Ringsee/Schonen
Um den östlichen Ringsee radeln
Der
Ringsee besteht eigentlich aus drei Seen: dem östlichen und
dem westlichen Ringsee sowie dem Sätoftasee. Gespeist wird
der Ringsee unter anderem vom Bach Hörbyån, der amCampingplatz
Rinsjöstrand bei Osbyholm in den östlichen Ringsee fliesst.
von
Eduard Nöstl
Wir
beginnen unsere Radrundfahrt am anderen Ende des Sees, in Snogeröd.
Gleich gegenüber dem Sportplatz des Ortes zweigt von der Strasse
Richtung Hörby ein Feldweg ab Richtung See. Diesem folgen wir
vorbei an einem langgestreckten Getreidefeld und haben nach etwa
zweihundert Metern bereits die orange Markierung des Schonenweitwanderwegs,
der ein Stück, bis Hörby, unser Begleiter sein wird.
Wir
befinden uns jetzt auf dem ehemaligen Bahndamm, als die Eisenbahn
noch von Eslöv nach Hörby geführt hat. Ein alter
Wasserturm für die immer durstigen Lokomotiven steht noch immer
malerisch gegenüber dem ehemaligen Bahnhof, der jetzt in ein
Ferienhaus umfunktioniert wurde.
Auf
diesem Bahndamm geht es problemlos bis zum Campingplatz Ringsjöstrand,
der nun wirklich alles hat, was man sich von einem Campingplatz
in Schweden erwartet: Direkt am See in einer Bucht gelegen, von
einem Schilfgürtel geschützt und an der Mündung des
Hörbybachs, wo die Kanus liegen, die hier gemietet werden können.
Auch kleine Blockhütten bieten sich an, nur merkt man ihnen
an, dass sie schon geraume Zeit ihren Dienst tun. Doch das tut der
Beliebtheit keinen Abbruch, denn der Campingplatz ist voll.
Weiter
geht es an Schloss Osbyholm vorbei, ein Renaissanceschloss, das
1678 niedergebrannt wurde, aber bald wieder aufgebaut war. Wir bleiben
auf dem Radweg und fahren durch den kleinen, malerischen Ort mit
einem kleinen Weiher mitten im Ort. Gleich dahinter kann man wählen:
entweder links auf der asphaltierten Strasse Richtung Fulltofta
oder auf dem Radweg bleiben und nach Hörby hineinfahren.
Bleibt
man auf dem Radweg muss man von Hörby Richtung Höör
auf der vielfrequentierten Strasse 13 bis zum Abzweig Fulltofta
fahren, daher empfehlen wir schon hier in Osbyholm Richtung Fulltofta
zu radeln.
Auf
der Strasse ist kaum ein Auto unterwegs und sie bleibt verkehrsarm
bis Ludvigsborg. Wir befinden uns hier auf der alten Landstrasse,
das sieht man an den Alleebäumen, zuerst uralte Eichen, dann
Buchen und dann, kurz vor Fulltofta Gård, ein gelbes Herrenhaus
in einem weitläufigen Park mit dazugehöriger schöner
Steinkirche, Kastanien. Ein paar Kilometer weiter zweigt links ein
Feldweg ab mit dem Schild Fornminne. (Gedenkstein)
Am
Wegende liegt das Gräberfeld "Grydsbacken" mit einem
"Domarring" oder Gerichtsring aus Eichen, und sechs Schiffsetzungen
aus der Jüngeren Eisenzeit (500 v.Chr. - 1050 n.Chr.). Interessant
auch die Umgebung, die bis auf ein paar Bauernhöfe ziemlich
unbeeindruckt vom Wandel der Gezeiten wirkt. So könnte Schonen
durch die Jahrhunderte hindurch ausgesehen haben.
Ludvigsborg
ist eine Sammlung Häuser mit Pflegeheimen und einer privaten
Schule. Merkwürdigerweise gibt es hier einige Anbieter von
Privatzimmern. Granliden in Ludvigsborg sieht richtig nett aus.
Vier Kilometer weiter geht es links ab zum Campingplatz Jägersbo.
Hauptsächlich für Wohnwagen und schön gelegen am
See. Viel Trubel, da hier unterm Jahr ein beliebter Tanzstadel seine
Pforten aufschlägt.
Im
See stehen zwei Ponnies bis zum Bauch im Wasser, während ihre
Reiterinnen vergnügt im Wasser planschen. Ältere Männer
fachsimpeln am Strand und Angler versuchen ihr Glück vom Steg
aus. Ein friedliches Bild eines gelungenen Sommertages, was noch
durch den Duft der Grillkoteletten unterstrichen wird, der vom offenen
Feuer herüberweht.
Fast
lückenlos schliesst sich Sätofta an. Hier entschwindet
der Ringsee, um am Nybyväg, der am Ortsende von Sätofta
links abzweigt, plötzlich wieder aufzutauchen. Rechterhand
liegen schöne alte Villen, die offensichtlich durch die Strasse
vom See getrennt sind, was aber nicht daran hindert, dass die Ufergrundstücke
allesamt privat sind und dies auch mit entsprechenden Schildern
kundgetan wird. Die Rasenflächen sind peinlich genau gepflegt
und das eine oder andere kleine Segelschiff oder Ruderboot liegt
am Pier vertäut.
