Unterwegs
mit dem Fahrrad in:
Årrenjarka/Lappland
KOMBINIERTE FAHRRADTOUR ZUM BRUDSLÖJAN WASSERFALL UND WEITER
NACH KVIKKJOKK
Länge:
Fahrrad: 28 km
Wanderung:
ca. 2 Stnd.
Wir befinden uns im Land der Mitternachtssonne. Vierundzwanzig Stunden
am Tag ist es hell. Um ein Uhr in der Nacht tauchen Sonnenstrahlen
die Wölkchen am Himmel in ein rosiges Licht. Es ist sommerlich
heiss und der Saggatsee, auf den wir von unserem Hüttenfenster
ausblicken, liegt spiegelblank.
Es ist merkwürdig, aber die Helligkeit verleiht eine schier
unerschöpfliche Energie. Ein paar Stunden schlaf genügen
und man erwacht ausgeruht und erquickt.
Heute wollen wir zum Wasserfall "Brudslöjan" (Brautschleier).
Wir fahren mit den Fahrrädern von Årrenjarka, das ist
samisch und bedeutet soviel wie Eichhörncheninsel auf der Strasse
Richtung Kvikkjokk zuerst nach Köpenhamn.
Die Wahl der Strasse fällt leicht, da es nur eine gibt, und
die hört in Kvikkjokk auf. Dann gibt es nur mehr Wildnis. Berge,
Flüsse, Seen. Der Königspfad verläuft von Kvikkjokk
in Richtung Norden den Sarek Nationalpark entlang, während
Richtung Westen der Padjelantaleden die Weit-Wanderer anlockt.
Die sieben Kilometer auf der Strasse radeln wir den Saggatsee entlang,
der mit dreissig Kilometer Länge und ca. zwei Kilometer Breite
zwischen den Bergen eingebettet ist.
Eine leichte Brise weht und kühlt angenehm, denn obwohl es
noch früh am Tag ist, brennt die Sonne vom Himmel. Ab Mittsommer
ist in diesen Breitengraden die beste Reisezeit. Saison ist bis
Ende August, im September beginnt bereits der Herbst.
Die
Strasse von Jokkmokk nach Kvikkjokk ist hundertvierzehn Kilometer
lang und durchgehend asphaltiert. Die letzten vierzehn Kilometer
von Årrenjarka nach Kvikkjokk gehen fast ununterbrochen am
Saggatsee entlang. Allerdings ist die Strasse nie ganz eben, sondern
sie verläuft in leichten Wellen mal rauf und dann wieder runter.
Föhren stehen rechts und links des Weges.
Zum Brautschleier
In
Köpenhamn am Rastplatz rechts der Strasse lassen wir die Fahrräder
stehen. Eine kleine Feuerstelle zeugt von früheren Besuchern.
Ein kleiner Pfad schraubt sich entlang einem Bach den Hang hinan.
Es ist feucht und dementsprechend gibt es viele Blumen: Wiesenveilchen,
Hahnenfuss, Glockenblumen. Der Weg ist gut markiert. Gleich neben
der Strasse ist immer viel Elchlosung zu sehen. Die Elche stehen
hier geschützt in den Büschen und sehen sich die Autos
an. Das zeigt wie gefährlich es ist, mit dem Auto durch die
Gegend zu rasen.
Nach zehn Minuten Steigens kommt schon der erste Blick auf den Wasserfall.
Die Wasser schiessen direkt von der Bergkante in etwa fünfhundert
Meter Entfernung herunter. Nach einer weiteren halben Stunde stehen
wir direkt unter dem Wasserfall. Er ist breit, vielleicht zwanzig
Meter, was natürlich von der Wassermenge abhängt, aber
jetzt zur Zeit der Schneeschmelze ist genug Wasser vorhanden.
Der Blick geht über den Saggatsee und bleibt auf der gegenüberliegenden
Seite an einem markanten Felsengebirge hängen. Es ist der Predigtstuhl,
ein weiteres Wanderziel für die nächsten Tage.
Hier scheint der Weg zu Ende zu sein. Denn vor uns sind nur mehr
Felsen. Erst nach einigem Suchen entdecken wir einen kleinen Steig,
der noch weiter nach oben führt. Ab hier wird die Sache anstrengend,
aber es lohnt sich, denn wir kommen doch tatsächlich bis hinauf
auf die Anhöhe, wo sich der Kådtjåjåkko über
die Kante des Tavvevaare wirft.
Durch
das viele Wasser gibt es hier auch enorm viele Blumen. Wir können
haufenweise schwedischen Hartriegel ausmachen, kleine weisse Blüten
mit dunkelblauen Stempeln, oder Silberwurz, ebenfalls klein und
weiss aber mit gelben Stempeln. Die Silberwurz ist übrigens
die Landschaftsblume Lapplands.
Wer kein Pflanzenbestimmungsbuch mit hat, dem sei "Våra
vanligaste Fjällväxter" von Pelle Holmberg und Hans
Nelsäter empfohlen. erhältlich zum Preis von SEK 195.-
im Fjällmuseum Ajtte in Jokkmokk. Darin sind nämlich auch
die deutschen Blumennamen nachzulesen.
Von
der Bergkante mit Blick über den Saggatsee und die umliegenden
Berge folgen wir dem Kådtjåjåkko ein Stück,
vielleicht hundert Meter bachaufwärts und gelangen so zu einem
Hochplateau.
