Schloss
Gunnebo in Göteborg:
Architektonisches
Kleinod
der
gustavianischen Epoche
Eine
"architektonische Symphonie" wurde Gunnebo genannt und
"das besterhaltene Schloß" aus der schwedischen
neuklassizistischen Zeit, die ungefähr mit der Regierungszeit
Gustavs III. zusammenfällt und deshalb auch das gustavianische
Zeitalter genannt wird.
Von
Eduard Nöstl
Das
schraubt natürlich die Erwartungen hoch und dementsprechend
gespannt nähern wir uns Gunnebo. Wir kommen übrigens
von der E6, also der Ausfallstraße Göteborgs Richtung
Süden. Gunnebo ist gut beschildert, die Abzweigung erfolgt
in Mölndal. An der Gunnebobrücke befindet sich rechterhand
ein Parkplatz, auf dem wir das Auto stehenlassen, um uns dem Schlösschen
zu Fuß zu nähern, Eine Promenade führt den See
Stensjö entlang und linkerhand können wir die Eichen
des zum Schloß gehörenden englischen Gartens bewundern.
Nach 800 Metern liegt das Schloß vor uns.
Wie
immer, wenn es um markante Bauwerke geht, ist nicht nur das Bauwerk
an sich, sondern auch der Bauherr interessant. Bei Gunnebo handelt
es sich um einen reichen Kaufmann aus Göteborg, John Hall
den Älteren, 1735-1802, der 1778 das Gut Gunnebo von einem
gewissen af Ditmer für 12.000 Taler erwarb. John Hall erteilte
dem Göteborger Stadtarchitekten Carl Wilhelm Carlberg den
Auftrag, ihm hier eine nette Sommerresidenz zu erbauen.
Carl
Wilhelm Carlberg, der eben erst von einer fünfjährigen
Studienreise aus Italien zurückgekehrt war, hatte jetzt eine
gute Gelegenheit, alles, was er auf dieser Reise an Eindrücken
gewonnen hatte, beim Bau des Schlosses Gunnebo einfließen
zu lassen. Wie gewissenhaft der Architekt vorging, läßt
sich daraus absehen, daß es ganze zwanzig Jahre dauerte,
ehe John Hall erstmals hier übernachten konnte. Aber dafür
wurde das Schlösschen auch ein architektonischer Leckerbissen,
oder wie das der schöngeistige schwedische Bildhauer Johan
Tobias Sergel (nach ihm ist der Sergels Platz in Stockholm benannt)
ausdrückte: "Die Architektur gleicht reiner Poesie -
ein äußerst charmanter Bau ... ich fühle mich
nach Frescati oder Tivoli versetzt".
Nach
so viel Vorschußlorbeeren wollen wir jetzt selbst einen
Blick auf das Bauwerk werfen. Wir nähern uns Gunnebo vom
Süden her, vom Apollo Hügel, und wirklich nimmt sich
das Schlösschen von hier aus wie ein Traum aus Zuckerwatte.
Nicht zuletzt durch die unschuldige weiße Farbe und die
weiße Balustrade der Treppen, die beiderseits auf den Balkon
führen, über dem ein bemerkenswertes Bleirelief, das
ebenfalls weiß bemalt ist, um den Eindruck von Marmor zu
erwecken, noch gefördert wird.
Im
Inneren sind vor allem die Stuckarbeiten des italienischen Künstlers
Giaccino Frulli, die Originalstühle, die ebenso wie die Kachelöfen
von Carl Wilhelm Carlberg konstruiert wurden, interessant, sowie
die Tatsache, daß, obwohl die meisten Möbel im Laufe
der Zeit und vor allem nach dem Konkurs Johan Hall des Jüngeren
auf Auktionen versteigert wurden, diese von der rührigen
Leitung der heutigen Schloßverwaltung wieder zurückgekauft
werden konnten.
Gerade
ist der Name John Hall des Jüngeren gefallen. Dies führt
uns zu einer der unfaßbaren aber gerechten Ironien des Schicksals,
wenn die Talente so verschieden verteilt werden wie hier im Falle
von Vater und Sohn Hall. War der Vater vor allem ein ausgefuchster
Kaufmann, der zu seiner Zeit einer der reichsten Männer des
schwedischen Reiches war, so verlor sein künstlerisch begabter
Sohn John Hall der Jüngere innerhalb kürzester Zeit
das gesamte Erbe. Daraufhin liess sich seine Frau Constance Koskull
scheiden. Johann Hall starb völlig verarmt und verspottet
in den Straßen Stockholms. Dennoch fehlte es John Hall dem
Jüngeren nicht an Talent. Das beweisen seine Skizzen, die
im dritten Stockwerk von Gunnebo an der Wand hängen.
Gunnebo
hat 25 Räume, zu besichtigen sind die Salons, die Schlafzimmer
John Halls und seiner Gemahlin, sowie die Kinderzimmer. Zu beachten
die kleinen Betten, die so gar nichts prachtvolles an sich haben.
Im großen und ganzen besticht die Einrichtung durch ihre
klassizistische Einfachheit.
Gunnebo
wird bei all jenen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, die
sich für die schwedische Kultur interessieren. Dabei ist
Gunnebo, oder "das kleine Versailles", wie es Lars Sjöberg
genannt hat, sicher ein guter Leitfaden. Nicht zuletzt wegen der
perfekten Abstimmung von und der Anpassung der Architektur an
die umliegende Natur.