatte er in der Früh Bärenspuren entdeckt gehabt. Doch auf alle Fälle war mir wieder ein Einblick in die schwedische Seele vergönnt. Alles was andere erstreben und dem nachgejagt wird,  hat hier beileibe nicht denselben Wert.

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Typisch nordschwedischer grenzenloser Himmel
Bild: B.Steinecker

Vom Jagdtrieb erfasst

Trotzdem sollte es noch viele Jahre dauern bis auch mich der Jagdtrieb wirklich erfasste oder zumindest zum Leben erweckt wurde. Nicht unbeteiligt daran war Stefan, der mich bereits vor mehr als zehn Jahren kontaktiert hatte und nach einem guten Tipp für die Elchjagd gebeten hatte. Damals hatte ich leider noch nicht viel dazu beizutragen vermocht, ich war eher auf Kanutouren und Wanderrouten spezialisiert , Stefan war denn auch anderswo fündig geworden und hatte die folgenden Jahre im Jämtland bei einer schwedischen Jagdgesellschaft Unterschlupf gefunden und dort so manchen schönen Elch erlegt. Doch letzten Herbst war es wieder so weit, eine Mail kam an mit der Bitte ein schönes Jagdgebiet ausfindig zu machen, da die Jagdgesellschaft bei der Stefan mit dabei gewesen war ihres Revieres verlustig gegangen war und Stefan nicht auf seine alljährliche Elchjagd verzichten wollte. Interessanterweise hatte ich gerade mit Torgny in Harads Kontakt gehabt und der hatte mir erzählt, er hätte ein eigenes kleines Jagdgebiet und das würde er gerne verpachten. Was lag daher näher als die zwei Jäger zusammenzubringen und so beiden zu helfen? Gesagt getan. Nach kurzem Briefwechsel kamen wir überein uns im Laufe des Oktobers bei Torgny zu treffen, ich sollte wohl auch mit dabei sein schon allein um Sprachprobleme aus dem Weg zu räumen und daher war es Ende Oktober an einem schönen Wochenende so weit: Erwartungsvoll hielt ich am Flughafen Lulea Ausschau nach Stefan. Da war er auch schon, ein Mittfünfziger mittelgroß mit kurz geschnittenem grauem Haar, Brillen und einem freundlichen Lächeln. Mit Handschlag begrüßen wir uns und nach kurzem Gespräch verfrachten wir das Gepäck in meinen alten Saab und ab geht es auf die Straße über Boden Richtung Jokkmokk und dann eineinhalb Stunden sind wir in Harads bei Torgny.

Stefan packt zur Begrüßung eine Flasche Marillenschnaps aus, was in Schweden immer noch ein gern gesehenes Mitbringsel ist und nach kurzer Zeit unterhalten wir uns blendend. Am nächsten Tag wollen wir ins Revier. Beim Frühstück eröffnet uns Torgny dass sein Revier doch nicht so groß ist wie gedacht und dass es wohl eigentlich besser ist wenn wir uns woanders umsehen. Zum Glück hatte ich in weiser Voraussicht auch einen anderen Outfitter kontaktiert nämlich ein Stück weiter nördlich und daher machen wir uns auf den Weg dorthin. Die Unterkunft ist ok, gut ausgerüstete Blockhäuser, aber die Jagd scheint Stefan dann doch ein bisschen teuer  und außerdem wirkt der Jagdleiter nicht unbedingt interessiert an neuen Jagdgästen. Also wird sie nach hinten gereiht. Torgny plaudert zwar noch etwas von einer Möglichkeit in seiner Dorfjagdgesellschaft sei vielleicht etwas zu machen doch darauf will sich Stefan nicht einlassen, zu vage scheint ihm dieses Angebot. Am Abend sitzen wir bei selbst gefangenem gebratenem Saibling und beraten.

Was ist zu tun? „Was ist, wenn wir einfach eine der großen Forstgesellschaften kontaktieren und unverbindlich anfragen ob die Möglichkeit besteht, ein halbwegs großes Revier für ein paar Wochen zu pachten?“ Jetzt im Nachhinein weiß ich gar nicht mehr wer diese Frage eigentlich gestellt hat. Auf alle Fälle tritt plötzlich Schweigen ein und jeder denkt sich wohl dasselbe: Super Idee, warum bin bloß ich nicht draufgekommen? Guter Dinge gehen wir zu Bett und am nächsten Morgen nach dem Frühstück wird die Telefonnummer herausgesucht und nach einigem Hin- und Her landen wir beim richtigen Mann. „Ein Revier für die Elchjagd? Ja, da hätten wir schon etwas, allerdings nur für die ersten zwei Wochen“, kommt die überraschende Auskunft. Wow, das ist aber schnell gegangen. Schon wird prinzipiell zugesagt, die Karten über das Jagdgebiet werden noch im Laufe des Tages herübergemailt und Pläne werden geschmiedet. „Also ich kann garantieren, dass ich mit sieben bis zehn Jägern hierherkomme“, verspricht Stefan und schon geht es daran auszurechnen wie wohl alles ablaufen wird und was wohl der Preis sein wird. doch plötzlich stockt der Gesprächsfluss.

Wie ist das denn mit der Unterkunft? Torgny hat zwar ein gemütliches Jagdhaus auf seinem Gebiet, doch vom neuen Revier liegt das mindestens zwei Stunden entfernt, kommt also wohl nicht in Frage. Wo liegt das denn nun wirklich? frage ich und beuge mich neugierig über die Karte. Ach, da liegt ja Gunnarsbyn gleich in der Nähe, und wie ein Blitz durchfährt es mich, da hatte ich doch auf einer Kanutour auf dem Rånefluss einen urigen Typen kennengelernt, der damals irgendetwas erzählt hatte, dass er dort in der Nähe ein paar Blockhütten aufstellen wollte. Ich hatte sogar in der ersten übernachtet und wir hatten noch lange am Lagerfeuer gesessen und geplaudert. Åke Selberg hatte damals erzählt wie er als Kind mit dem Boot über den Fluss in die Schule gerudert war und im Winter mit den Skiern über den eisbedeckten Fluss gewandert war, weil es keine Straße gab. Das Schicksal vieler schwedischer „Nybyggare“, die ein Stück Land in Besitz genommen hatten und das Beste daraus gemacht hatten. Nur dauerte es eben oft mehrere Generationen bis das Beste erreicht war. Heute schaut natürlich alles anders aus: Straßen sind vorhanden und Grund ist genug da. Nur sind die Leute, die das alles begonnen haben, die die eigentlichen großen Geister dahinter waren, schon lange unter der Erde.  Aber ihrer wird mit dem größten Respekt und Hochachtung auch von den nachkommenden Generationen gedacht.

