Tiveden/Västra
Götaland
Bergslagsleden,
Etappe 15 Von Ramundeboda nach Gråmon
Antje
hat mich nach Ramundeboda gefahren. Es war ca. 8.30 Uhr. Wie auf
den ersten Blick zu erkennen ist, war es sehr neblig. Ich
musste noch über einen Parkplatz gehen und kam dann nach Ramundeboda.
Die Klosterruine befindet sich an einem Friedhof mit einer Kapelle.
Sie ist etwa 25 m lang und 20 m breit. Ein Zaun umgibt diesen Steinbogen,
der mit Blumen bewachsen ist. Hier haben die Brüder des Heiligen
Antonius Wanderern und Pilgern vor fünfhundert Jahren vor den
tiefen Wälder des Tiveden ein letztes Mal Gastfreundschaft
angedeihen lassen.
von
Enrico Tygör
Wir
befinden uns hier nämlich im Grenzgebiet der Svear und der
Götar und wie immer waren und sind Grenzgebiete ein gefährlicher
Boden. 1529 wurde das Kloster im Zuge der Reformation geschlossen.
Im Heimathof hemgården wird auch heute noch Kaffee
ausgeschenkt.
Der
Weg zum Höhenrücken der Kolsviksåsen reisst mich
nicht vom Stuhl, da er sich nach ca. 10 - 20 m parallel zur E20
dahinwindet. Zeitweise geht er sogar auf der E20 entlang. Laut ist
es.
Als
ich auf der Strasse dahinmarschiere, muss ich feststellen, dass
mein Schreibzeug in der Hütte auf dem Tisch liegengeblieben
ist. Zum Glück habe ich mein Handy dabei und rufe Maud auf
dem Campingplatz an. Gerade wieder auf dem Zeltplatz angekommen
fährt "Min Fru" Antje zurück, um mir dieses
absolut notwendige Utensil zu bringen.
Ein
paar Fotos von Spinnennetzen, sie sind an diesem Morgen wirklich
überall, an Ästen, Zweigen , und an den Sträuchern,
vertreiben mir bis dahin die Zeit. Der Tag beginnt wieder einmal
SUPER!
Endlich
entfernt sich der Weg von der E20. Langsam legt sich die Ruhe wie
ein Schleier auf die Wipfel der erst mannshohen Bäume. Schön,
was? Der Jungwald, den ich gerade durchquere, besteht aus Birken
und Tannen.
Jetzt
wandere ich durch jungen Kiefernwald. Plötzlich ist vor mir
eine Lichtung, wie ich später erfahre, Punkt 2 der Wegbeschreibung.
Von dem Platz gehen vier Wege sternförmig in verschiedenen
Richtungen auseinander.
Weg
1 interessiert mich nicht. Da er befahrbar ist und sicher zu einer
Strasse führt. Weg 2 ist mit dem Zeichen des Wanderwegs gekennzeichnet.
Weg 3 sieht interessant aus. Ich rutsche bergab. Die ersten Gedanken,
die mir durch den Kopf schiessen: ich komme hier nie wieder hoch!
Das
nächste Unheil naht. Es geht durch eine Wiese mit hüfthohem
Gras. Mit dem Erfolg, dass meine Hose an den Oberschenkeln total
anliegt. Feucht und klebrig. Und wozu? Ich befinde mich auf einem
breiten Fahrweg, der direkt an den See führt.
Ich
beschliesse schweren Herzens, wieder umzukehren. Die Hose wird wieder
nass, ich schleppe mich den Hang hoch und stehe keuchend auf der
Lichtung.
Vor Angst wieder im Niemandsland zu landen, traue ich mich gar nicht
Weg 4 zu gehen, aber eine innere Stimme und mein Instinkt lassen
mich diesen Weg wählen.
Ich
schlage mich ca. 50 Meter durchs Unterholz. BINGO!! Dieser Punkt
müsste sofort in die Karte aufgenommen werden. Vor mir breitet
sich ein Felsplateau aus, mit einem atemberaubenden Blick auf den
Borasee mit seinen Inseln. Die fünfzig Meter haben sich gelohnt.
Ich
stehe auf dem Kolsviksåsen. Zufrieden wandere ich weiter durch
Jungwald und Tiveden typischen Urwald.
Abwechslung bieten immer wieder kleine Bäche, die ab und zu
meinen Weg kreuzen. Die vielen Hochsitze der Jäger lassen eine
Pause verlockend erscheinen und erklettere einen davon und schaue
in die Gegend. Es tut gut, einfach dazusitzen über die Wälder
zu schauen und mit der Seele zu baumeln.
