. Blitzcheck: . .. .

 

Hohe Küste/Kramfors

Reitabenteuer an der

Hohen Küste

Stefan hoppelt dahin. Ein Bild für Götter. Doing doing doing mit jedem Schritt, den sein Pferdchen macht, hebt es ihn ungefähr zehn Zentimeter aus dem Satte,l dann plumpst er zurück, um gleich wieder wie von einer überirdischen Kraft hochgepeppelt zu werden. Ein etwas verzerrtes Grinsen liegt auf seinem Gesicht, seine Hände halten die Zügel ungefähr so, wie ein Kind sein Schaukelpferd dirigieren würde. Von einer Verbindung zum Pferdemaul keine Spur. Aber das macht nichts. Sheifa, wie sein Islandspferdchen heisst, ist stark und ausdauernd und trägt ein Leichtgewicht wie Stefan problemlos durch den nordschwedischen Wald.

von Eduard Nöstl


 

Es ist 22 Uhr abends und die Sonne taucht die Bäume in einen hellen, fast unwirklichen Schein. Fehlen nur noch die Elfen, die in den Strahlen der untergehenden Sonne einen Reigen tanzen. Stefan wäre das egal. Er ist nach fünf Stunden im Sattel geschafft. Aber er hat ausgehalten - und er behält seine gute Laune bei. Immer noch ist er es, der unsere Gruppe zum Lachen bringt. Micke, Thomas, Tobbe und Jonas.

Hohe Küste JonasJonas ist unser Führer, Besitzer der Reitschule Hästgård Höga Kusten in Hol bei Kramfors an der Hohen Küste. Jonas und Jenny, ein ganz junges Paar, hatten kurz nachgedacht, wie sie ihr Hobby und seine Arbeitskraft am besten vereinen könnten und wupps schon war die Idee mit dem Pferdehof geboren. Ein kleiner Zuschuss vom Staat für Jungunternehmer gab der Idee noch einen letzten Schubs und seither, also knapp drei Monate, läuft die Sache. Wie am Schnürchen.

Bereits am frühen Morgen war ich unverhofft auf dem Hof eingetroffen gerade rechtzeitig als Jonas vom ersten Ausritt zurückkam. Unsere Gruppe startete um vier. Das war an dem Tag der sechste Ritt für Jonas. Eine reife Leistung auch für einen durchtrainierten Burschen.

Man merkt ihm die Strapazen nicht an. Lächelnd und die Ruhe in Person gibt er uns, die wir uns erwartungsvoll im Halbkreis aufgebaut haben, ein paar Instruktionen, die im grossen und ganzen darauf hinauslaufen, dass wir leider nicht auf den gewohnten Wegen reiten werden, da der Wald sich in einen Sumpf verwandelt hat aufgrund der langen und ausdauernden Regenfälle, aber dass wir unbesorgt sein sollten, wir würden einen Superausritt machen. Mir ist's recht. Ich habe keine Vorlieben. Ich will endlich wieder auf einem Pferd sitzen, den Geruch spüren, das Getrappel der Hufe hören und frei sein.

Die anderen - wir sind eine reine Männerrunde - sind in typischem Freizeitdress gekleidet: Trainingsanzüge und an den Beinen Gummistiefel. In Schweden nimmt man das mit der richtigen Kleidung zum richtigen Anlass nicht so genau. Natürlich sind alle, wenn es sein muss tipptopp gekleidet und ich vermute in kaum einen anderen Land werden so viele Studentenfeste im Frack zelebriert wie im traditionsbewussten Schweden - aber wenn Freizeit angesagt ist, dann kann man den Millionär beim besten Willen nicht vom Bettler unterscheiden.

Daher bin ich der einzige, ausser Jonas, der "vorschriftsmässig" adjustiert ist mit Reithose und Reitstiefeln. Auch meinen eigenen Helm habe ich mit.

Hohe Küste JennyDie anderen kriegen einen Helm von Jenny verpasst, die zwar gern mitkommen würde, sich aber um Töchterchen Saga, das heisst übersetzt Märchen und ich finde das einen wirklich entzückenden Namen für ein Baby, kümmern muss. Die kleine Schwester von Jenny bürstet bereits eifrig unsere Pferde und ist beim Satteln und Aufzäumen behilflich.