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Jagdcamp Getronosan im Morgengrauen Bild: EN

Gastfreundschaft am Rånefluss

Zum Glück finde ich Åke´s Telefonnummer immer noch auf meinem Handy eingespeichert und ich rufe ihn sofort an. „Hallo, ach du bist es? Schon lange nichts mehr gehört. Wie, Mickelkölen? Ja, kommt doch mit der Karte her und dann schauen wir uns das gemeinsam an“, lautet die freundliche Antwort. Nach fünf Minuten sitzen wir in Auto und nach halsbrecherischer Fahrt über Schotterstraßen sind wir eineinhalb Stunden später im Wohnzimmer der Familie Selberg versammelt. Åke hat sich zwar ein bisschen verändert, klar, keiner wird jünger und wenn man so wie er sein Leben lang hart gearbeitet hat dann hinterlässt das eben Spuren. Wir kommen nach kurzem Kartenstudium drauf, dass „unser“ Revier nur ein paar Kilometer von Överstbyn entfernt ist. „Fein, sag wie ist das mit euren Bauprojekt gegangen, hat sich da etwas getan?“ kann ich mir die Frage nach den Hütten nicht verkneifen. Åke lächelt und meint nur: „Komm, da fahren wir jetzt hin und schauen uns das an“. Gerade auf der anderen Seite des Råneflusses liegt auf einer Halbinsel das perfekte Jagdcamp, und ich staune nicht schlecht als ich erkenne, was es da alles gibt: Getronosan besteht aus einem Blockhaus mit Kanonenofen und sechs Betten, einem eigenen kleinen Häuschen mit Duschen und Küche, einer Sauna, einem Holzschuppen, zwei Badebottichen, besser bekannt unter der englischen Bezeichnung „Hot tubs“, und dann noch einem großes Blockhaus mit Speisesaal und oben im ersten Stock ein Schlafraum mit noch einmal acht Betten. „Das habt ihr alles in der kurzen Zeit gebaut?“ staune ich. „Naja, so kurz war die Zeit auch wieder nicht. Wann warst du denn das letzte Mal hier – vor zehn, fünfzehn Jahren?“ rückt Åke seine Leistung ins rechte Licht. Trotzdem, ich bin schwer beeindruckt. Da sieht man es wieder, wenn der menschliche Erfindungsgeist etwas will setzt  ihm nur die eigene Phantasie Grenzen.

„Sag, könnten wir das wohl in den ersten beiden Jagdwochen mieten?“ frage ich vorsichtig. „Davon gehe ich aus, dass ihr hier bei uns euer Jagdcamp aufschlagen werdet“, grinst Åke fröhlich und auch  Kurt, sein hünenhafter Sohn lächelt freundlich und meint: „Ich bin für Getronosan verantwortlich und mache gern den Koch für euch.“ Keine schlechte Idee, denn wer weiß, es ist immer gut, Kräfte vor Ort zu engagieren, die sich auskennen und an die man sich wenden kann wenn etwas schief geht. Mit Handschlag besiegeln wir unser Vorhaben und zufrieden fahren wir zum Schießplatz von Harads, wo Stefan noch Torgny´s Büchse einstellt, denn als Werkzeugmachermeister ist er genaues Arbeiten gewohnt. Stefan fliegt am nächsten Tag zurück nach Frankfurt, ich fahre die tausend km heim nach Gävle  und wir sehen uns schon als Triumvirat mit großen Zukunftsplänen. Doch leider kommt es meistens anders als man denkt (oder plant).

Schon bald schickt mir die Forstgesellschaft den Pachtvertrag und guter Dinge unterzeichne ich und fühle mich als Herr über ein 7000 ha großes Jagdrevier mit Bergen, Seen, Wald und Moor. Ein reichhaltiges Revier, in dem wir übers Jahr Elche jagen wollen. Fehlen eigentlich nur noch die Jäger, aber die wollte ja Stefan mitbringen. Seine Mails klingen durchaus positiv und so mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen sondern schicke ihm beste Weihnachts- und Neujahrsgrüße.  Doch dann tritt plötzlich Funkstille ein. Kamen in den Vormonaten immer wieder Mails, zwar unregelmäßig aber doch, so trifft im Zeitraum Januar bis Mai nicht eine einzige Nachricht von Stefan ein. Anfang Mai werde ich doch ein bisschen nervös, denn schließlich stehe ich nicht nur mit allen Ausgaben für die Revierpacht da, sondern bin auch Åke und Kurt im Wort, was eigentlich noch schwerer wiegt, denn hier im Norden verspielt man nicht gern „Good Will“ zu wichtigen Leuten. Mitte Mai schicke ich eine Mail an Stefan und frage ihn eindringlich was denn los sei und falls ich ihn irgendwie beleidigt haben sollte so möge er mir das doch mitteilen denn wir könnten die Sache sicher ins Lot bringen. Da kommt endlich eine Mail aber der Inhalt ist nicht beruhigend sondern eher das Gegenteil. Ein Burn Out machte Stefan zu schaffen aber jetzt sei er bereits auf dem Weg zur Besserung und er werde schauen dass er die Anmeldungen zur Elchjagd im Herbst auf die Füße stellt. Doch wie so oft im Leben hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, seine Jagdkollegen haben, da sie nichts von ihm gehört hatten bereits anderwärtig gebucht und nur sein bester Freund Hans-Werner  erklärt sich schließlich bereit mitzukommen. Von sieben bis zehn geschrumpft auf zwei das kann nicht gut gehen. Schon rein rechnerisch nicht, denn zahlen wollen die beiden auch nicht viel. Da muss ich selber aktiv werden und rufe meine Bekannten durch, viele sind es nicht, die jagen und erst in der unmittelbaren  Familie werde ich fündig. Bernd sagt spontan zu und will zwei Freunde mitbringen.

Ortskundige Hundeführer

Das klingt schon besser, daher rufe ich am nächsten Tag bei Åke an und frage nach einem Hundeführer. „Da kann ich dir einen wirklich guten Tipp geben, nämlich Peter, meinen Sohn. Der hat nur ein Interesse im Leben und das ist die Elchjagd und der  hilft dir hundertprozentig aus.“ Gesagt, getan, ein Anruf genügt und Peter ist Feuer und Flamme. Auch über den Preis einigen wir uns bald, nicht gerade billig für die zwei Wochen, aber gute Leute kosten nun einmal Geld. Außerdem will ich sicher sein, dass alles klappt. Wie mich da die gute Hand der Vorsehung geleitet hat, das werde ich erst während der Jagd herausfinden – und wie wichtig ein verlässlicher Mann vor Ort ist ebenfalls, denn entgegen dem guten Ruf der Ortsbevölkerung gibt es auch hier wie überall schwarze Schafe. Auch Torgny freut sich auf die Jagd und daher scheint mir sollte weiter nichts schief gehen. Wenn man etwas das erste Mal macht, muss man eben mit solchen kleineren Malheurs rechnen. In Zeitschriften will ich nicht inserieren sondern will erst einmal schauen, wie die Jagd abläuft und dafür brauche ich Leute die einander kennen und die mit den Organisatoren zumindest bekannt sind. Was ich jetzt am wenigsten brauche ist irgendjemand der nur darauf wartet sich durch Reklamationen einen Teil seiner Kosten wieder hereinzuholen.

Die letzten Stolpersteine sind Mitte August aus dem Weg geräumt, die Einfuhrlizenzen für die Waffen sind bei der Grenzpolizei in Stockholm besorgt und auch gut angekommen, die Flüge sind gebucht und ein letzter Anruf bei Peter, dem Hundeführer, soll auch hier noch für grünes Licht sorgen. doch da kommt der Schock: „Ach, gut, dass du anrufst, ich bin gerade im Krankenhaus in Boden, die Ärzte haben einen Herzinfarkt festgestellt und ich bin auf einige Zeit außer Gefecht gesetzt“. Kann es noch schlimmer kommen? Jetzt heißt es Ruhe bewahren und auf das Beste hoffen. Und wirklich zahlt sich die Ruhe aus, denn Peter erfängt sich wieder, wird von den Ärzten tadellos eingestellt und erweist sich als Fels in der Brandung – während der ganzen Jagd.