Es
ist jetzt zwölf Uhr dreissig und ich bin ca. sechs Kilometer
südlich von Amundeboda. Der Beschreibung nach müsste hier
irgendwo eine Quelle zu finden sein. Ah, da ist sie schon. Als ich
den Deckel des Brunnens hochheben, pralle ich erstaunt zurück:
Zwei grosse, hervorquellende Augen glotzen mich an.
Eine dicke, fette Kröte, hat sich hierher verirrt oder diesen
Brunnen als Ihr Heim auserkoren. Ich "befreie" sie aus
ihrer misslichen Lage. Sie starrt mich noch kurze Zeit an und dann
macht sie einen Riesensprung und weg ist sie. Der Durst ist mir
vergangen.
Ein Stück Schotterweg und dann umfängt mich wieder Tiveden
Urwald. Noch ein paar Schritte, dann kreuzt der Bach Långsmonån
den Weg. Auf einem breiten Weg lässt es leicht wandern durch
den Jungwald, der sich wohl passend für die nächste Generation
Wanderer zum typischen Tiveden Wald entwickelt haben wird.
Mitten
drinnen im Wald stosse ich auf den Altarstein, an dem der Überlieferung
nach die Mönche auf dem Weg von Ramundeboda nach Olshammar
eine Rast eingelegt haben und diese für eine Andacht nutzten.
Allerdings müssen die Mönche Riesen gewesen sein. Zumindest,
wenn man den Altarstein denn nun auch wirklich als Altar benutzt
haben sollte. Denn der Stein ist an die vier Meter hoch!
Meiner
Meinung nach und wenn die Mönche nun denn doch menschliche
Masse gehabt haben, dann wurde der kleinere Stein, der neben dem
"Altarstein" liegt, als Altar benutzt. Er ist hüfthoch
und eignet sich daher hervorragend für dergleichen Zwecke.
Frohgemut
wandere ich weiter. Es geht noch einige hundert Meter durch ein
Wirrwarr von Jungwald bis zu einer asphaltierten Strasse. Schwupp
ist sie überquert, dann noch eine kurze Zeit durch den Kråkwald
und ich sitze am Kråksee.
Ich
halte Ausschau nach den Krähen, denn Kråka bedeutet
Krähen, aber hier gibt es auch nicht mehr als sonstwo. Wahrscheinlich
alle abgeschossen.
Am Kråksee befindet sich ein grosser Unterstand mit schöner
Feuerstelle. Es ist bereits fünfzehn Uhr und ich geniesse meine
erste richtige Pause.
Ein
Traum wird wahr. Ganz alleine sitze ich am Lagerfeuer, verschlinge
ein gegrilltes Würstchen nach dem anderen und weit und breit
kein Mensch, der mir meine Würstchen streitig machen könnte.
Und dann, nach Stunden: die erste Zichte (Zigarette). Der absolute
Höhepunkt.
Ich
hatte nun 12 Kilometer hinter mir und zwölf Kilometer vor mir.
Nach einigem hin-und-her-Gerechne komme ich zum Entschluss, mich
abholen zu lassen, da ich es nie und nimmer schaffen würde,
vor Einbruch der Dunkelheit in Gråmon anzukommen.
Mein
Fazit für den ersten Tag: Der Weg ist bis auf die erste Kreuzung
am Kolviksåsen gut ausgeschildert und abwechslungsreich. Die
Wege im Wald sind gut ausgetreten und leicht begehbar.
In
den Schonungen und Jungwäldern war das Vorankommen nicht so
einfach. Sehr viele Steine und verwachsen. Sumpfige Gebiete sind
mit guten festen Stegen ausgelegt. In den Niederungen sind die Elchfliegen
(Bremsen) sehr lästig. Egal! Es war ein gutes Gefühl,
ganz allein, in einer Einsamkeit zu sein, die es in Deutschland
nie gibt und wahrscheinlich nie mehr geben wird.
DER
ZWEITE TAG
Ich
war glücklich, denn dadurch, dass ich am ersten Tag meiner
Wanderung so getrödelt hatte, war ich gezwungen, meine Abreise
um einen Tag zu verschieben. Man kann ja nicht mitten in einer Arbeit
aufhören, oder? Und durch meine Begeisterung steckte ich Antje,
meine Frau dermassen an, dass sie mitkam. Das ist auch lustig, denn
zu zweit sind wir schneller. Oder?
Wir
begannen den Tag ziemlich spät. (ca. 9.45 Uhr). Maud brachte
uns zum Ausgangspunkt, also zur Stelle, wo ich gestern abbrechen
musste. Zuvor stellten wir unseren schwedischen "Rentierschlitten",
Marke Volvo, in Gråmon ab. Los geht's!
Es
beginnt auch ganz gemütlich. Ein schöner breiter angenehmer
Weg führt direkt am Ufer des Sees entlang. Wir geniessen den
wunderschönen freien Blick auf den Kråksee.