So, jetzt noch die Steigbügeln auf die richtige Armeslänge einstellen, wie immer erwische ich sie um zwei Löcher zu kurz, komme aber wie gewohnt erst zu spät drauf und - die wirklichen Könner mögen mir das verzeihen - werde erst beim Rückweg die richtige Länge eingestellt haben. Natürlich weiss ich theoretisch genau, wie es geht, Bein nach vor geschwungen, mit der Hand den Riemen erfasst, kurz angerissen, um die Schliesse zu öffnen aber diesmal will und will sie sich nicht lösen, sodass ich nach dem dritten Versuch aufgebe. Gustor, mein Islandswallach ist's auch so froh. Er trappelt lustig dahin.

Aber jetzt habe ich den Ereignissen vorgegriffen. Tobbe glaube ich, schwingt sich in den Sattel, hat aber vergessen den Sattelgurt ordentlich festzuziehen und rutscht gleich wieder auf der anderen Seite hinunter. Grosses Hallo bei den versammelten Freunden. Es gibt halt nichts Schöneres als ein befreiendes Gelächter über einen anderen, wenn man selber ein bisschen unsicher ist. Dieses kleine Missgeschick heizt die Stimmung weiter an.

Jenny eilt zu Hilfe und nachdem alles festgezurrt ist und jeder im Sattel sitzt wie Clint Eastwood in "Für eine Handvoll Dollar" geht es los. Schön piano geht es jetzt durch den winzigen Ort, wo die Kirche noch mitten im Dorf steht. Ich glaube, der Ort heisst Nora, wiewohl der Pferdehof in Hol steh.

Nach der Kirche zu schliessen ist die Gegend nicht arm, sondern kann zumindest auf eine durchaus glorreiche Vergangenheit zurückblicken. Sie liegt imposant auf einem Hügel und überschaut das ganze Tal, das auf der einen Seite von Hügeln begrenzt wird, an denen sich die E4 entlang schlängelt und auf der anderen Seite hinter einem weiteren Hügel ich den Ångermanfluss vermute, was nicht stimmt, sondern dort zieht sich ein Fjord weit ins Land hinein.

Gleich hinter der Kirche zweigen wir rechts ab und folgen einer Schotterstrasse über eine kleine Brücke. Hier kommen wir an ein paar schöne Villen vorbei, die sich in gepflegten Gärten räkeln. Diverse europäische Kennzeichen an den Autos verraten, dass hier so mancher ein schönes Plätzchen gefunden hat. Nach dem Eifer, mit dem der Rasen gemäht wird, kann man vermuten, dass es sich hierbei um das eigene Sommerhäuschen handelt.

Nach kurzer Zeit sind wir im Wald und hier legt Jonas eine schärfere Gangart vor. Für die Anfänger unter uns ist der Tölt der Islandpferde ideal. Du sitzt drinnen wie im Lehnstuhl und gleitest praktisch durch die Luft. Ich glaube, wenn es je einen fliegenden Teppich gegeben hat, dann muss der das gleiche Gefühl zu schweben vermittelt haben. Unsere Pferdchen sind enorm spritzig und bis jetzt habe ich noch kein einziges Mal irgendeine Hilfe geben müssen. Es ist wirklich selten, dass man auf einem Ausritt derart gute Pferde kriegt. Oder sollte nur ich das Glück haben? Verstohlen spähe ich auf meine Begleiter und eigentlich fällt mir nur einer auf, der einen etwas roten Kopf hat und sich anzustrengen scheint. Nein, nicht Stefan, der ist vorne mit dabei, aber Tobbe scheint doch einige Mühe zu haben, seinen Schimmel voranzutreiben.

"Das werden wir gleich haben", grinst Jonas, reisst eine Weide ab und reicht sie Tobbe. Das heisst, er will sie Tobbe reichen, doch als Nattfari, so heisst der Schimmel, die Gerte sieht, besinnt er sich plötzlich seiner Pflichten und galoppiert los. Aha, sehr pädagogisch. Ab jetzt hat Tobbe kein Problem mehr mit seinem Pferdchen, sondern ist immer vorne weg.

Unser Weg wird immer schmäler, einmal überholen wir drei ältere Leutchen, die mit riesigen Körben zum Pilzesuchen unterwegs sind. Es ist immer wieder interessant mitzuerleben, wie positiv Menschen dem Pferd gegenüberstehen. Das muss mit der uralten Beziehung zu tun haben, als sich der Mensch neben dem Hund auf das Pferd verlassen musste, wenn er von A nach B kommen wollte. So auch jetzt. Freundlich winken die Alten und erwidern unseren Gruss mit einem Lächeln. Zu gern würden sie mit uns mitreiten.