Die Jagdperiode naht und ich mache mich ans Koffer packen. Der Abschied von meinem schwer kranken Vater fällt schwer, schließlich habe ich ihn die letzten zwei Jahre rund um die Uhr gepflegt und sein Zustand, er leidet an Alzheimer gepaart mit Parkinson, hat sich in den letzten Wochen derart verschlechtert, dass das Schlimmste zu befürchten ist. Trotzdem bestärkt er mich in den Norden zu fahren und die Jagd durchzuführen. Leider werde ich meinen Vater  nicht wiedersehen.

Von Gävle weg fahre ich mit dem Auto, denn ich will unbedingt mobil sein und der Volvo meines Sohnes scheint mir als Kombi genau das richtige Gefährt zu sein. Manchmal trifft man zum Glück die richtigen Entscheidungen und mehr als einmal bin ich froh über ein derart geräumiges und verlässliches Gefährt zu verfügen, wenn sich wieder einmal zwei Hunde und drei Jäger ins Auto drängen weil ein Standortwechsel ansteht.  In unserem Jagdcamp angekommen beglückwünsche ich mich selber zu der guten Wahl: Auf einer Halbinsel im Rånefluss gelegen, abgelegen und ohne Einblick von der Straße aber doch relativ nahe auf einem Waldweg zu erreichen beziehe ich die Schlafhütte und mache als erstes gleich einmal ein Feuerchen. Das erhöht den Wohlfühlfaktor direkt und ich schlafe wie in Abrahams Schoss. Die zwei Tage vor der Ankunft der Gäste will ich nützen um das Revier genauer zu erkunden und mit Kurt einen passenden leicht zugänglichen Platz für das Küchenzelt zu finden wo er dann seines Amtes walten soll. Wenigstens die Verpflegung soll stimmen denn ein voller Bauch verbreitet gute Laune. Wir finden schließlich auch einen schönen Platz auf einer Wiese und ich staune nicht schlecht als wir draufkommen, dass hier einmal ein Bauer den Boden bearbeitet hat. Eine uralte verrostete Egge steht noch da und auch die Grundfesten des Wohnhauses sind noch vorhanden. Himbeersträucher zeugen ebenfalls davon, dass es hier einmal eine Familie versucht hat Fuß zu fassen doch die Zeitläufte wollten es anders. Egal, wir beglückwünschen uns zu dem Plätzchen zumal auch in etwa fünfzig Meter Entfernung ein See durch die Bäume schimmert, schlagen das Tipi auf und stellen Bänke, Tische und einen riesengroßen Gaswouk auf, mit dessen Hilfe Kurt in den zwei Wochen ganz tolle Gerichte hinzaubern wird.  Eine kurze Rundfahrt durchs Revier zeigt mir, dass Peter nicht untätig war, sondern die Reviergrenzen und Wechsel bereits mit Bändern gekennzeichnet hat.


BU: Hundeführer Peter erweist sich als Fels in der Brandung Bild: H-W Eich

Erste Jagdwoche

Zwei Tage später ist es so weit. Erwartungsvoll stehe ich am Flughafen um Stefan und Hans-Werner zu empfangen. Stefan kenne ich ja schon und Hans-Werner entpuppt sich als gemütlicher Mann Anfang sechzig, der gerade seinen Ruhestand angetreten hat und sich als Belohnung eine Elchjagd in Nordschweden gönnt. Kein schlechter Anfang für einen neuen Lebensabschnitt! Stefan ist agil und energisch wie immer, keine Spur von Burn Out sondern wenn überhaupt möglich, noch enthusiastischer als früher.  Im Camp angekommen sind die beiden begeistert und nehmen gleich von ihrem Hüttchen Besitz. Koch Kurt zaubert  Schnitzel auf den Tisch, Hundeführer Peter, Familienpatriarch Åke und seine Frau Anna-Greta kommen auf einen Sprung vorbei und bald sitzen wir und plaudern und erzählen von früheren Elchjagden. Stefan und Hans-Werner haben die letzten Jahre in der Gegend von Östersund /Jämtland gejagt und haben dort die ortstypische schwedische Gesellschaftsjagd erlebt wo je nach ausgelostem Platz der Jäger wartet ob ihm ein Elch vor die Büchse läuft. Hier wollen die beiden mit dem Hundeführer unterwegs sein und versprechen sich davon ein abwechslungsreicheres Jagderlebnis. Relativ früh gehen wir zu Bett denn um halb vier Uhr ist Tagwache und nach einem herzhaften Frühstück fahren wir dem Sonnenaufgang entgegen ins Revier. Das Revier ist riesig und wir beschließen, dass einer der beiden Jäger mit Peter und seinem alten, erfahrenen Elchhund Fille, einer Mischung aus Jämthund und Hälleforsare auf die Pirsch geht. Jämthunde haben eine große Ähnlichkeit mit Wölfen und sind phänomenal beim Aufspüren von Elchen werden daher von vielen schwedischen Hundeführern bevorzugt bei der Elchjagd eingesetzt. Später in der Woche wird sich auch Pär zu uns gesellen mit seinen Karelerhunden, das sind noch stärkere Hunde, die deswegen auch für die Bärenjagd verwendet werden.


Jämthund Fille spürt jeden Elch auf
Bild: H-W Eich

Jämthunde haben die besten Spürnasen


Kaum sind wir im Revier, die Anfahrt war an sich bereits ein Erlebnis mit einer Sonne, die sich direkt vor uns über den Horizont emporschob und die letzten Nebel fortzog wie den Vorhang bei einem dramatischen Stück von Thomas Bernhard, wird das Team aufgeteilt: Hans-Werner macht sich mit Peter auf um Elchhund Fille zu folgen. Dieser ist wie alle Jagdhunde hier im Norden mit einem Sender ausgestattet, damit ihn Peter auf seinem GPS immer gut im Auge hat, während Stefan direkt an einem kleinen See auf die Lauer geht. Ich selber hole meinen Biwaksack aus dem Rucksack und mache es mir im Moos bequem. Die Stunden vergehen, rühren tut sich nicht viel, nur die Nebelschwaden kehren zurück und es fängt leicht zu nieseln an. Nach drei Stunden vor sich Hinträumens ruft Peter an und er gibt mir seine Position durch damit wir ihn holen können – er schlägt ein frühes Mittagessen vor und möchte dann am Nachmittag noch einmal einen Pirschgang unternehmen.

Diese Transportstrecken im Revier haben den Vorteil, dass wir jetzt sehen wie schön und vielfältig die Natur hier ist: Föhrenwälder wechseln sich mit Kahlschlägen ab dann leuchtet wieder ein See zwischen den Bäumen durch oder ein Moor präsentiert sich in den beginnenden Herbstfarben. Und überall gibt es Preiselbeeren und Blaubeeren. Aber wirklich überall. Kein Wunder, dass wir immer wieder auf Beerenpflücker stoßen werden. Hier in der Gegend haben die Aufkäufer Trupps aus Thailand (!) organisiert, die sie mit uralten Volvo Kombis ausrüsten und ins Gelände schicken. Auf meine erstaunte Frage ja was tun die denn da in unserem Revier? meint Peter nur lakonisch tja, das Jedermannsrecht, da kann man nichts machen. Ich finde das  nicht ganz in Ordnung aber mir fällt auch kein Ausweg ein nur dämmert mir plötzlich ein bisschen Verständnis für die österreichischen Forstbesitzer wenn die ihre Wälder rigoros sperren und so das berufsmäßige Sammeln von Beeren und Pilzen unterbinden. Doch nicht nur die Beerenpflücker erweisen sich als störendes Element, auch einige der Rentiere, die hier in kleinen Grüppchen unterwegs sind, haben Glöckchen umgebunden und  bringen dadurch Unruhe ins Revier. Doch auch hier ist nichts zu machen. Wie bekannt hat jedes Rentier einen Besitzer und diese wiederum haben das Recht darauf, ihre Herden frei laufen zu lassen. Allerdings von Glöckchen habe ich noch nie gehört, doch nehme ich an, dass alles mit rechten Dingen zugeht, denn sonst hätten sich die ortsansässigen Jäger sicher schon dagegen gewehrt.

