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Extraausgabe!

Tragisches Kanuunglück am Virihauresee

ÅrrenjarkaAlf D., 58, und Jan Sch., 35, beide aus Hamburg, wollten mit dem Kajak die Jaurekaskastromschnellen zwischen Virihaure und Vastenjaure (Padjelanta Nationalpark) bezwingen. Leider endete das Abenteuer für Alf D. mit dem Tode. Der Virihaure ist ein grosser See mit einer Wasserfläche von 108 Quadratkilometern und einer grössten Tiefe von 135 Meter. Virihaure bedeutet Wirbelsee auf samisch und diese Bezeichnung lässt bereits erste Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit des Sees zu.

von Eduard Nöstl


Die beiden deutschen Urlauber starteten ihre Tour in Staloluokta. Kurz nach der Einfahrt in den Jaurekaskafors kenterte das leichte Boot und die beiden Deutschen wurden ins Wasser geschleudert. Die Strömung war so stark, dass sie sich nicht ans Ufer retten konnten, sondern hilflos von der Strömung mitgerissen. Hier sah Jan Sch. Alf D. zum letzten Mal.

Jan Sch. wurde von den Wellen ans Land gespült. Er suchte seinen Kameraden, konnte ihn aber nicht finden und stürzte sich nochmals in die Wassermassen um auf die andere Seite des Flusses zu kommen, denn dort stand das Zelt.

Am nächsten Tag lief Jan Sch. so schnell er konnte ins dreissig Kilometer weit entfernte norwegische Fauske, wo er bei der Polizei um Hilfe bat.
Doch vergebens. Von Alf D. fehlt weiterhin jede Spur.

Herbst als ideale Tourenzeit

Wie gesagt, der Herbst ist nun einmal die beste und auch bevorzugte Wanderzeit - egal ob in den Alpen oder in den Rocky Mountains und auch in Lappland ist bei Schönwetter sicher das Naturerlebnis am beeindruckendsten, wenn die Birken und andere Laubbäume und Gräser und Sträucher in zig Farbkombinationen erstrahlen.

Das Laub der Bäume spielt alle Farbschattierungen von gelb bis karmesinrot, die Wanderwege und Hütten sind leer bis auf vereinzelte, meist deutsche Wanderer, die eben diese Einsamkeit suchen und das Wetter kann im Herbst oft mit längeren stabilen Schönwetterperioden aufwarten.

Ideale Voraussetzungen also. Auch Kanufahrten lassen sich jetzt immer noch durchführen und wir hatten eben für diese Woche einen Bericht von einer sehr schönen Dreitagestour im Åmanseengebiet bei Vindeln/Åmsele geplant, verschieben diesen Beitrag aber auf nächste Woche, um den tragischen Todesfall als Anlass zu nehmen, die Bedingungen und die Vorbereitungen für einen Tour in Nordschweden einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wir wollen die Fragezeichen noch einmal Revue passieren lassen:

1. Erste Paddeltour in Schweden und gleich in Lappland. Bevor eine derartig schwierige Tour geplant wird, sollten unbedingt einige andere Paddeltouren im Norden unternommen werden, um die Weite des Landes und das völlige Ausgesetztsein und die bei notwendig werdender Hilfestellung unvorstellbar grossen Abstände von hundert Kilometern und mehr hautnah zu spüren. Auch wenn Hubschrauber zur Verfügung stehen - die Wetterbedingungen sind nicht immer dergestalt, dass Hubschrauber auch wirklich starten können.


2. Der Virihaure ist ein bekannt schwieriger und gefährlicher See, den die einheimischen Samen nicht einmal mit ihren Booten gern befahren, das sie aus Erfahrung wissen, dass der See in kürzester Zeit hohe Wellen werfen kann und bei plötzlich einfallendem Nebel oder Schlechtwetter die Orientierung sehr schwierig wird. Der Jaurekaskafors ist bei optimalen Bedingungen nicht zu empfehlen, Neueinsteigern aber ist davon überhaupt dringend abzuraten.