Jetzt geht es bergauf. Wir reiten hintereinander und ich geniesse den intensiven Duft des Waldes. Das Gras, die Fichten, die Blumen immer wieder stehen Orchideen an unserem Weg und zeugen davon, dass hier nur wenige Menschen vorbeikommen. Trotzdem sind immer wieder Markierungen des Hohe Küsten Wanderpfades zu sehen. Aber kein einziger Wanderer ist unterwegs. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie in den Alpen oder in Deutschland jeder Spazierweg überlaufen ist. Hier heroben sind sogar in den besiedelten Gebieten schöne Wanderwege verwaist. In der Hochsaison!

Jetzt sind wir bereits so hoch oben, dass unter dem Moos der reine Fels zu sehen ist. Hier an der Hohen Küste sind die Berge wie die Schwammerln aus der Erde gewachsen, als sich das Inlandseis zurückgezogen hat. Auch heute noch hebt sich die gesamte Küste um einige Millimeter jährlich, das stärkste Wachstum von ganz Schweden.

Dieses Wachstum und seine Vergangenheit soll jetzt auch dokumentiert werden und den Gästen dieses Landstrichs plastisch vorgeführt werden. Gleich hinter der sagenhaften "Hohe Küste Brücke" rechts oben am Hang beim Hotel mit der zauberhaften Fernsicht soll ein Gletscherpark entstehen, wo das ganze Jahr über ein Gletscher zu besichtigen sein wird. Fleissige Ingenieure bohren bereits jetzt die Löcher in den Berg, in denen die Kühlstäbe verankert werden, die den Gletscher das ganze Jahr über am Frieren halten sollen.

Oder so ähnlich hat mir der Stadtarchitekt von Kramfors das erklärt. Mir kommt das recht unglaublich vor, doch er konnte das anhand von Plänen und genauen Berechnungen beweisen. Naja, dann wird für den notwendigen Strom halt noch eine Staustufe in einem der grossen Flüsse gebaut werden müssen, denke ich mir. Immerhin, allein die Idee ist schon beeindruckend. ....

Hohe Küste Hier heroben, wir sind vielleicht auf sechshundert Meter Höhe, haben wir eine tolle Fernsicht und die Sonne scheint jetzt um acht Uhr abends wie zu Mittag. Es ist angenehm warm, nicht heiss, sondern gerade richtig. Die Pferdchen schwitzen nicht, sondern aufmerksam suchen sie auf dem glatten Fels Halt für ihre Hufe und tänzeln dahin. Ich kann mir vorstellen, dass es auf Island auch nicht viel anderes aussieht.

Schon längere Zeit hat mich der Rauch eines Holzfeuers angenehm in der Nase gekitzelt und als wir den höchsten Punkt erreichen, sehen wir auch bereits das Feuerchen. Die Schwester von Jonas sitzt da und bläst aus vollen Backen in die Glut. Hinter dem Feuerplatz steht ein Hüttchen, die "Nolstuga" und von dort haben wir einen Superblick über das, was ich fälschlicherweise für den Ångermanfluss halte, was sich aber als Fjord, der Gaviksfjord entpuppt. Ganz hinten am Horizont ist der höchstgelegene Leuchtturm der Hohen Küste, der Högbonden auszumachen.

Wir springe von den Pferden, die an einem Baum angebunden werden, lockern den Sattelgurt und dann sehen wir uns die Hütte an, offen, wie viele Hütten, und mit Ofen und Bänken ein guter Schutz, falls das Wetter einmal nicht mitspielen sollte. An der Wand hängt eine Stickerei mit einem frommen Spruch: "Lyssna till tallens susning vid vars rot ditt bo är fäst". Bedeutet ungefähr " Lausche dem Lied des Windes in den Ästen der Föhre an deren Wurzel dein Haus verankert ist".

Inzwischen duftet es bereits verführerisch vom Lagerfeuer her, wo Jonas fachmännisch riesige Lammkoteletten grillt. Er hat eine spezielle Marinade, "gleiche Teile Soja und Speiseöl, zum Würzen Rosmarin und Fichtennadeln", es schmeckt himmlisch. Ein anerkennendes Murmeln macht sich breit, als Jonas aus den unergründlchen Tiefen seiner Satteltaschen Bier hervorholt.

"Ah," meint Stefan "die gleiche Sorte, die wir zu Mittsommer hatten. Mal sehen, wie es schmeckt, wenn man nüchtern ist". Schweden und ihr Verhältnis zum Alkohol. Ein nie versiegender Quell für ans Absurde grenzende Geschichten. Wenn einmal der Gesprächsstoff ausgeht, braucht nur das liebste Thema angeschnitten werden, und schon reden alle durcheinander.