Völlige
Wildnis umgibt uns. Föhren stehen wie gepflanzt in einem Kreis
mit einem Durchmesser von ca. zwanzig Metern. Die Föhren sind
allesamt abgestorben, aber sie weigern sich aufzugeben und stehen
wie eherne Zeugen einer verlorenen Zeit. Innerhalb dieses Kreises
aus Baumriesen scheint die Luft stillzustehen und vibriert, von
keinem Windhauch angetrieben.
Eine magische Aura umgibt die verwitterten Kiefern. Flechten hängen
von ihren kahlen Zweigen. Eine wurde vom Blitzschlag schraubenförmig
ihrer Rinde beraubt.
Das Rauschen des Bachs reisst uns aus der Verzauberung des Ortes.
Wir machen uns auf den Rückweg. Eine halbe Stunde später
sind wir wieder bei den Fahrrädern angelangt. Weiter geht es
nach Kvikkjokk.
IN
KVIKKJOKK
Kvikkjokk
besteht aus vielleicht zehn Häusern, einer Kirche und der STF
Jugendherberge. Der kleine Hafen ist wichtig, denn zum Padjelantaleden
muss man per Motorboot über den Tarraälven fahren. Der
Fährbetrieb verläuft zwischen dem ersten Juli und dem
einunddreissigsten August nach Schema: 9'30, 12'30, und 16'30. Auf
Wunsch auch ausserbetriebliche Fahrzeiten. Der Preis für die
Überfahrt beträgt SEK 70.-
Die Kirche stammt noch aus der Zeit, als Kvikkjokk grösser
war als Jokkmokk - diese kurze Blütezeit in der Mitte des 17.
Jahrhunderts hatte Kvikkjokk Silberfunden in den Bergen zu verdanken.
In Altavare und Kedekevare wurde Silber gefunden, ein Material,
das die schwedische Krone dringend benötigte, denn in jenem
Jahrhundert lag Schweden beinahe ständig i Krieg mit seinen
Nachbarn.
In Kvikkjokk wurde ein Schmelzwerk gebaut, das Silber wurde mit
Rentieren und Akkjas verfrachtet. Hundert Leute waren beschäftigt.
Die fertigen Silberbarren wurden sodann nach Luleå weiterbefördert.
Überraschende Begegnung mit einem Elch
Bei
der Rückfahrt aus Kvikkjokk wird uns ein merkwürdiges
Erlebnis zuteil, das vielleicht von allen, die nach Schweden gekommen
sind, um Elche zu sehen und deren Suche bisher noch nicht von Erfolg
gekrönt war, angezweifelt wird.
Doch es war genau so wie es hier zu lesen ist: Noch mitten im Ort,
dort, wo die Strasse zum Wohnmobilparkplatz abzweigt, beginnt
eine ziemliche Steigung. Da bei meinem Fahrrad die Gangschaltung
ihren Dienst immer wieder einmal verweigert, bleibe ich stehen,
steige ab, um daran herumzuwerkeln.
Aus
irgendeinem Grund drehe ich mich um und traue meinen Augen kaum:
Vielleicht drei Meter von mir entfernt ist ein Elch völlig
geräuschlos aus dem Gebüsch getreten und schaut mit interessiert
zu. Er ist nicht scheu, sondern beäugt mich genauso neugierig
wie ich
ihn. Aus dieser Nähe sehe ich erst, wie hoch diese Tiere sind.
Er überragt mich sicher um fünfzig Zentimeter. Das Tier
scheint noch jung zu sein, wahrscheinlich ein Vorjahreskalb, es
ist wohlgenährt und steht in der Blüte seiner Jugend da.
Stolz auf seine Kraft und im Bewusstsein seiner Überlegenheit
.
Ich klappe den Ständer des Fahrrads heraus, was nicht ohne
eine gewisse Geräuschentwicklung abgeht. Doch der Elch bleibt,
wo er ist.
Inzwischen haben die Hunde des grossen braunen Holzhauses auf der
anderen Strassenseite Witterung aufgenommen und bellen wie verrückt.
Der Elch schaut nur kurz in die Richtung und widmet seine Aufmerksamkeit
wieder mir und meinem Fahrrad.
Gesund sieht er aus. Die Haut spannt sich um den wohlgenährten
Leib, der Kopf ist stolz erhoben, als er zu den Hunden, seinen natürlichen,
weil gezähmten, ihrer Freiheit beraubten, zu den Feinden übergelaufenen,
Artgenossen blickt.
Stolz aufgerichtet scheint er sich seiner Freiheit bewusst zu sein.
Ich könnte auf ihn zugehen und ihn anrühren, doch ich
verwerfe den Gedanken gleich wieder. Ich finde, man sollte Tieren
in der freien Wildbahn einen gewissen Respekt erweisen. Daher beschränke
ich mich darauf, ein paar Fotos von dem Tier zu machen, und abzuwarten,
was denn nun geschieht.
Nun, es geschieht nichts, bis der Elch sich wieder darauf besinnt,
was ihn aus dem Gebüsch gelockt hat. Wahrscheinlich der Gedanke,
dass die Büsche auf der anderen Seite der Strasse besser schmecken
werden als auf seiner Seite. Daher setzt er seinen Weg fort und
beginnt an ein paar jungen Birken zu knabbern. Schon bald hat er
mich vergessen und ist voll auf sein Tun konzentriert.
Last Updated: Freitag, 14.Oktober 2011
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