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Wandern in Nordschweden:

NORGEFARARLEDEN/Lappland

 

Vom Klimpfjäll ins Harvastal

1.Tag: Norgefarargård - Durrental - Durrensee/Durrenhütte (unbewirtschaftet) - Durrental - Tjåkkelehütten (unbew.)
2. Tag: Ransarbach - Remtal - Landesgrenze - Harvastal Länge: 40 km (20 + 20) Rückweg: gleiche Strecke, oder Helitransport, oder Reiten vom Harvastal aus.
Höhepunkte: Blick auf den Durrenpiken im Västra Fjällfjäll, Brücke über den Ransarbach bei den Tjåkkelehütten, Wanderung durch das Remtal, Blick über die vergletscherten Berge Norwegens. Alternativen: von den Tjåkkelehütten aufs Stekenjokk (32km)
Markierung: Gut ausgetretener Wanderpfad mit oranger Markierung bzw. Andreaskreuzen.

1. Etappe: Vom Norwegenfahrerhof zu den Tjåkkelehüten

Gleich hinter dem Hof beginnt der Norwegenfahrerpfad mit einer Querung des ersten Berges. Klimpfjäll liegt auf ungefähr sechshundert Höhenmetern und der Wanderer erspart sich dadurch das mühsame Hochklettern durch Weidengestrüpp und dichtes Unterholz, das einem schon mal den Anstieg verleiden kann. Ein Schihang ist zu queren, dann befinde ich mich bereits in der Einsamkeit der Berge.

Die erste halbe Stunde geht es durch einen Buchenwald leicht bergauf. Der Weg ist breit und gut ausgetreten, ein Zeichen dafür, dass diese Strecke recht beliebt ist. Trotzdem begegnet mir ausser ein paar Archäologen, die nach samischen Fundstätten suchen, kein Mensch. Es ist wirklich so: in Schweden ist nur im Juli Ferienmonat, alle anderen elf Monate im Jahr ist man so gut wie allein unterwegs.

Nach der ersten halben Stunde bin ich bereits auf der Hochebene, die für den Rest der Wanderung bestimmend bleibt. Diese ebene Streckenführung trägt dazu bei, dass man einen guten Schnitt erreichen kann von vier Kilometern in der Stunde. Wer will, kann also die ganze Strecke in einem Tag bewältigen. (Zehn Stunden reine Gehzeit).

DurrenpikenEs sind keine Flüsse und Bäche zu furten, sondern schöne stabile Holzbrücken führen über die Bäche, es handelt sich hier um einen wirklich gut ausgebauten Wanderpfad. Schon nach zwei Stunden erweitert sich das Tal zu einem typischen Trogtal, links erhebt sich das Västra Fjällfjäll mit einer steilen Wand, und dem Durrenpiken mit 1276 Metern als höchster Erhebung. Diesen Gipfel kann man sozusagen "mitnehmen".

Ich bleibe im Tal und bin schon nach kurzer Zeit am Durrensee mit der kleinen Durrrenhütte, die, wenngleich unbewirtschaftet, einen durchaus freundlichen Eindruck macht. Irgendein deutscher Wanderer hat seine Vitaminbrausetabletten liegen gelassen. Es erstaunt mich immer wieder, wie gut ausgerüstet sich die Urlaunber in die Fremde aufmachen. Man begibt sich ja schliesslich nicht ans Ende der Welt, wenn man nach Schweden fährt, oder?

Wir befinden uns jetzt auf 796 Metern und eine steife Brise pfeift durch das Tal und setzt den Wellen des Durrensees Schaumkronen auf. In diesem Tal kann man sich richtig vorstellen, wie sich die Eismassen der letzten Eiszeit durchgewälzt haben und dem Tal sein heutiges Aussehen verliehen haben. In der Ferne blinken bereits die ersten Schneefelder zu uns herüber.

Hier begegnen mir auch einige Archäologen mit ihren merkwürdigen Stäben, die an den Seiten ausgehöhlt sind, wodurch sie beim Herausziehen aus dem Erdreich Proben mitnehmen, die dann Aufschluss geben über die Beschaffenheit des untersuchten Gebietes. Doch, sie haben schon einige Funde gemacht, bestätigen sie den Sinn ihres Werks. Die fünf kommen vom Landesmuseum Gamlia in Umeå, der Landeshauptstadt des Västerbotten mit einer sehr informativen Abteilung über die samische Kultur und Geschichte.

