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Schweden für dummies :-)

III

Mittsommer in Schweden

Es gibt nichts Schöneres, als Leserfragen zu beantworten. So hat uns diesmal eine Anfrage aus München erreicht, von Frau Anita P. Sie schreibt: "Ich sehe in der Früh immer die Nachrichten an und wie ich den Fernseher aufdrehe, kommt auf einem Privatsender eine Sendung über Schweden. Der Sender brachte einen Beitrag über die Mittsommernacht in Schweden. Alle saßen am Boden oder hüpften wie die Frösche durch den Garten und haben gesungen: Quak, Quak. Ich habe nur den Sinn nicht verstanden warum man wie die Frösche rumhüpft... Könntest du mir das bitte einmal erklären???"

Ja, den Sinn hinter den schwedischen Mittsommerfeiern zu suchen haben sicher schon gescheitere Leute als ich versucht. Gefunden hat ihn bis jetzt noch keiner. Doch wir wollen chronologisch vorgehen. Einen Blick in die Geschichte tun, dann ein wenig die Schweden selber zu Wort kommen lassen und letztendlich kann ich ein bisschen was aus meinem Erfahrungsschatz beitragen.

Doch ich fange am liebsten gleich mit meinen Erfahrungen an:
Meine erste richtige Freundin war aus Stockholm. Ich hatte sie in Zell am See wo ich Schilehrer war, kennengelernt und sie blieb dann gleich nach dem Winter noch bis zum Sommer bei mir in Österreich. Das war für mich etwas ganz Neues. Diese Selbständigkeit, diese Lässigkeit, etc. Ich war im siebten Himmel.

Nur, zu Mittsommer, das machte sie mir bald einmal mit allem Nachdruck klar, zu Mittsommer wollte sie, nein musste sie unbedingt zu Hause sein, denn: "Weisst du, Neujahr und Mittsommer, das sind die grössten schwedischen Feste. Neujahr habe ich ja schon mit dir gefeiert, aber zu Mittsommer will ich zu Hause sein."

Na gut, ich fand einen Sommerjob in Schweden und zwei Tage vor Mittsommer setzen wir uns in meinen alten Käfer (das war in den Siebzigerjahren) und holperten los. Von Graz nach Stockholm sind's leicht über zweitausend Kilometer. Um zu Mittsommer da zu sein, mussten wir in einem durchfahren.

In Örebro setzte sich Gunilla ans Steuer. Ich hatte nichts dagegen, war hundemüde , rollte mich auf dem Beifahrersitz zusammen und schlief durch bis Stockholm. In Stockholm werde ich munter, es riecht ein bisschen verbrannt. Meine Augen fallen aufs Amaturenbrett - die rote Lampe der Ölanzeige leuchtet hell.

"Sag mal, wie lang leuchtet das Lämpchen eigentlich schon?" "Oh, das, ja das Lämpchen, äh, das leuchtet eigentlich schon dreihundert Kilometer, ich dachte, das gehört so und ausserdem, du warst ja so müde. Ich hab es einfach nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken." Ein Lächeln begleitet diese Worte, ein Lächeln, dass mir noch heute die Knie zittern beim blossen Gedanken daran.

Ab dem Tag fuhr ich zur Tankstelle und sagte Öl tanken und Benzin nachschauen. Soviel zur Lässigkeit und zum ach so guten Herzen meiner Angebeteten.

Irgendwie stand die Reise unter keinem guten Stern, denn als wir in Solna, einem Vorort von Stockholm ankamen, waren Eltern und Bruder Kenneth bereits reisefertig. Mittsommer wird traditionell draussen auf dem Land gefeiert. Und Gunillas Familie hatte ein kleines Sommerhäuschen. Mit Platz für vier.

Leider sollte ich nicht der vierte sein. "Ach ja, dein Freund kann nicht mit, aber er kann ja hier in der Wohnung sein und sich ausschlafen. Der Kühlschrank ist ja auch voll. Komm jetzt, wir haben's eilig," sprach der gestrenge Vater.

Gunilla blieb nicht viel übrig. Mit ihrem schönsten Lächeln beugte sie sich zu mir, drückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze und meinte: "Ja, du hast es ja gehört, am Montag bin ich wieder da". Im Weggehen fragte sie Kenneth : "Kommt Lelle auch?" Lelle war ihr Freund, bis sie nach Zell am See gefahren war. Zu Mittsommer werden die Traditionen hochgehalten!