Übrigens
sind wir seit Fulltofta auf dem sogenannten "Sverigeleden",
einem durch ein grünes Schild gekennzeichneten Radweg unterwegs.
Diese
beschauliche kleine Strasse mündet ganz unvermutet in die stark
frequentierte Reichsstrasse 23. Dieser folgen wir ungefähr
drei Kilometer und kommen zum Bosjökloster. Nicht daran vorbeifahren,
sondern anschauen. Es zahlt sich bestimmt aus. Und wenn nur wegen
der Blumenpracht, die hier fleissige Hände zustandegebracht
haben.
Etwa
zweihundert Meter die Strasse weiter reckt die Bosjöklostermühle,
eine alte Windmühle, ihre Flügel in den Himmel. Hier ist
ein kleiner Parkplatz gleich rechts neben der Strasse und um die
Mühle herum sind Holztische und -bänke aufgestellt und
es lässt sich völlig ungestört mit Blick über
den westlichen Ringsee die Brotzeit einnehmen. Wirklich empfehlenswert,
weil kaum jemand stehenbleibt.
Gestärkt
geht es weiter nach Gamla Boo, auch wieder so eine Ansammlung von
Häusern aus dem Bilderbuch. Linkerhand liegt eine Räucherei,
nach Überquerung des Verbindungsgewässers der beiden Ringseen
liegen zwei Gasthöfe, Ringsjövärdshus und Pension
Klinta. Dann geht es bergauf und links und rechts breiten sich Getreidefelder
aus. Der Ringsee liegt weit unten. Nach zwei Kilometern sind wir
wieder am Ausgangspunkt unserer Rundfahrt. Ungefähr vierzig
Kilometer haben wir zurückgelegt. Eine schöne Ganztagstour.
IN DER SCHWEDISCHEN TOSCANA
Es
klingt vielleicht merkwürdig, aber die beiden Seen, der östliche
und der westliche Ringsee, verbreiten unserer Meinung nach ein völlig
unterschiedliches Ambiente. Nicht allein die Grösse unterscheidet
die beiden Seen, ist der östliche Ringsee vierzig Kilometer
vom Umkreis her gesehen, so muss sich der westliche mit bescheidenen
neunzehn begnügen, nein, auch von der Ausstrahlung ist der
östliche fast protzig zu nennen, während der westliche
geradezu bescheiden wirkt.
Bosjökloster,
Fulltofta und auch die alten Villen an der Nybystrasse verleihen
dem östlichen Ringsee ein Gepräge wie die Diamanten einer
Königskrone, während der westliche bescheiden wie ein
Girardi, ein kleinbürgerlicher Strohhut auftritt. Allerdings
ein Strohhut, der schon einmal im Überschwang der Gefühle
in die Luft geworfen wird, was man bei einer Krone ja tunlichst
vermeiden wird.
Der
westliche Ringsee ist also eher etwas für die Bescheidenen,
die Kleinbürgerlichen und die Bodenständigen unter uns,
die sich an kleinen Dingen erfreuen wollen, denen ein Kuckuruzfeld
(Maisfeld), das grünsaftig daliegt, oder ein Getreidefeld mit
seinem gelben Heiligenschein ehrlicher und wichtiger erscheint als
ein allemal so schönes und wertvolles Schloss, das nur aus
Prunksucht geschmückt und herausgeputzt worden ist.
So
ist denn auch der Höhepunkt der Rundfahrt um den westlichen
Ringsee kein Schloss, sondern ein kleines Kirchlein, die Kirche
von Stehag.
Doch
wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen sondern beginnen unsere
Rundfahrt dort, wo die Strasse von Sätofta her kommend, die
Strasse 23 überquert. Da haben wir linkerhand gleich die weitgestreckten
Stallungen und Pferdekoppeln der Araberzucht und Galopprennbahn
von Blommeröd. Daran schliessen sich die Laubwälder von
Ormanäs und gleich dahinter öffnet sich das Land und linkerhand
sehen wir eine Vogelwarte, die einen schönen Blick über
den See ermöglicht.
Auf
der Brücke, wo der Rönnebach den Ringsee verlässt,
stehen zwei Buben und halten konzentriert und andächtig eine
Angel ins Wasser.
"Na, beissen die Fische?"
"Nein", nach einem kurzen Zögern "doch, einer,
ein Barsch".
Dann wenden sich die zwei Köpfe wie auf Kommando wieder ihrer
Beschäftigung zu und der neugierige Fremde ist vergessen.
Bei
Sjöholmen donnert ein X2000 vorbei, der Hochgeschwindigkeitszug
und ganze Stolz der Schwedischen Eisenbahnen, dann ändert sich
die Landschaft. Reines Bauernland tut sich auf.