Das Mittagessen wird förmlich zelebriert, Kurt übertrifft sich selbst und stellt uns eine Art Kebab aus ganz dünn geschnittenem Schweinefleisch hin, das wirklich vom Feinsten ist. Das Rezept will er allerdings nicht preisgeben denn gerade die Würze ist es, die den feinen Geschmack ausmacht. Nach dem Essen machen wir es uns auf den Rentierfellen in der Wiese bequem und bald schon weist zufriedenes Schnarchen darauf hin, dass hier einige Jäger stundenlang durch den Wald gelaufen sind. Die Sonne erwärmt die Luft und wir sind uns einig, dass das Thermometer sicher um die zwanzig Grad erreicht hat. Das ist für die Jahreszeit und vor allem für die Jagd mit den Hunden viel zu warm. Peter erzählt nicht nur einmal, wie sich Hunde überarbeiten können und so lange laufen bis sie tot umfallen. Der erste Tag im Gelände verläuft ohne direkten Kontakt mit Elchen aber zur Akklimatisierung, sprich Entspannung und Erholung, passt die Ruhe und die gute Luft hier im Wald ausgezeichnet.
 


Koch Kurt übertrifft sich jeden Tag aufs Neue Bild: EN

Der Schuss entscheidet über das Jagdglück

Schon am nächsten Tag tritt eine Änderung ein, als Stefan den ersten Anblick hat und nur deswegen nicht zum Schuss kommt, weil das Kalb direkt vor der Kuh steht und er deswegen nicht abdrücken kann. Immerhin, der erste Kontakt war da und die Stimmung geht schlagartig von launigem Urlaubsgefühl in vibrierendes Jagdfieber über. Am Tag darauf hat Hans-Werner seinen ersten Elchkontakt und was für einen! Ein unglaublicher Schaufler tritt aus dem dichten Gehölz direkt vor ihn und Peter. Peter hält sich schon die Ohren zu und erwartet den Schuss doch – es tut sich nichts. Hans – Werner schaut und schaut und wartet und unverrichteter Dinge zieht der Elchbulle wieder ab. Peter ist völlig aus dem Häuschen und kann es nicht fassen: Das gibt es doch nicht, das ist ein Bulle von dem man nur träumen kann, das ist eine Begegnung die man einmal im Leben hat. Er ist richtig enttäuscht und wie groß die Enttäuschung ist kann man daran erkennen, dass er noch Wochen später jedes Mal wenn er von einem kapitalen Elch erzählt dieses Erlebnis mit Hans Werner erwähnt und immer noch nicht darüber hinweggekommen ist, dass nicht geschossen wurde. Hans Werner ist weiter nicht traurig, er meint nur gelassen, ach, ich habe schon so viele Elche geschossen, ich weiß nicht, es hat einfach nicht gepasst. Da es erst der zweite Tag der Jagd ist denke ich mir es wird schon noch werden und habe keinen Kommentar.

Doch das ändert sich als auch am nächsten Tag ein kapitaler Elch diesmal Stefan vor die Büchse rennt und wieder nicht geschossen wird. Zu weit weg laut Aussage von Stefan. Peter schüttelt den Kopf nimmt mich zur Seite und fragt mich, wozu er seinen Hund losschickt, wenn keiner die Elche schießt die er aufstöbert. Da Peter wirklich bekümmert scheint frage ich Stefan was los ist. „Ach weißt du, wir sind beide erfahrene Jäger und haben es nicht eilig mit dem Schießen. Die Ethik spielt für uns mit den Jahren eine immer größere Rolle und wir wollen nur absolut sichere und saubere Schüsse abgeben.“ Tja, dem ist nichts entgegenzusetzen, dennoch ermahne ich die beiden, sich einen Ruck zu geben und schon allein um dem Hund nicht die Freude zu nehmen, doch lieber abzudrücken – auch ist es so, dass wir unsere Abschüsse tätigen müssen denn umsonst haben wir die zehn Elche, die auf unserer Lizenz stehen sicher nicht bekommen sondern die Forstgesellschaft denkt an die Verbiss Schäden im kommenden Winter und will den Elchbestand dezimieren. Und nicht zuletzt habe ich schon Abnehmer für das Fleisch und bin daher auch interessiert daran, dass ich meine Quote erfüllen kann.

Hundeführer Peter sammelt sich Bild: B. Steinecker

Leider scheint es, als habe diese Schusshemmung die Spürnase von Fille, unserem Jagdhund, beeinträchtigt und daher nimmt Peter seinen Junghund mit, Elvis, ebenfalls ein Jämthund, aber mit seinen neun Monaten noch sehr verspielt und welpenhaft. Daher bleiben die Kontakte zum Wild unbefindlich. Es ist wie verhext, wir streifen kreuz und quer durchs Revier und kriegen keinen Elch vor die Büchse, nicht einmal ein Anblick ist uns vergönnt. Nur Hans Werner nimmt es mit Gleichmut und fotografiert was das Zeug hält. Die Gegend bietet auch wirklich Motive genug, die Ausbeute an wunderbaren Fotos ist groß.

Sender am Hundehals und GPS


Torgny ruft am Abend an und fragt ob ein Bekannter von ihm, Per, mit seinen Hunden kommen kann, denn er möchte seine Kareler trainieren und wir könnten sicher noch einen Hundeführer brauchen. Das scheint mir eine gute Idee zu sein und so gesellt sich am Abend ein vierschrötiger Mann zu uns, nicht sehr hoch, aber breit und wie es scheint mit unglaublichen Kräften ausgestattet und auch ziemlichem Temperament, der den ganzen Tisch mit seinen Geschichten und Schnurren über die Jagd unterhält.

Der nächste Tag beginnt im Zeichen des Optimismus und der Jagdfreude wie ja oft ein neuer Spieler eine entscheidende Veränderung im Spielverlauf beitragen kann nur durch seine Anwesenheit allein. Per geht zuerst mit Hans-Werner und voller Elan machen sich die beiden auf den Weg. Der Hund schlägt fast unmittelbar an und schon sind alle drei verschwunden. Peter nimmt Stefan mit und ich mache es mir auf meinem Lieblingsplätzchen an einem Moor gemütlich, breite meinen Biwaksack auf dem Moos aus und liege gut geschützt hinter einem Felsen und schaue den Wolken zu, die hoch am Himmel vorüberziehen. Ich kann mich wirklich beglückwünschen, denn nicht nur erlebe ich endlich die Elchjagd hautnah mit, sondern bekomme einen Einblick in alle Facetten der Jagd, denn als Organisator sehe ich alles doch von einer anderen Warte aus denn als Jäger. 