Seither hasse ich Stockholm, und sehe jedem Mittsommerfest mit äusserst gemischten Gefühlen entgegen.

Szenenwechsel. Fünf Jahre später. Mittsommer in Tranås. Ich bin mit meiner Freundin, nein, nicht mehr Gunilla, diese Liebe hat das erste Mittsommerfest nicht überstanden, zum ersten Mal bei Ihren Eltern eingeladen. Die Nervosität ist gross, denn ich war nicht gerade gut angesehen bei der Familie. Anita, so hiess die Gute, war ihrem Mann davongelaufen, als wir uns auf Ibiza, ich war dort Reiseleiter, kennengelernt hatten und dieser musste einsam und allein wieder nach Schweden zurückfahren. Seither waren Anita und ich ein Paar, ich hatte es aber wohlweislich immer zu vermeiden gewusst, den Eltern meine Aufwartung zu machen. Doch diesmal war mir kein Ausweg offen geblieben.

Siehe da, es ging recht gut. Schnaps und Bier zu Hering und frischen Kartoffeln, das traditionelle Mittsommergericht und als Nachtisch Erdbeeren mit Schlagsahne. Alles paletti, ihr Vater durchaus nett, von der grossprecherischen Sorte, aber wie gesagt, durchaus nett. Nach dem Mittagessen sollten wir zur grossen Festwiese hinausfahren um dort mit allen anderen beim traditionelle Maibaumaufstellen mitzuhelfen und dann zu feiern.

Als wir auf der grossen Festwiese ankamen, war bereits ein fröhliches Treiben im Gange. Die ganze Stadt war auf den Beinen, teilweise hatten Männlein und Weiblein Blumenkränze im Haar, es wurde gelacht und gerufen, es ging recht ausgelassen zu. Viele Kinder, wie Mittsommer am Tag ja überhaupt ein Kinder- und Familienfest ist.

Wir sammelten Blumen, die Frauen schmückten den Maibaum ("midsommarstången") und die Männer standen in Gruppen beisammen und taten sich an mitgebrachten Flüssigkeiten gütlich.

Endlich stand der Maibaum, die Musiker nahmen Aufstellung, und alle stellten sich in einem grossen Kreis um den Maibaum auf. Mann, Frau, Mann, Frau, Kinder zwischendrinnen, und dann geht's rechts herum und links herum, diddeldum, und die lange Schlange setzt sich in Bewegung.

Nach ein paar Liedern kommt dann jenes berühmte Kinderlied, wo alle die verschiedenen Tiere nachahmen. Und da kommt eben dieses quak quak vor. Das ist nämlich der Frosch, der so macht und springt. Es ist einfach zu putzig, reife Männer im grünen Gras herumhopsen zu sehen, die Hände am Rücken verschränkt, jetzt kommt die Gans, da watscheln alle hintereinander her und so weiter und so fort.

Damals habe ich einen ersten Eindruck vom wirklichen Schweden gekriegt. Von diesem totalen Loslassenkönnen aller Konventionen, wo für kurze Zeit aller Druck abgelassen wird, der sich während einer Woche oder eines Jahres aufstaut. Mittsommer ist etwas besonderes. Da gibt es keine Gesetze, da wird eben die Sau rausgelassen.

Zur Vorbereitung dieses ezines habe ich ein bisschen am Internet herumgesurft und nach Midsommarseiten gesucht. Nach zwanzig Seiten habe ich aufgegeben.

Eine Auswahl von links - leider nichts auf deutsch! bin ich durchgegangen, einige mit relativ witzigen oder doch einen ziemlich genauen Eindruck von dem Ereignis gebenden Bildern habe ich zur Information unserer Leser herauskopiert.

Bei einem der Texte stand zu lesen: "Mittsommer ist jener Tag im Jahr, an dem sich statistisch gesehen 80% der Schweden bis zum Affenstadium vollaufen lassen". Aber das kommt erst später am Abend - in den Ferienhäusern und in den eigenen vier Wänden. Am Nachmittag wird gesungen und getanzt und einfach Frohsinn gezeigt.

Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, einmal zu schauen, was denn nun wirklich hinter diesem Mosaik an Eindrücken steckt, das wir so aus dem Hemdärmel geschüttelt haben.