Rechterhand
ein Kuckuruzfeld, dann eine scharfe Rechtskurve mit darauffolgender
ziemlicher Steigung, linkerhand ein riesiges Getreidefeld, das seine
gelben reifen Ähren bis zum Horizont erstreckt.
Stehags
Kyrkby, also Stehags Kirchdorf steht auf einem kleinen Schild,
daneben ein Kirchlein mit vielen Eintrittstoren, die alle verschlossen
scheinen. Doch eine Tür steht weit offen und wir treten ein.
Die Kirche unterscheidet sich von anderen Kirchen in Schonen durch
die Heimeligkeit - wodurch wird dieses schöne Gefühl des
Heimkommens hervorgerufen? Ist es der Altar, schön geschnitzt
und mit Heiligenbildern, die farbenprächtigen Hinterglasmalereien
der Fenster? Nein, es dürften die gastlichen Tische sein, die
im Seitenschiff aufgestellt sind.
Auf
einem Kasten hält ein holzgeschnitzter Engel Wacht und am Fenstersims
liegt eine uralte Bibel aufgeschlagen. Voller Neugier treten wir
näher: die "Höga Visan" das Hohelied ist aufgeschlagen
und beginnt "Kyssar give han mig/ kyssar av sin mun/ ty din
kärlek är mer ljuv än vin
. ("Mit Küssen
seines Mundes bedecke er mich/ Süsser als Wein ist deine Liebe/
Köstlich ist der Duft Deiner Salben/ Dein Name ist hingegossenes
Salböl/ darum lieben dich die Mädchen.)
Auf der gegenüberliegenden Wand hängt ein Brief von König
Gustaf III. Er beginnt mit den markigen Worten: "Gute Herren
und schwedische Männer!" (1772) So spricht ein echter
Herrscher seine Mitstreiter an und bringt in dieser Wortwahl die
Hochschätzung und Anerkennung des je individuellen Wertes des
einzelnen zum Ausdruck.
Draussen
vor der Tür steht ein älterer Mann und fragt nach der
Vogelwarte. Dann sieht er uns fragend an: "Ihr seid aber keine
Schweden?" Auf unsere Auskunft woher wir kommen "Ah, Österreicher,
da war ich damals, als meine Frau noch gelebt hat. Sie müssen
wissen, mein Schwager war Direktor bei Felix und als wir da waren,
im Burgenland, haben wir in der Repräsentationswohnung der
Firma gewohnt, ja das war schön
"
Es ist immer wieder rührend, wie sehr altgediente Eheleute
aneinander hängen und welch grosse Leere das Dahinscheiden
eines Ehepartners im zurückgebliebenen hinterlässt. Es
ist, als wäre derjenige, der zurückbleiben muss, nur mehr
ein halber Mensch.
An
der Strassengabelung nicht Richtung Stehag weiterfahren, sondern
Richtung Kungshult und nach vielleicht hundert Metern gleich wieder
links Richtung Gamla Bo. Übrigens haben wir jetzt endgültig
den Sverigeleden verlassen. Dennoch breitet sich jetzt vor uns der
schönste Teil der Rundfahrt aus.
Hirse,
Roggen, Korn und Gerste - alles wächst und gedeiht und unten
im Tal lächelt der Ringsee dazu. Lärchen schwirren durch
die Luft und die Luft ist weich und duftet wie Tausende Kilometer
weiter im Süden. Ich war nie in der Toscana, aber so muss es
wohl dort sein. Rechterhand taucht ein altes Gebäude auf: "Källeberga
Skola" steht mit grossen Lettern drauf.
Heute
ist die Schule wohl ein Ferienhaus und keiner denkt mehr an die
Kinder, die hier das Einmaleins gelernt haben. Weiter
geht es ganz gemütlich vorbei an Obstgärten, wo die Zeit
stillzustehen scheint. Alte Männer sitzen unter dem Apfelbaum
und strahlen alle Ruhe dieser Welt aus, wenn sie sich gemessenen
Tones, würdig und sichtlich wohlgefällig unterhalten.
Alte Männer bei der Unterhaltung zu beobachten, ist immer wieder
ein angenehmes Schauspiel.
Da
haben diese Patriarchen ihr Leben lang gekämpft, sich abgeplagt
und einander betrogen wo sie nur konnten um des kleinsten Vorteils
willen und jetzt im Alter ist das alles auf einmal nicht mehr wichtig,
sondern wird relativiert von so naheliegenden Dingen wie, ob die
Äpfel wachsen und die Rosen blühen. Schlussendlich ist
die richtige Relation der Wertigkeiten im Leben hergestellt.
Damit
sind wir auch schon wieder auf der 23-er und jetzt ist keine Zeit
mehr für philosophische Gedanken, sondern es gilt, die Haut
zu retten, denn als Radfahrer hat man auf dieser Fahrt einen schweren
Stand zwischen allen Überlandlastwagen und schnellen Autos.
Last
Updated: Donnerstag, 4. September 2008
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