3. Mangelnde Information. Der Informationsnotstand, der für weite Gebiete Schwedens und vor allem Lapplands immer noch existiert, und den wir mit unserem Schweden Outback e-zine wenigstens in Ansätzen lindern wollen, kann, wie uns dieses Beispiel zeigt, lebensgefährlich werden - ausser ein paar Wegbeschreibungen sind die Informationen dürftigst und ohne die Landessprache zu beherrschen, wird man sich auch mit dem Einholen von Informationen vor Ort schwer tun. Auch die Einheimischen, sprich Lappen (Samen), können sich oft gar nicht vorstellen, wie dreist sich Touristen mit den Gefahren spielen.

Hätte dieses Unglück vermieden werden können? Es steht mir nicht zu, die Leistung der beiden Urlauber zu beurteilen. Es geht eher darum, derartige Unglücksfälle in Zukunft zu vermeiden. Daher will ich nur feststellen, dass, hätte mich jemand gefragt ob das Befahren des Jaurekaskaforsen überhaupt möglich ist, diese Frage verneint und dringendst vor jedem Versuch diesen Fluss zu befahren gewarnt hätte.

Was erwartet mich in Lappland?

Warum ignorieren viele Menschen diese eindringlichen Warnungen? Viele Leute, die nach Nordschweden kommen, haben wenig bis keine Ahnung, von dem, was sie hier erwartet. In Lappland und speziell im Sarek oder im Padjelanta Nationalpark bist du allein, jede Hilfe ist mehrere Tagesmärsche weit weg, und, wie man aus diesem Beispiel ersehen kann, oft nur ausreichend, den Tod des Verunglückten festzustellen.

Je später in der Saison desto gefährlicher wird die Tour. Ein Blick in die Hüttenbücher ist recht aufschlussreich: Sind im traditionellen Ferienmonat der Schweden, im Juli, die Besucher zu achtzig Prozent dem Gastland zuzurechnen, so ändert sich das Verhältnis mit Voranschreiten der Saison zugunsten einer verstärkten Präsenz der deutschen Urlauber. Im September kamen neunzig Prozent der Besucher des Padjelanta Nationalparks aus Deutschland!

Beispiel 1: Aus Erfahrung klug

Im Juni habe ich auf einer meiner Nordlandfahrten einen deutschen Kanufahrer getroffen, der gerade zum Inarisee in Finnland unterwegs war, wo er drei Monate paddeln wollte. Im Zuge dieses Gesprächs erzählte mir der etwa sechzigjährige Mann von einem früheren Abenteuer auf dem Emfluss in Nordschweden, als er nach einer langen Paddeltour auf dem Fluss die Weisung des Führers eine Stromschnelle zu umgehen wohl gesehen hatte, aber ignorierte, weil er sich einfach zu müde fühlte und zu nahe dem Ziel wähnte.

Es wird schon gut gehen, war sein Gedanke. Es ging nicht gut. Mitten im Fluss fuhr er auf einen Felsen auf, das Kanu legte sich wie ein Ring um den Felsen, alles Gepäck fiel ins Wasser und er selber rettete sich nur unter grössten Mühen ans Ufer.

Der Mann hat aus diesem Unfall gelernt: Er hält sich fortan streng an die Angaben in den Führern und ist er einmal im Zweifel so geht er auf Nummer Sicher und zieht lieber sein Kanu hundert Meter zuviel an Stromschnellen vorbei als einen zu wenig.

Beispiel 2: Spontaner Einfälle können gefährlich werden

Auch der wohlwollendste Veranstalter kann spontane Einfälle seiner Gäste nicht vorausahnen. Anlässlich einer Pressereise nach Lappland im Februar stand auch ein Saunabesuch auf dem Programm. Die Sauna war am Ufer des Vindelflusses aufgebaut. Der Vindelfluss ist einer der wenigen ungezähmten Flüsse Schwedens und für seine Stromschnellen bekannt.

So war denn auch das Wasser in der Flussmitte nicht gefroren, sondern sprudelte lustig dahin. Als sich nach dem Saunabesuch alle im Schnee wälzten um sich abzukühlen, fiel einem Mitarbeiter eines führenden deutschen Freiluftmagazins das fliessende Wasser des Flusses ins Auge und er joggte fröhlich drauflos.

