Wandern
in Südschweden
Vittsjö/Schonen
Auf
dem Schonen Weitwanderpfad
Konfuzius
hat einmal gesagt: "Tu was dir Spass macht und du brauchst
dein Leben lang nicht zu arbeiten". Dieser Ausspruch geht mir
durch den Kopf, als ich die letzten Meter auf dem Schonen-Weitwanderpfad
zum Vittsee hinuntergehe. Es ist zehn Uhr am Abend und die Strahlen
der untergehenden Sonne tauchen den Vittsee in ein blutrotes Licht.
Ein kleiner Sandstrand lädt zum Verweilen, doch ich möchte
gern noch ein Stück weiterkommen. Vom Strand verläuft
ein kleiner Pfad den Hang hinauf und oben sehe ich bereits wieder
die altbekannte orangenfarbene Markierung des Skåneleden.
Ich befinde mich auf "Ubbalt", einer Halbinsel, die in
den See hinausragt.
Vor vielen jahren hat einmal eine ältere schwedische Dame im
Brustton der Überzeugung zu mir gesagt: "Der schwedische
Sommer ist einmalig, es gibt nichts schöneres". Damals
habe ich mich halb geärgert und war auch ein wenig amüsiert
über so viel herzlichen Chauvinismus.
Heute bin ich selber schon so weit, den Sommer in Schweden mit Superlativen
zu versehen. Habe ich schon zu lang hier gewohnt? Oder weiss man
mit zunehmendem Alter die landschaftlichen Schönheiten und
die Stille der Natur einfach mehr zu schätzen?
Beides mag stimmen, so viel weiss ich auf alle Fälle: An einem
Tag wie heute will ich nicht für viel Geld woanders sein als
gerade hier. Die Luft ist erfüllt vom würzigen Duft der
Lupinen, die in den herrlichsten Farben von blutrot über violett
bis blassblau, orange und weiss den Weg säumen.
Die Buchen halten ein schützendes Blätterdach über
dem einsamen Wanderer ausgebreitet, die Waldvögel singen was
das Zeug hält und sogar die Fische scheinen übermütig
zu sein. Immer wieder springen sie auf der Jagd aus dem Wasser und
landen mit einem lauten "Platsch" wieder auf der Oberfläche.
Ich bin allein in weiter Flur, das heisst, Tuffy läuft vor
mir her wie ein junger Hund, vergisst ganz darauf, seine Würde
zu zeigen, sondern schnüffelt mal hier, dann da und ist in
seinem Eifer nur zu bremsen, wenn er eine fremde Witterung aufnimmt
und zur Statue erstarrt.
Es
ist schwül, trotz der späten Stunde hat es nicht abgekühlt.
Auch die Gelsen sind noch nicht müde, sondern stürzen
sich sofort auf mich, wenn ich innehalte, um eine Blume genauer
zu untersuchen oder wenn Tuffy irgendeinen besonders interessanten
Grashalm genau beschnüffelt.
Ich komme bei einer Übernachtungshütte des Skåneleden
vorbei. Der Windverschlag ist leer aber in gutem Zustand. Der Holzvorrat
ist frisch gefüllt und die Feuerstellen zeugen von fleissigem
Gebrauch.
Wasser wird direkt aus dem Brunnen geholt. Doch wie wohl? Der Deckel
ist mit einem riesigen Vorhängeschloss versehen. Ratlos umrunde
ich den vielleicht eineinhalb Meter starken Brunnenschacht. Da,
was ist denn das? Zwei Röhren von vielleicht einem halben Zentimeter
Durchmesser sind in den Betonzylinder des Brunnenschachtes eingelassen,
eines ist aus Messing, das andere aus Plastik.
Des Rätsels Lösung offenbart sich alsbald. Mit blauer
Farbe und in fetten Druckbuchstaben hat eine freundliche Hand hingemalt:
"Tryck" also "drücken". Der Pfeil daneben
deutet auf das Messingröhrchen. Ich drücke probeweise
drauf und siehe da, aus dem Plastikröhrechen schiesst ein Wasserstrahl,
dem neugierigen Tuffy genau auf die Schnauze. Mit einem überraschten
"Wuff" springt er zur Seite. Ab jetzt wird er den Brunnen
vornehm übersehen.
Gern würde ich ein Feuer entfachen und ein paaar Stunden hier
verbringen. Statt dessen spaziere ich zum Strand, wo die Bäume
ihre Äste weit über die Wasserfläche hinaushalten.
Direkt am Strand blüht eine Gruppe Wasserlilien. Gelbe Blüten
öffnen sich auf langen Stielen und bilden einen interessanten
Kontrast zum immer noch blauen Himmel.
Tuffy hält nichts vom Blumenschauen, sondern verfolgt eine
Spur. Wie immer, wenn er eifrig wird, ist er kaum zu bändigen.
Wohl oder übel muss ich mich ihm anschliessen. Wie die wilde
Fahrt sausen wir über die Wurzeln und ich muss mich voll konzentrieren,
um nicht zu stolpern.
Zum Glück hält der Eifer von Tuffy nie sehr lang an, das
hat er mit seinem Herrchen gemeinsam, wahrscheinlich vertragen wir
uns deshalb so gut. Schon bleibt er wie angewurzelt stehen, überlegt
kurz und beschliesst, dem Baum am Wegesrand seine ganze Aufmerksamkeit
zu schenken, anstatt wie die wilde Jagd durch den Wald zu rasen.
Ich wische mir den Schweiss von der Stirn und spähe über
den See, ob nicht irgendwo ein Kanu zu entdecken ist. Nichts zu
sehen. Ausser mir scheint die Welt von Menschen verlassen. Nur ein
Fischadler zieht majestätisch hoch über mir seine Kreise,
ehe er sich auf einer hohen Föhre einer Insel niederlässt.
Der See dürfte nicht sehr tief sein, denn zwischen den Inseln
ragen immer wieder Felsen aus dem Wasser.
Weiter führt uns der Weg den See entlang, kleine Hügeln
rauf und runter, doch der Pfad ist breit und gut ausgetreten. Kein
Problem, sich hier zurechtzufinden. Und wirklich leicht zu gehen.
Für heute habe ich genug getan, auch Tuffy zieht bei jedem
kleinen Steig, der vom Hauptpfad abzweigt, nach rechts. Er möchte
zurück. Ich auch. Endlich gabelt sich der Weg, der Skåneleden
verschwindet landeinwärts, während wir noch ungefähr
fünfzig Meter weit den Strand entlanggehen und dann der gelben
Markierung folgen und auf einem alten Karrenweg wieder Richtung
Vittsjö zurückwandern. Genau zum Einbruch der Dunkelheit
um halb zwölf nähern wir uns den Villen von Vittsjö.
Vittsjö Camping,
280 22 Vittsjö
Tel:
+46 451 224 89
Last
Updated: Freitag, 14. Oktober 2011
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