Ich kann verfolgen welch wichtige Rolle der Hundeführer spielt, speziell, wenn es nicht um eine ganze Gruppe handelt, die man irgendwo auf einem Ansitz platziert und dann zugetrieben wird, sondern wenn dem Hundeführer eine wichtige Aufgabe zufällt und die Jäger wirklich gefordert sind, ihre Kondition und ihr Geschick im Gelände zu beweisen. Aber auch das Zusammenspiel von Forstgesellschaft, deren Interessen und meinen Interessen, dass alles gut über die Bühne geht und vor allem dass sich keiner verletzt wird mir klar. Und zu guter Letzt beglückwünsche ich mich, dass mir selber Freiräume bleiben so wie jetzt wo ich Zeit für mich selber habe, die letzten Monate bearbeiten kann und hier in der Natur wieder zu mir selber finde und merke, wie der Stress abfällt und die wirklich wichtigen Dinge des Lebens Raum und Zeit bekommen.


Hundeführer unter sich. Pär (li) und Peter beim Fachsimpeln. Bild: H-W Eich

Wie angenehm wirkt sich doch die Natur auf das Nervenkostüm des Menschen aus, ich fühle direkt, wie die Zufriedenheit in mir aufsteigt und  sich ein Wohlgefühl in mir ausbreitet, das ich so seit zwei Jahren nicht mehr verspürt habe. Das einzige was mich ein bisschen stört in meinen Träumen ist das Ausbleiben von Schüssen. Daher bin ich gespannt was Hans Werner wohl erzählen wird, wenn wir uns zum Mittagessen treffen. Und wirklich, es hat sich einiges getan, nur vielleicht nicht unbedingt so wie er sich das erwartet hatte. „Wir sind losgezogen und der Hund von Pär hat auch gleich einmal angeschlagen und wir haben auf dem GPS gesehen, wie er losgerannt ist und haben versucht ihm zu folge. Pär ist ja wirklich ein kompetenter Mann und sehr geschickt aber er läuft ja wie ein Verrückter. Das war schon hart. Aber egal, auf alle Fälle war der Hund plötzlich weg, er ist durch einen See geschwommen, offensichtlich seinem Elch nach, und wir sind dann zum Auto zurück um den See zu umfahren und den Hund dann irgendwo wieder einzusammeln. Leider hat es keine Wege da gegeben sondern wir mussten einen Riesenumweg machen und unser gesamtes Revier umfahren um den Hund zu finden. Doch ich bin froh, denn wir haben einige gute Foto Motive gefunden. Da hinten zerwirkt übrigens unser Nachbarjagdverein zwei Elche und alle sind beschäftigt. War toll zu sehen.“ Das ist der Nachteil mit den Sendern – die Hunde machen sich auf den Weg und wenn einer so vom Jagdfieber gepackt wird wie Pär´s Hund in diesem Fall, dann gehen wertvolle Stunden verloren den Hund wieder einzusammeln. Da scheint mir Peters Hund besser in die Jagd zu passen, denn der dreht ab wenn er zu weit weg ist von seinem Hundeführer und kommt zurück.



BU: Am Lagerfeuer wird die traditionelle Wurst (Falukorv) gebraten. Bild: H-W Eich

Von samischen und anderen Jägern

Dennoch, die Stimmung bleibt gut und am Abend fragt Pär ob er noch zwei Hundeführer einbringen darf, denn die hätten Hunde aus seinem Kennel  und würden sich freuen wenn sie mitmachen könnten. Beim Essen schaut noch ein Jäger bei uns vorbei und zeigt stolz seinen Auerhahn, den er mit Hilfe seines Finnspitz erlegt hat. Diese Hunderasse ist speziell auf Auerhähne abgerichtet und jagt den Vogel auf den Baum und bellt so lang bis der Jäger kommt und den Hahn vom Ast herunter schießt. Eine äußerst beliebte Jagd bei den Menschen hier und mehr als einmal läutet das Telefon und ein Jäger wird vorstellig und fragt ob er in unserem Revier Vogeljagd betreiben darf.

Am nächsten Tag sind die beiden Jäger um halb fünf gestellt: Ingvar und sein Schwiegersohn David, beide eindeutig mit samischen Vorfahren, klein und zäh und dunkel mit hohen Backenknochen und braunen Augen. Sehr zurückhaltend und freundlich machen sie einen durchaus verlässlichen Eindruck. Der Schein trügt nicht, denn nicht einmal eine halbe Stunde nach dem Aufbruch ins Revier knallen schon Schüsse und die befreiende Nachricht kommt: Stefan hat endlich einen Elch geschossen. Pär rast wie immer hinter seinem Hund her und hat dabei das Pech, dass ihm ein Rentier ins Auto läuft.

Doch da sieht man wieder wie cool die Menschen hier hoben im Norden sind. Er bleibt stehen sieht, dass sich das Tier den Fuß gebrochen hat und erlöst es mit dem Messer von seinem Leiden. Dann holt er uns und bleibt noch einmal stehen um das Rentier auszunehmen, „damit der Besitzer es gleich mitnehmen kann und das Fleisch nicht schlecht wird“, kennzeichnet den Platz mit einem Tuch und wir fahren weiter zu dem Platz wo Stefan schon ganz freudig am Wegrand steht und uns einwinkt. Zum Glück hat er den Elch ganz nah an der Straße etwa zwanzig Meter entfernt erwischt. Die beiden Hundeführer haben ihn bereits ausgenommen, es handelt sich um einen jungen wohlgenährten Bullen er dürfte zwei Jahre alt sein. Die Hundeführer haben bereits ein Feuer entfacht und braten sich genüsslich eine Wurst „Falukorv“ genannt über den Flammen.  Sie haben jetzt alle Zeit der Welt und Stefan erzählt wohl zehn Mal wie schnell alles gegangen ist und dass er nicht versteht, wieso Pär denn noch zweimal auf den Elch geschossen hat obwohl der schon eingeknickt war. Pär wiederum grinst nur und meint, er habe dreimal geschossen und es gibt drei Einschüsse.

Ehe noch ein Streit entstehen kann, rettet Peter die Situation indem er uns alle auffordert mit anzupacken und den Elch zur Straße zu ziehen. Er hatte in der Zwischenzeit den Anhänger geholt und bald schon sind die Gurte an den Schaufeln des Elchs und an seinen Vorderläufen befestigt und mit vereinten Kräften geht es an die Arbeit. so ein Elch ist ganz schön schwer aber wir haben Glück, denn es sind kaum Baumstümpfe zu überwinden und keine großen Steine die ein Hindernis ausmachen. trotzdem muss man sich ordentlich ins Zeug legen und wir kommen ordentlich ins Schwitzen bis das Tier am Straßenrand liegt wo wir ihn an Pers Auto anbinden und auf die Straße ziehen. Eine letzte Anstrengung und er liegt fest verzurrt auf dem Anhänger.

Elchtransport

Beim Elchtransport helfen alle mit: (Von vorne) Pär, David, E.N., Ingvar, Peter, Stefan. Bild: H-W Eich

Wir fahren direkt zu Åke und Peter holt den Traktor, bindet den Elch an und hebt ihn hoch. Dann zieht er sein Messer heraus und beginnt ihn fachmännisch aus der Decke zu schlagen, also abzuhäuten. Unglaublich mit welcher Ruhe das alles vor sich geht und was die Leute hier auf dem Land können. Jeder weiß was er zu tun hat, kein lautes Wort ertönt, alles geht ruhig und sicher von statten auch der kleine zweijährige Enkel von Peter kommt auf seinen kurzen Beinen angelaufen und sieht interessiert zu.