Weiter
geht's durch Wald Typ Tiveden. Überall am Weg sind Schilder
aufgestellt, die darauf hinweisen, dass in diesem Gebiet Holzkohle
hergestellt wurde.
Wenn es diese Schilder nicht gäbe, würde man nichts von
fleissigen menschlichen Händen merken, da sich der Wald alles
wieder geholt hat. Über die Kråkseeåsen, eine Weg
über einen Höhenrücken dieses Namens, schauen wir
hinunter auf den Wald.
Die
Strecke, die wir nun zu bewältigen haben, ist die längste
zwischen zwei Fixpunkten. Überraschenderweise wird dieser Abschnitt
sehr kurzweilig, da uns ein paar "Sehenswürdigkeiten",
die nicht auf der Karte verzeichnet sind, eine willkommene Abwechslung
bereiten.
Da
ist zum Beispiel "Tjuvstenen", also der Diebstein, ein
Felsen, der etwa einhundert Meter vom Weg entfernt liegt. Es gibt
zwar ein Schild, mit Informationen, doch leider nur auf schwedisch.
Wieder zurück auf dem Bergslagsleden laufen wir eine Weile
bis zum nächsten Schild, das die Aufschrift "Grotta"
hat. Wir kämpfen uns ca. 200 m auf einem kaum sichtbaren Pfad
zu der bezeichneten Stelle.
Vor
uns befindet sich ein Berg aus zusammengewürfelten Felsen.
Die Stellen, an denen sie zusammentreffen, sind ausgehöhlt,
sodasss etliche kleine Höhlen entstanden sind, die aber nicht
begehbar sind. Dann eine grosse Erleichterung. Etwa an der Hälfte
des Wegs zwischen Kråkseeåsen und Grytsee stossen wir
auf eine kleine Feuerstelle nicht weit von einem See.
Das
erste was mir auffällt sind die wahren Müllberge, die
hier herumliegen. Wir sammeln alles ein. Allerdings ist weit und
breit kein Mülleimer zu finden, und das gilt eigentlich für
alle Rastplätze, daher nehmen wir den Abfall einfach mit.
Wir
machen ein kleines Feuer und essen unsere Brote und Würstchen.
Fünfundvierzig Minuten vergehen wie im Flug. Diese Pause verleiht
uns neue Kräfte. Frohen Mutes machen wir uns auf den Weg. Wir
wissen ja noch nicht, dass Probleme auf uns warten.
Inzwischen
ist es ein Uhr geworden. Trotzdem der Weg an sich vorbildlich ausgeschildert
ist, haben wir Schwierigkeiten, Punkt sieben zu finden. Punkt sieben
ist aber ein ganzer See, der Grytsee. Wir suchen und suchen. Nach
einiger Zeit stossen wir auf eine kleine Badebucht am Grytssee und
einigen uns darauf, dass das wohl der ominöse Punkt 7 der Karte
ist.
Im
Hochsommer muss es eine Wohltat sein, sich hier nach getaner Tat
(Wanderung) in die kühlen Fluten zu werfen. Uns ist nicht sehr
warm, daher begnügen wir uns, die Wassertemperatur anhand der
Zeigefingermethode festzustellen. Naja, angenehm kühl.
Die
letzten Kilometer nach Gråmån schreiten wir tüchtig
aus und so sind wir um halb drei am Ziel. Gråmån hat
einen Unterstand zum Übernachten und eine grosse, gemütliche
Feuerstelle. Wasser wird aus dem 60 Meter entfernten Brunnen geholt.
GESAMTFAZIT
Der
Bergslagsleden ist ein schöner, abwechslungsreicher und gut,
bis auf die Wege im Jungwald, begehbarer Weg. Die nicht ausgeschilderten
Punkte sind ja ab jetzt, also durch meine Zielstrebigkeit und meinen
nicht überbietbaren Ehrgeiz, leicht zu finden. Ach ist das
schön, so anzugeben.
Ein Tip noch: Mann sollte nicht nur auf die grossen Dinge im Wald
achten, denn es gibt auch viele kleine Details, für die es
sich lohnt, die Augen offenzuhalten.
Als
wir auf dem Zeltplatz Hadders Camping ankamen, waren wir ganz schön
geschafft, aber eine Dusche und für mich eine Zigarette und
ein Bier gaben uns die Kräfte zurück. Abends haben wir
dann mit Maud und Kjell im Kiosk gegessen. Am nächsten Tag
ist ABREISETAG. Wie immer ein trauriger Tag.
Gegend:
Tiveden, zwischen Vänern und Vätternsee
Standort:
Camping Tiveden: Baggekärr-Tived,
SE-695 97 Tived. Tel: +46 584 474 083, Fax: +46 584 474 044.
Länge:
23 km
Last
Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl
ISDN
1101-9840
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