Landesweit wird in Dalarna, dem schwedischen Bayern, das traditionelle Mittsommer gefeiert. Dort ist auch die folgende Erklärung zu finden:

http://www.siljan-dalarna.com/musik_kultur/midsom.htm

"Trachten sind ein Muss im Siljansbygd (so heisst die Gegend um den Siljansee). Der Maibaum kam im Spätmittelalter nach Schweden, doch ist das Errichten eines Fruchtbarkeitssymbols ein vorchristliches Brauch. Fruchtbarkeit steht also im Mittelpunkt.

So gibt es viele Rezepte, wie die jungen Frauen zu einem Mann kommen können. Brot backen hilft, und zwar zu gleichen Teilen Salz wie Mehl (!) Wenn die Gute dann träumt, wird derjenige ihr Mann, der ihr im Traum Wasser zu trinken gibt. Gern empfohlen wird auch, neun verschiedene Blumen, selbst gepflückt, ideal ist in nackendem Zustand und hinterwärts gehend und absolutes Redeverbot einhaltend. Die Blumen sollen solche sein, die in der Nacht nicht ihre Blüten schliessen (!), sondern offen bleiben.

Von einem kleinen Ort in Dalarna, von Bingsjö, wird erzählt, dass sich die jungen unverheirateten Frauen in der Mittsommernacht in einer Scheune versammelten, und dann völlig nackig rückwärts gehend eine Brücke mit dem Birkenbesen fegen sollten, während sie scheue Blicke in die Umgebung werfen, denn sie würden da ihren Zukünftigen erblicken können. Man kann sich denken, wo die jungen Männer Aufstellung nahmen.

Zu Mittsommer ist eine übernatürliche Kraft in allem, was wächst - daher die vielen Blumenkränze und Sträusse. Zu Mitternacht blüht der Farn. Der Mann, der diese seltene Blume findet, hat im kommenden Jahr viel Erfolg bei den Frauen. Und so weiter und so fort."

Hier folgen ein paar dieser links. Wie gesagt, die Texte sind leider nicht auf deutsch, aber die Bilder sagen eigentlich doch einiges aus. Ich hoffe, die erste Neugier betreffend Mittsommer ist gestillt. Weitere Fragen werde ich gern beantworten.

http://hem.passagen.se/bibj/midsomm.htm
private Seite, zeigt, wie der Maibaum geschmückt wird.

http://home5.swipnet.se/~w-55276/mids99/bossebild.htm
private Bilder, von einem Familienfest. Der "geschmückte" Faun ist das Mittsommer-Geburtstagskind, das sich eine Fahnenstange gewünscht hat. Schöne Gegend.

http://www.siljan-dalarna.com/musik_kultur/midsom.htm
aus der Gegend, wo Mittsommer am meisten und echtesten gefeiert wird: aus Dalarna. Hier wird auch erklärt, was es mit Mittsommer alles auf sich hat.

http://www.asatro.a.se/Bildarkiv/Midsommar96/Midsommar96.htm
Mittsommer in Dalarna nach uraltem Brauch, hier wird bezug genommen auf die alten Götter Frej (Fruchtbarkeitsgott) und Freja (seine Schwester). Die beiden werden vom Gott Loki angeklagt "miteinander verbotenen Umgang gehabt zu haben". Der Maibaum, das männliche Symbol, wird von den jungen Männern aus dem Wald geholt, während die Frauen unterdessen den Blumenkranz binden, das weibliche Symbol. Dann wird der Blumenkranz vom männlichen Symbol durchbohrt, und aufgestellt. Alle stellen sich im Kreis um den Maibaum auf und im Kreis drinnen vollziehen Frej und Freja (bildlich) ihre Hochzeit. Der Maibaum steht bis zur Herbstzeitwende.

http://hem.passagen.se/bejo0872/990625_2.htm
zwei Bilder aus dem Altersheim von Sävsjö - schöne Trachten, das sieht man selten im modernen Schweden.

http://www.ehf.w.se/sidor/frames.html
traditioneller Aufmarsch der Geigenspieler und Tänzer in Älvadalen, Dalarna, auf der Schanze von Ruuth. Hier und am Siljan wird Midsommer traditionell begangen. Ein sehr schönes Fest! Empfehlenswert.

Hier noch ein Link auf deutsch:
http://www.nordzeit.de/siljan.htm
etwas obskure Sache aber immerhin - auf deutsch.


Last Updated: Donnerstag, 4. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 





 

 

 

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