Im Camp ist der Champagner bereits entkorkt und alle sind fröhlich und guter Dinge. Auch der Groll über die Aussage von Pär scheint vergessen und die beiden prosten sich gemütlich zu. Auch Hans Werner ist nicht anzumerken sondern er meint nur: „Ich habe meine Chance gehabt und habe sie nicht genützt, vielleicht ein andermal“. Doch mir will vorkommen, dass er sich umso mehr über seine Fotos freut die er in dieser Woche geschossen hat: die Natur hier im Norden hat es ihm angetan und er möchte mit seiner ganzen Familie wiederkommen und alle an dieser farbenfrohen Pracht und einmaligen Ruhe teilhaben lassen. „Vielleicht bin ich einfach zu alt um mich noch an einer Trophäe zu erfreuen“, meint er abschließend wie zu sich selber, scheint aber ganz gut mit diesem Schluss umgehen zu können, denn er nimmt bedächtig einen Schluck aus einem Glas und schmunzelt zufrieden vor sich hin.

Zweite Jagdwoche

Nach der nun doch zumindest vom Jagderfolg her etwas durchwachsenen ersten Woche in Getronosan  fuhr ich mit gemischten Gefühlen nach Luleå um die zweite Jägerpartie abzuholen. Die beiden Österreicher waren bereits am Vortag angekommen und hatten, um sich zu akklimatisieren, im ehrwürdigen Elite Hotel dort einquartiert. Für eine Stadt in Nordschweden ist Luleå relativ groß, so um die hunderttausend Einwohner werden es schon sein, die sich hier niedergelassen haben und es ist gar nicht so einfach das Hotel zu finden. Schließlich bleibe ich neben einem Polizeiauto stehen und frage die beiden Polizistinnen um Rat. „Zwanzig Meter links siehst du die Fahne des Hotels hängen“, lächeln sie freundlich und machen bei ihrem unterbrochenen Schwätzchen weiter. Und richtig, da, am anderen Ende der Storgatan steht ja der schöne alte Bau. Die beiden Jäger begrüßen mich mit Handschlag und haben noch gar nicht im Auto Platz genommen als sie schon erzählen wie sie am Vortag in Stockholm angekommen sind und weil die Einfuhr der Jagdwaffen so schnell gegangen ist gleich mit dem Arlanda Express nach Stockholm reingedüst sind  um sich in der Altstadt umzutun. Wirklich eine tolle Stadt sind sie voller Bewunderung für Schwedens Hauptstadt und er Markt erst – selten haben sie so viele Pfifferlinge, Blaubeeren und Preiselbeeren auf einem Haufen gesehen. „Na, dann wartet, bis ihr ins Revier kommt, da könnt ihr auch sattessen an den Beeren“, setze ich das Erlebnis in Relation zu Wirklichkeit, die sie jetzt erwartet.


BU: Jagdcamp Getronosan am Rånefluss Bild: EN

Erster Anblick und Schuss

In Getronosan angekommen sind auch die beiden begeistert von der Lage und von dem urigen Ambiente, „toll, wie das hier liegt, direkt am Fluss auf der Halbinsel, hier muss man sich ja auf Anhieb wohlfühlen“, fasst Bernd den ersten Eindruck zusammen. Nach einem Kaffee machen wir uns gleich auf um die Waffen einzuschießen und dann geht es auf ins Revier. Die leeren Straßen und die Weite des Landes nötigt Bernd und Ralf einigen Respekt ab und die Ruhe begeistert sie.   Die Schnuppertour lässt sie erahnen wie groß das Revier ist und die Freude ist groß, als wir gleich ein paar Elche in einem Jungwald entdecken. Leider fahren wir da gerade an der Straße entlang, die die Grenze unseres Reviers bildet daher kommen sie nicht zum Schuss.

Doch das soll sich gleich am nächsten Tag ändern, als Bernd innerhalb der ersten Stunde von Peters Jagdhund Fille aufgestöbert eine Elchkuh sieht und sofort abdrückt. Na so etwas, das klappt ja wie am Schnürchen, freut er sich und auch Ralf teilt die Freude völlig neidlos. Peter nimmt den Elch aus und deckt die Öffnungen mit Moos ab damit dem Fleisch nichts passiert. Dann kennzeichnen wir den Weg hin zum Tier um auch ja wieder herzufinden und Peter holt den Quad von Åke und den Hänger. Gut, dass es diese Hilfsmittel gibt, denn diesmal liegt die Abschussstelle weit drinnen im dichten Wald, es ist sumpfig und Grauerlen versperren den Weg in die eine Richtung und von Bibern gefällte Birken in die andere. Auf der Forststraße sehen wir uns um und können uns nicht genug über Bernds Kaltblütigkeit und Schnelligkeit am Abzug wundern.   „Naja, wenn ich ehrlich sein soll, so hatte ich gar keine andere Wahl,“ meint Bernd mit einem verschmitzten Lächeln, „da du uns ja eingeschärft hast sofort zu schießen musste ich ja wohl deinem Rat folgen“. 

Na, wenn die Woche so beginnt, dann kann ja nichts mehr schiefgehen, denke ich mir und freue mich mit den beiden über diesen gelungenen Einstand. Auch Peter scheint erlöst und ist entspannt und guter Dinge als er wieder auftaucht und den Quad mit geübter Hand vom Hänger fährt und dann Gas gibt und in den Büschen entschwindet. Ich habe die Ehre Jungspund Elvis an die Leine zu nehmen, doch der junge Hund ist so übermütig und energisch, dass ich binnen kurzem völlig orientierungslos bin und den Kompass zu Rate ziehen muss, um den anderen nachzukommen. Unglaublich welche Kraft in so einem Hundekörper drin ist.

Natürlich merkt man jetzt, wie gut es vorige Woche war, als wir mehrere Jäger waren, denn heute fällt die Hauptlast der Arbeit auf Peters breiten Schultern, aber er macht sich frohgemut ans Werk. Auch wir können uns hilfreich erweisen, denn immer wieder bleibt die Elchkuh an einem Wurzelstock hängen oder verfängt sich zwischen den Büschen. Es ist eine Heidenarbeit bis sie endlich gut verstaut auf dem Hänger liegt. Es ist interessant zu beobachten, wie wichtig dieser frühe Erfolg ist, denn der Rest der Woche vergeht in einer gelösten fröhlichen Stimmung weil jeder weiß, dass der Erfolg da ist und es nur eine Frage der Zeit ist, bis der nächste Elch erlegt wird. Außerdem erleichtert es die Kommunikation mit Peter ungemein, dass Bernd und Ralf gut Englisch reden und sie sich daher unbehindert mit Peter unterhalten können wenn sie gemeinsam auf Pirsch gehen. 

Um das Fleisch so frisch wie möglich zu belassen fahren wir direkt in den Schlachthof nach Harads das immerhin eine gute Stunde entfernt liegt. Dort angekommen haben wir Glück, wir sind die ersten die einen Elch abgeben und ein junger Mitarbeiter macht sich sofort ans Werk. Wir stehen und staunen, wie professionell er das trotz seiner Jugend angeht und sich überhaupt nicht davon stören lässt, dass hier ausländische Jäger dastehen und ihm bei der Arbeit zusehen. Während wir noch stehen und staunen kommen zwei andere Jäger mit ihrer Jagdbeute daher und die beiden haben einen kapitalen Elchbullen geschossen, mit richtig großen Schaufeln und sie sind entsprechend stolz darauf. Auf die Frage wie sie denn an den gekommen sind, meint der Jüngere der beiden: „Den habe ich gelockt und er ist mir sofort vor die Büchse gelaufen“. Das klingt so banal, aber es gehört schon Mut dazu abzuwarten bis eine halbe Tonne Elch mit wiegenden riesigen Schaufeln durch den Wald angesaust kommt in Erwartung und Vorfreude auf ein amouröses Abenteuer. Plötzlich taucht auch Pär auf und erkundigt sich nach unserem Jagdglück. „Sag, was ist, braucht ihr das Haupt des Tieres noch?“ fragt er plötzlich und auf unser Schulterzucken holt er sich den Kopf des geschossenen Tieres und fährt stillvergnügt von dannen. Auf meine spätere Frage wozu er denn das braucht, meint er nur, “ach das lege ich aus als Köder für die Bärenjagd. Die mögen so etwas gern“.