Beim Essen sitze ich neben Michael, der heute seinen letzten Tag der Ferien hier zu Hause verbringt. Am nächsten Tag um diese Zeit wird er über dem Ozean schweben. Er ist Ausbilder in einer Schule für Entwicklungshelfer, die eine Wohltätigkeitsorganisation betreibt. Vielen Schwedenurlaubern sind sicher bereits die gelben Container aufgefallen, die allerorten aufgestellt sind. Darin werden alte Kleider für die dritte Welt gesammelt. Für diese Organisation arbeitet er. Merkwürdigerweise liegt diese Schule irgendwo ausserhalb von Chicago in einem kleinen Kaff in der amerikanischen Prärie.

Michael ist der jüngste von uns und wird von den anderen Burschen mit einem gewissen Wohlwollen behandelt. Es dauert nicht lange, so erfahre ich, warum: "Wir sind alle mit einer Schwester von Michael entweder verheiratet oder verlobt". Michael hat vier Schwestern und irgendwie ist es eben gekommen, dass alle Männer sich gut miteinander verstehen und immer gemeinsam unterwegs sind. "Wir feiern Mittsommer und Neujahr gemeinsam und wenn wir es zu Hause nicht mehr aushalten, dann gehen wir miteinander angeln", erklärt Tobbe.

Alle vier sind fest verankert in der Gegend, auch Jonas ist hier an der Hohen Küste geboren und aufgewachsen. Es würde ihnen nie im Leben einfallen, von hier weg zu ziehen und sie bemitleiden Michael fast ein wenig, der nun wieder auf ein halbes Jahr ins Land hinter dem Ozean verschwindet. Doch der ist guten Muts und freut sich bereits. Nur bei den Koteletten da greift er gern und oft zu, denn "so was Gutes gibt es da drüben nicht" und auch das Bier schmeckt ihm. Denn in der Schule ist Null Promille angesagt. Was nur noch mehr Unverständnis der Kollegen auslöst.

Gestärkt treten wir den Rückritt an. Jetzt geht es quer durch den Wald und wieder bin ich voll Bewunderung wie fein unsere Pferdchen dahinmarschieren. Jonas erzählt, dass er beim Kauf der Pferde vor allem darauf gesehen hat, dass sie spritzig sind, gut eingeritten und sich vor allem gegenseitig vertragen. Und das kann ich wirklich bestätigen. Temperamentvoll sind sie und doch diszipliniert.

An einem Hochmoorr müssen wir durch dichtes Gebüsch, weil die Hufe der Pferde ganz tief einsinken, dann noch durch einen Wald und quer durch einen Himbeerschlag und schon sind wir wieder auf einer Forststrasse. Hier fallen unsere Pferdchen wie von selber in ihren Tölt. Wir schliessen auf uns so reiten wir nebeneinander dahin wie das Fähnlein der sieben Aufrechten. Auch wenn Stefan derart durcheinandergeschüttelt wird, dass ihm zum Schluss sogar der Pfriem aus dem Mund fällt. Aber er zwinkert nur lustig und stopft sich gleich einen neuen rein. Dann geht es gleich leichter.

Hohe KüsteZu Hause angekommen ist es zehn Uhr am Abend und die Sonne scheint immer noch. So ein Ausritt im Norden ist etwas für Herz und Gemüt. Hier erhält der Sommer wirklich eine ganz spezielle Bedeutung, der allen Tätigkeiten einen besonderen Glanz verleiht.

Den Pferdehof Höga Kusten finden Sie in :
Hol 714
872 98 Noraström
Jonas Vestin und Jenny Edvinsson
Tel. 0046 613 302 35
Handy: 070 25278531
email: ridihogakusten@swipnet.se


1 Minute bitte! Du kannst zur Verbesserung unserer homepage beitragen:
Bitte beurteile diesen Bericht, indem Du in jeder Spalte eines der Kästchen ankreuzt.
Wie hat Dir der Artikel gefallen ?
super
gut
naja
eher nicht
überhaupt nicht
Informationsgehalt ?
toll
schon bekannt
uninteressant
Mehr davon ?
mehr davon
egal
entsorgen

 

Sonstige Kommentare:



Last Updated: Freitag, 14. Oktober 2011
Copyright 1999-2011 Dr. Eduard Nöstl

ISDN 1101-9840

 





 

 

 

Warum Schweden FAQ Contact Us Wir über uns Home Zurück zum Anfang Contact Us Ferienhausinfo Home