Fünfzig Meter waren es ungefähr bis in die Flussmitte. Als den Gastgebern klar wurde, was der Mann beabsichtigte, stieg das Grausen in ihre Augen. Sie sahen den Mann bereits tot und für sich die denkbar schlimmsten Überschriften in den deutschen Zeitungen: "Deutscher Journalist findet unrühmlichen Tod nach Saunabesuch in Nordschweden" oder etwas ähnliches.

Auch ich gab für das Leben des Mannes, der sich elegant von der Kante des Eises in den Fluss warf, nicht mehr viel. Ein Raunen ging durch die Reihen, als der Mann nach einigen Minuten wieder auftauchte und sich aus den eisigen Wassern des Flusses zog. Noch einmal gut gegangen, mochten sich die Veranstalter gedacht haben.

Das Problem bleibt aber bestehen: Man kann, gerade wenn man mit den Gefahren der Wildnis vertraut ist, nicht jede abstruse und absurde Idee der Besucher vorausahnen und so verhindern und im Keim ersticken. Daher muss sich jeder schon bei der Planung seiner Reise nach Lappland vor Augen halten, welche Gefahren er im Begriffe ist, einzugehen.

Beispiel 3: Verantwortung liegt immer bei dir selber

Bei meinem letzten Besuch des Padjelanta Wanderpfads, der zufällig zur gleichen Zeit stattfand wie oben erwähntes Unglück, waren bereits die Fähren über den Änonjalme Stausee eingestellt. Ein samischer Fischer nimmt halboffiziell die Gelegenheit wahr, sich ein paar Kronen dazuzuverdienen, indem er die Wanderer ans andere Ufer bringt.

Er kam in einer Nusschale daher, hatte keine Schwimmwesten dabei und bat mich, weil dichtester Nebel herrschte, den Kompass hervorzuholen und ihm für die zwanzigminütige (!) Überquerung des Sees die Richtung anzugeben! Auf solche Leute wollen Sie sich als Urlaubsgast verlassen?????

(Zwei schwedische Wanderer, die im gleichen Bus von Gällivare nach Ritsem sassen, warnten mich vor jenem Fährmann und hatten aus Sicherheitsgründen einen Hubschrauber bestellt . Kostenrelation: SEK 350.- zu SEK 2.500.-).


Auf wen kann ich mich eigentlich verlassen?

Ebenso wie die Canyoningunfälle gezeigt haben, dass man sich einfach nicht auf das Urteil der einheimischen Führer verlassen kann, so wird es noch schwerer, seine völlig anderen Vorstellungen, die man als Deutscher nun einmal von Lappland hat, im Kopf eines unbedarften Einheimischen, der sowieso alle Wanderer, die nach dem Juli in die Wildnis gehen, für leicht verrückt hält, nachvollziehen zu lassen. Das geht nicht. Daher fällt also die Alternative oder die Ausrede vor sich selber, ich werde mich an Ort und Stelle beraten lassen, ins Wasser.

Noch einmal. Ich bin der letzte, der unken will. Ich lebe schliesslich und endlich davon, dass Urlauber hierher nach Nordschweden kommen. Aber ich sehe nicht ein, dass man nur um eines Abenteuers willen das Leben riskieren muss. Also - verlassen kannst du dich nur auf dich selber, auf dein eigenes Urteil und auf die Fähigkeit, auch einmal nein sagen zu können.

Training in Südschweden

Ich möchte daher allen Abenteurer und Urlauber vorschlagen, sich vor ihrem Trip genau zu informieren - am besten bei Leuten, die sich bei Ihrer Denkungsart ebenso auskennen wie bei den Gegebenheiten Lapplands. Des weiteren möchte ich Sie bitten, die ersten Wanderungen/Kanutouren im Süden Schwedens unter gesicherten Formen durchzuführen - auch hier kann einem in den Weiten des Waldes angst und bang werden, glauben Sie mir.

Erst nach mindestens fünf Wanderungen in Süd- bzw. Mittelschweden und dem wirklichen Beherrschen von Karte und Kompass macht eine Wanderung in Nordschweden Sinn und kann auch Freude bringen. Und auch da nur bei ausreichendem Training.