 

Bernd1

So sieht ein zufriedener Jäger
nach seinem ersten Elch aus. Bild: EN

Erster Fisch und erster Elch

Der Ausflug nach Harads hat viel Zeit in Anspruch genommen, dass es sich eigentlich gar nicht auszahlt, jetzt noch einmal ins Revier aufzubrechen, daher nehmen wir die Angeln zur Hand und Bernd zeigt Ralf, wie er einen Hecht aus dem Fluss herausholt. Bernds Vater Erich ist ein begeisterter Fliegen Fischer und fährt für sein Hobby bis nach Alaska, Sibirien und auch aus dem Alta Fluss in Norwegen hat er schon einige Lachse herausgeholt. Diese Liebe zur Fischerei hat er an seinen älteren Sohn weiter gegeben und daher scheint Bernd wirklich der richtige Ansprechpartner für Ralf zu sein. Und richtig, es dauert nicht lang und schon ist der erste Fisch an Land gezogen. Zwar kein Hecht nur ein kleiner Barsch, doch Ralf ist außer sich vor Freude und jubelt: „Mein erster Fisch, mein erster Fisch“. Als ich ein paar Minuten später zum Fluss komme staune ich nicht schlecht als ich Ralf hoch oben in der Krone einer ufernahen Kiefer entdecke. „Was machst du denn da oben?“ rufe ich erstaunt und Bernd klärt mich auf, dass beim Auswerfen der Angel sich der Blinker da oben im Geäst verfangen hat und Ralf diesen nun sucht. Dieses kleine Missgeschick tut der Freude am Angeln keinen Abbruch und bis zum Abendessen ist der ersehnte Hecht an die Angel gegangen.

Bild: Ralf auf dem Baum
BU: Ein richtiger Jäger holt den Köder auch vom Baum
Bild: B.Steinecker

Inzwischen hat die Elchjagd so richtig begonnen und immer wieder wird die Ruhe im Revier von Schüssen unterbrochen, die von allen Seiten widerhallen. Auch viel mehr Elche kommen zu Anblick nur für Ralf dauert es bis zum Freitag ehe er zum Schuss kommt. Die Woche vergeht wie im Flug und weil Ralf so gern angelt fragt Peter ob wir nicht einen Nachmittag an ihren eigenen kleinen Angelteich fahren wollen um dort unser Angelglück zu probieren. Nichts lieber als das und wir staunen nicht schlecht, als sich der kleine Angelteich als großer See entpuppt, wo alles für den Angler bereitsteht, von kleinen Stegen im Wasser bis zu Holzverschlägen mit Grillplätzen, wo man seinen Fang auch gleich braten kann. Während die Kameraden zum See eilen um die Angeln auszuwerfen mache ich mich an meine Lieblingsbeschäftigung und entzünde ein Feuerchen um die mitgebrachten Käseknacker zu braten. Der Duft der aufflackernden Birkenscheiter steigt mir in die Nase und ich fühle mich pudelwohl. Das ist Leben! So lässt es sich aushalten! Im Kreise gleichgesinnter Jagdkameraden wo der Schmäh rennt und die gute Laune sich durch nichts beeinträchtigen lässt. Wo man sich aufeinander verlassen kann und sich auch ohne große Worte zu verlieren versteht. 

Bild: Angelteich mit Steeg
BU: Der Aborrtjärn Angelteich im herbstlichen Sonnenlicht Bild: EN

Das Angelglück macht sich rar, es ist vielleicht doch zu warm dafür, Ralf macht es sich auf dem Steg gemütlich und lässt die Füße ins Wasser hängen, während Bernd irgendwelche Schnurren erzählt und man hört die beiden laut lachen. Diese Fröhlichkeit steckt an und auch Peter ist gelöst und macht einen glücklichen Eindruck. Der Stress der letzten Tage scheint von ihm abgefallen und die Verantwortung bedrückt ihn nicht länger wenn er sieht, wie wohl sich seine Jagdgäste fühlen. Es passt aber auch wirklich alles in dieser Woche und dass Bernd und Ralf einander seit Studientagen kennen und beide in derselben Burschenschaft aktiv waren, tut dem Vertrauen zueinander auch keinen Abbruch.

Die Würstchen sind bald gar und es hebt ein fröhliches Schmausen an. Peter erzählt, dass sich hier auf dem See im Winter das ganze Dorf trifft, wenn alle mit ihren Motorschlitten angefahren kommen, ein Rentierfell ausbreiten, ein Loch ins Eis bohren und dann mit der kurzen Eisangel die Forellen herausholen und oft gleich an Ort und Stelle am offenen Feuer braten. Der ortsübliche Kochkaffee rundet das Fest ab und so hat jede Kultur ihre passenden Ideen wie man sich einen schönen Sonntag machen kann.

Schon naht der Freitag, und mit ihm der Aufbruch in ein ganz neues Gebiet in unserem Revier. Die östliche obere Grenze wird von einer so neuen Forststraße durchzogen, dass sie noch gar nicht auf der Karte eingezeichnet ist. Dort hin machen wir uns auf den Weg und sind gleich einmal überrascht von der traumhaften Lage. Es handelt sich dabei um eine Art Hochplateau, das gekennzeichnet ist von gut gewachsenen Kiefernbestand immer wieder aufgelockert von kleinen Seen, die wie auf ein Perlenband aufgereiht in der Herbstsonne blinken. Dazwischen gibt es moorige Abschnitte, die bereits die satten Herbstfarben aus Ocker, Orange und Rostrot angenommen haben. Hier teilen wir uns. Während Ralf und Peter auf der Forststrasse weiterfahren um auf die andere Seite der Seen zu gelangen, sucht sich Bernd eine gute Stelle für den Ansitz und wird nach kurzem Suchen fündig wo er teils einen guten Blick über das Moor hat teils aber auch der Kiefernwald sich lichtet und gute Verhältnisse gegeben sind. Ich wandere die Seen entlang und suche einen Weg quer durch das Moor um zu Peter und Ralf aufschließen zu können. 

Ralf 1

Wo mag er nur sein, der Elch? Bild: EN

"You shot my moose, you shot my moose!"