Am Ransarbach entlang geht es die letzten hundert Meter zu den Tjåkkelehütten, die bereits den Norwegenfahrern als Raststätten gedient haben. Es handelt sich dabei um mehrere Hütten und zwei Ställe mit Grasdach, direkt am Ransarbach gelegen, aus dem auch das Wasser für den Kaffee geholt wird. Wasser braucht man hier also nicht mitzuschleppen, jeder Wasserlauf hat Trinkwasserqualität und das Wasser ist wirklich glasklar und verlockend.

Die Hütten sind gut ausgestattet mit Stockbetten und dem unvermeidlichen Kanonenofen, der sofort eine heimelige Stimmung verbreitet. Von hier sind es acht Kilometer ins Remdalen und 18 zum Harvastal. Die Entfernungen sind auf den Schildern angegeben.

2. Etappe: Von den Tjåkkelehütten ins Harvastal (Norwegen)

Etwa dreihundert Meter hinter den Tjåkkelehütten führt eine herrliche alte Holzbrücke über den Ransarbach. Danach zweigt ein Weg Richtung Stekenjokk ab. Trotzdem es mich reizen würde, von hier aufs Stekenjokk zu marschieren, bleibe ich meiner Route treu und ich stiefle weiter Richtung Remtal.

Zwei Bäche, der Fremsjukke und der Luoktjemjukke sind in rascher Folge auf schönen Holzbrücken zu überqueren. Schon bin ich im Remtal, das auf einem Sandrücken ziemlich genau in der Mitte entlanggegangen wird. Von hier habe ich einen herrlichen Blick auf den glasklaren und ziemlich tiefen Fluss unter mir. Trotzdem ich hier aus etwa zehn Metern Höhe in den Fluss blicke, kann ich jeden Stein am Flussgrund ausnehmen, so klar ist das Wasser. Die Sonne spiegelt sich an der Oberfläche und über die Hänge ziehen Rentierherden.

Der Herbst macht sich in diesen Breitengraden bereits bemerkbar und hat die Hänge bereits in ein sattes Kaminrot getaucht. Stunde um Stunde wandere ich auf diesem Höhenrücken dahin und kann mich kaum an den Bergen sattsehen, die, je weiter in den Westen ich vorstosse, immer höher und schneebedeckter werden. Endlich ist es Zeit für eine Rast und ich werfe den Rucksack ins Gras, die Wasserflasche wird geleert und das Jausenbrot schmeckt selten gut.

In den wärmenden Sonnenstrahlen fallen mir die Augen zu. Mit einem Ruck werde ich wach. Ein grausliches Schnaufen ganz in meiner Nähe hat mich geweckt. Was ist das? Ein Bär? Es klingt wie ein Igel im Liebesstress, doch hundertmal lauter. Vorsichtig richte ich mich auf und spähe umher.

Nichts zu sehen, nur das Schnaufen kommt immer näher. Plötzlich schiesst ein Rentier um den Busch, dahinter ein Rentierbock, der dieses schreckliche Schnaufen ausstösst. Da erinnere ich mich: es ist Brunftzeit und der Bock gibt seiner Erregung durch lautes Schnaufen Ausdruck.

Weiter geht es an einer Rentierwächterhütte vorbei, das sind Übernachtungshütten für die Rentierbesitzer, die, trotzdem die Tiere offensichtlich völlig frei umherstreifen, ein wachsames Auge auf ihren wichtigsten Besitz haben.

Nach vier Stunden von der Tjåkkelehütte gemessen stehe ich an der Reichsgrenze zu Norwegen, ein kleines gelbes Schild ist alles, was Grenze ausmacht. Jetzt heisst es Abschied nehmen von der Hochebene und der Abstieg Richtung Harvashütte beginnt. Durch Birkenwald und an Schwarzbeergestrüpp vorbei geht es immer weiter.

Es ist merkwürdig, kaum kommt man vielleicht zweihundert Meter tiefer ins Tal, ändert sich der Charakter der Vegetation: Die Gräser sind wieder saftig und grün, auch die Birken sind noch im sommerlichen grünen Blätterkleid. Schon nach einer Stunde ist die Harvashütte auf der anderen Seite des Tales zu sehen.

Die Hütte ist bereits zum Greifen nahe, da ist noch ein kleiner Bach zu waten. Doch diesmal ist das Furten eine angenehme Sache, denn das Wasser kühlt die Füsse und ein Bad ist durchaus erfreulich nach so einer langen Wanderung.

In der Harvashütte empfangen mich Per und Marianne. Die Harvashütte ist eine alte norwegische "Fjellstue", also Berghütte, die lange Zeit unbewirtschaftet war. Per und Marianne haben sich vorgenommen, hier ein wenig Ordnung zu machen. Und es ist schon angenehm, wenn man sich nicht um alles selber kümmern muss, sondern das Essen serviert wird und ein kühles Bier auf den Tisch kommt. Die Zivilisation hat eben auch ihre Vorteile.