Ich möchte keinem die Freude an einem Urlaub in Lappland verderben, aber allzu oft hat sich gezeigt, dass die Freude sehr bald in Leid umschlägt, wenn nur eine Ingredienz eines erfolgreichen Urlaubs: Ausrüstung, Wetter, Kondition, mentale Einstellung, Karten- und Kompasskenntnisse, nicht den Gegebenheiten angepasst sind bzw. standhalten können.

Differenzierte Einstellung zum Naturerleben

Noch ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail sei erwähnt, zeigt es doch sehr schön die Unterschiede der einzelnen Völker auf:

Die schwedischen Wanderwege in den Tälern der Gebirge sind zum Grossteil vorbildlich angelegt, mit Bohlen gesichert etc.

Die Gipfel der Berge aber sind oft sehr schlecht zu ersteigen und die Pfade dort hinauf nur in den seltensten Fällen für den Mitteleuropäer zu finden. Warum?

Wir sind es gewohnt, einen Gipfel in Serpentinen zu ersteigen. Daher halten wir auch nach Pfaden Ausschau, die in Serpentinen angelegt sind.

In Schweden marschiert man geradewegs auf den Gipfel los. Das ist beim Helags so, beim Kebnekaise oder auch beim Sytertoppen. (Drei der beliebtesten Gipfel Schwedens).

Diese offensichtliche Diskrepanz in der Auffassung ist ganz natürlich erklärbar: Schweden gehen in die Natur um zu geniessen, sie gehen in Stiefeln, die sowieso jede Gipfelersteigung illusorisch machen, aber zum Furten der Flüsse ideal sind.

Gipfelbesteigungen werden nur in den allerseltensten Fällen und nur von besonders gut vorbereiteten und meist jugendlichen "Heisspornen" bei optimalen Bedingungen durchgeführt. Diese sind meist sowohl von der Kondition als auch vom Willen beseelt, den Gipfel so schnell wie möglich zu "absolvieren". Daher der direkte Anstieg.

Konträre Anschauung des Wanderns

Mitteleuropäer gehen in Bergschuhen und sehen die Talwanderungen oft nur als Transportstrecken eben zu den Gipfeln der Berge an.

Also handelt es sich hier offensichtlich um eine diametral entgegengesetzte Anschauung des gleichen Naturerlebnisses, die aber signifikant für Ausrüstung, Einstellung und wohl auch die Durchführung und das Gelingen der Tour ist.

Der Schwede geniesst im Tal, es würde ihm nicht einmal im Traum einfallen, einen Gipfel zu erklimmen. Er lässt sich Zeit, um "sein" Land kennenzulernen und sich wohl zu fühlen. Er hat eine total entspannte Art die Natur zu erleben.

Der Mitteleuropäer glaubt oft, ein Gipfel gehört einfach "dazu". Von den Alpen ist er gewohnt, dass "in die Berge" gehen, einen Gipfel zu ersteigen heisst. Erst nach vielen Jahren Anpassung und Gewöhnung an den entspannten Lebensstil des Landes wird er die schwedische Wanderkultur verstehen lernen.

Man sollte berücksichtigen, dass der Herbst auch einen verfrühten Wintereinbruch mit sich bringen kann - und bei Höhen um die zweitausend Meter, wenn man die obligaten tausend Höhenmeter, die in diesen Breitengraden realistischerweise zu den realen Höhen dazugerechnet werden müssen, berücksichtigt, so kann sich auch im September oder Oktober bereits der Winter einstellen. Jede Tour ist in solchen Höhen immer auch ein Wagnis.

Machen Sie mit!

In diesem Sinne möchte ich diese Extraausgabe unseres Schweden outback e-zines abschliessen und möchte Sie als unsere Leser auffordern, uns von Ihren Eindrücken eines Trekking- oder Abenteuerurlaubs in Lappland oder in Schweden zu schreiben. Die besten Beiträge präsentieren wir in einem kommenden e-zine.


Last Updated: Freitag, 14.Oktober 2011
Copyright 1999-2011 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 






 

 

 

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