Noch während ich suche und mich immer wieder an den herrlichen Farben erfreue, ertönen kurz hintereinander vier Schüsse. Ob das Peter und Ralf waren? Gespannt verharre ich und warte auf das erlösende Telefonsignal. Ich brauche mich nicht lange zu gedulden schon ertönt es und Ralf verkündet die frohe Botschaft: „Kuh und Kalb, ich bin so glücklich“. Peter nimmt ihm den Hörer aus der Hand und ruft: Hol den Anhänger und den Quad, das wird noch dauern, wir sind ungefähr fünfhundert Meter von der Straße entfernt.“ Ich hole Bernd und gemeinsam machen wir uns auf den Weg. Um zur Abschußstelle zu kommen müssen wir aber das ganze Revier großräumig umfahren, da kommen wir auch bei der Stelle vorbei, wo das Nachbarjagdgemeinschaft soeben dabei ist, zwei Riesenbullen zu zerwirken und ich finde es schade, dass wir keine Zeit haben stehen zu bleiben und das Geschehen aus der Nähe zu verfolgen. Alle fünfzehn Mann sind hart am Arbeiten und jeder weiß, was er zu tun hat. Es ist schon toll, wenn man sieht, was jahrelange Erfahrung und Übung beitragen können um eine Arbeit zum Spaß werden und das Gemeinschaftsgefühl zu fördern. Solche Erlebnisse schweißen eine Jagdgemeinschaft zusammen und fördern den Zusammenhalt mehr als jedes Motivationsseminar es je tun kann.

  
Doch wir müssen weiter, Peter und Ralf warten und der Tag neigt sich dem Ende zu. Noch dazu ist Freitag und wer weiß, wie lang der Schlachthof geöffnet hat. Zum Glück erfahre ich bei einem Kontrollanruf, dass es eine Art Notdienst gibt, sodass man nur anzurufen braucht und dann kommt ein Mitarbeiter und nimmt sich des erlegten Tieres an. Der Weg führt am See Stenträsket vorbei, wo Per und Hans-Werner letzte Woche ihren Hund wiedergefunden haben und von dem Hans Werner ganz begeistert war. Ich kann ihn verstehen, denn der Campingplatz liegt ganz malerisch direkt am Ufer des riesigen Sees und bis auf ein paar Wohnwägen scheint hier nicht viel los zu sein. Wir fahren noch ungefähr fünfzehn Minuten den Forstweg entlang und kommen an die Stelle wo wir Peters Auto sehen. Der Vorteil dieser Forststrassen ist, dass hier die riesigen Holztransporter umdrehen müssen und daher genug Platz ist, dass auch ein ungeübter Lenker wie ich mit dem Hänger problemlos wenden kann. Peter wartet schon, damit um den Quad zu holen und braust davon, indem er uns nur kurz anzeigt, in welche Richtung wir ihm folgen sollen.

Der Weg führt zuerst über einen Kahlschlag und dann in einen dicht verwachsenen Jungwald der dann immer sumpfiger wird und von kleinen Bachläufen durchzogen ist. Wie wollen wir nur hier die Elche durch dieses Dickicht rauskriegen frage ich mich. Als wir uns bis zur Abschusstelle durchgekämpft haben sind wir Schweiß gebadet. Ralf steht glückselig vor seinem geschossenen Stück und hat bereits den obligaten Fichtenzweig am Hut.

Bild: Ralf und Peter und Elch
BU: Hundeführer Peter (re) gratuliert Ralf zu seinem ersten Elch. Bild: B.Steinecker

"Weidmannsheil, Weidmannsdank" tönt es und wir schütteln ihm die Hand zu seinem ersten Elch. Ein stattliches Tier und gut getroffen, ein paar Meter weiter liegt das Kalb. Peter schmunzelt, als er uns erzählt wie Ralf geglaubt hat er habe ebenfalls auf die Kuh gefeuert als er das Kalb erlegt hat. „Ralf hat sich ganz empört umgedreht und außer sich gerufen: ´You shot my moose, you shot my moose´, und hat sich erst beruhigt als ich ihm das Kalb gezeigt habe“ grinst er.

Champagner oder doch lieber "Kaffekask"?


Doch jetzt heißt es arbeiten. Die Tiere sind zwar schon aufgebrochen, dummerweise haben wir aber keinen Plastiksack mit für Herz, Nieren und Leber, daher bleiben die Sachen zurück. Zuerst wollen wir die Kuh da rausholen. Aber wie? Suchend blickt sich Peter um. Dann startet er seinen Quad und gibt Vollgas, doch schon beim ersten Baumstumpf bleibt er stecken. Auch ich versuche einen guten Weg zu finden und bewege mich hin zu einer Öffnung im Dickicht hinter dem ich eine offene  Lichtung vermute. Ich sollte mich nicht getäuscht haben, denn hier geht es wirklich bis hinauf zur Kuppe eigentlich problemlos dahin. Doch oben wartet bereits die nächste unangenehme Überraschung. Die Forststraße wo der Anhänger steht, liegt noch weit entfernt und bis dorthin ist ein Moor zu überwinden. Auch das scheint möglich, erst bei einem Bachlauf ist der Transport vorerst einmal zu Ende. Da heißt es anpacken und mit vereinten Kräften und einem heiß gelaufenen Motor überwinden wir auch dieses Hindernis. Aber jetzt läuft alles wie geplant und schon nach kurzer Zeit liegt die Kuh wohlverwahrt auf dem Hänger. „Jetzt noch das Kalb, dann haben wir gewonnen“, tönt Peter zuversichtlich. Gesagt getan. Noch vor Einbruch der Dunkelheit bin ich auf dem Weg nach Harads während die anderen drei Jäger das Elchsteak von Kurt und die Flasche Sekt Marke Freixenet genießen, die zur Feier des Festes geöffnet wird. Peter will später dazukommen wenn er sein Kalb zerwirkt hat.

Nach drei Stunden komme ich zurück und da sitzen alle bereits leicht angeheitert um den Tisch. Peter hat es sich nicht nehmen lassen und einen Kanister „Hembränt“, also selbstgebrannten Schnaps mitgebracht, denn er will Bernd und Ralf unbedingt in die Geheimnisse des nordischen Alkoholkonsums einführen. „Wie? Ihr wisst nicht, was Kaffekask ist?“ hatte er am Nachmittag ganz erstaunt gefragt, „so eine Wissenslücke gehört sofort behoben“. Das Geheimnis dieses mörderischen Getränks? Man nehme eine Kaffeetasse, lege ein Stück Würfelzucker hinein und fülle Kaffee nach bis der Zucker nicht mehr zu sehen ist. Dann nehme man die Schnapsflasche zur Hand und schütte, bis der Zucker wieder zu sehen ist. Dann leere man die Tasse auf einen Zug. Bei meiner Rückkehr haben die drei sage und schreibe den ganzen Kanister geleert und sind dementsprechend gut aufgelegt.

Aber was soll´s, heute ist letzter Abend und da darf man sich schon ein bisschen was hinter die Binde kippen. Ich freue mich mit Peter, Ralf und Bernd über eine gelungene Woche und so lassen wir den Abend vereint am Kaminfeuer ausklingen. Bernd bringt die Woche auf den Punkt: „Hätte nie gedacht dass eine Elchjagd so lustig sein kann.“ „Ich habe meinen ersten Elch geschossen und meinen ersten Fisch gefangen. Kann es denn besser sein?“ schließt sich Ralf an.

Auch ich bin mit dem Erfolg der beiden Jagdwochen im Großen und Ganzen zufrieden. Ich habe einen Einblick bekommen, was es mit der Elchjagd auf sich hat und kann die Menschen hier heroben im Norden verstehen, dass sie das Jahr in die Zeit vor der Elchjagd und nach der Elchjagd einteilen. Mit der Jagd als eindeutigem Höhepunkt des Jahresablaufs dazwischen
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Bernd und Ralf

In der Mittagspause ist gut ruhen.

 

Drei Jäger

Letzte Rast bevor Ralf (Mitte) seinen ersten Elch erlegt. Bild: B. Steinecker

 



Last Updated: Montag, 30. September 2013
Copyright 1999-2013 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 

 





 

 

 

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