Vor dem Fenster nehmen Swippir und Fafnir Aufstellung, ein Islandspony und ein norwegisches Fjording. Mit den Pferden werden wir am nächsten Tag unter Führung von Per zurückreiten bis zu einem kleinen See in Schweden, wo Wasserflugzeuge landen können. Doch noch ist es nicht so weit und es gilt, die Harvashütte etwas näher zu inspizieren.

Im Hüttenbuch hat sich auch eine Gruppe Jugendlicher eingetragen, die diese Strecke mit ihren Mountainbikes gefahren sind. Ein gutes Zeichen, dass auch in den Fjälls die neue Zeit Einzug hält. Mir waren die Spuren der Räder beim Marschieren schon aufgefallen und ich hatte sie neidisch betrachtet und mich wohl auch ein wenig gewundert, sie wohl auch fälschlich den fleissigen Samen zugeschrieben, die ja ihre Rentiere dem Zug der Zeit entsprechend, teils mit Enduromotorrädern und auch mit dem Hubschrauber zusammentreiben.

Das ganze Gerede von wegen, dass die Rentiere von Wanderern oder Jägern gestört werden, darf man also nicht so ganz ernst nehmen, denn die Tiere werden vom Hubschrauber aus mit Sirenen zusammengetrieben und wer einmal bei einer Rentierschlachtung dabei war, nun, der versteht, dass es sich hier um nichts anderes als eine Industrie handelt, nicht mehr und nicht weniger. Also ein Hoch auf die Mountainbikes und hoffentlich macht dieses Beispiel Schule.

Die Harvashütte besteht aus einem grossen Wohnraum und einer Küche, Wasser wird aus der Quelle neben dem Haus geholt und der Kanonenofen bullert angenehm, die Betten sind geradezu komfortabel und ich schlafe zu dem Knistern der Holzscheite wie in Abrahams Schoss. Am nächsten Tag gibt es ein herzhaftes Frühstück mit dem typisch norwegischen "Gejtost", also Ziegenkäse, der angenehm süsslich schmeckt.

HarvastalDann werden die beiden Pferde eingefangen, wobei sich der Fjording gar nicht gern satteln lässt, aber dann lammfromm dahinmarschiert. Heute ist es ein anderes, einfacheres Wandern, vom Pferderücken sieht man einfach mehr als wenn man die Nase am Boden hat. Die Gegend ist beeindruckend, wenn sich ein Berggipfel hinter den andern schiebt und, als wären es über Nacht wieder einige mehr geworden, gigantische Gletscher herübergrüssen.

Nach einer Stunde gemütlichen Rittes sind wir am See angekommen, wo mich das Wasserflugzeug abholen und zurück zum Klimpfjäll bringen wird. Wie gross ist unser Erstaunen, als das Flugzeug zwar auftaucht, Kurs auf uns nimmt, aber dann einfach über uns hinwegfliegt! Nach einigen bangen Minuten hören wir das Geknatter eines Hubschraubers. Des Rätsels Lösung: das Wasserflugzeug war voll beladen und konnte daher auf dem kleinen See nicht landen, daher wurde einer dieser winzigen zweisitzigen Hubschrauber gechartert, die an Kinderspielzeug erinnern.

Zehn Stunden Wanderung werden in dieser kleinen Maschine in zwanzig Minuten zurückgelegt, das gibt zu denken. Der Blick ist faszinierend vor allem ins Remtal, jetzt sehe ich erst, wie sich dieser Fluss durchs Gelände mäandert. Wir nehmen Kurs aufs Fjällfjäll, unter uns liegt der Durensee, rechts ist die Nordwand des Durrenpiken zum Greifen nahe, schon ist sie hinter uns und vor uns breitet sich das Kultseetal in seiner ganzen Herrlichkeit aus.

Ein würdiger Abschluss der Wanderung auf dem Norwegenfahrerpfad ist dieser Flug, wo noch einmal alle Höhepunkte im Zeitraffer passieren können. Es zahlt sich aus und gerade die Anstregung des Wanderns, die langsame einfühlsame Annäherung an die Natur machen die Wanderung so wertvoll und lassen sie noch lange in der Erinnerung nachwirken.

Klimpfjäll
Hotel Fjällfjället (Blockhütten)
Tel: +46 940-711 80
Harvastal (Norwegen)
Mariann Myrnäs-Stångerud
Tel: + 47 947 41286



Last Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840





 

 

 

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