Wandern
in Nordschweden:
JORMLIEN/JÄMTLAND
AUF DEN JORMLIKLKUMPEN UND DAS STORLIDFJÄLL
Der
Jormliklumpen passt so richtig als Einstimmung in die Fjällandschaft.
Er ist nicht hoch, gerade um die 700 m, hat keinerlei schwieriges
Moment, sondern ist ein freundlicher, kleiner Aussichtsberg. Ungefähr
zwanzig Meter hinter der Pension geht es gleich einmal steil rechts
bergauf eine Wiese und am Waldrand entlang.
Hinter
uns liegt der Jormsee in seiner ganzen Pracht. Der Jormsee ist an
die dreissig Kilometer lang und drei Kilometer breit und erreicht
eine grösste Tiefe von 80 Metern.
Der
Weg ist gut ausgetreten und immer wieder tauchen vor uns die Markierungen
des Winterwegs, also die inzwischen allbekannten Andreaskreuze auf.
Es gibt daher kein Verlaufen und die Karte (Z1 Stekenjokk - Frostviken)
haben wir nur mit, um die Seen und Berge, an denen wir vorbeikommen,
oder die wir in der Ferne glitzern sehen, zu bestimmen.
Wir
arbeiten uns durch das typische Vorfeld des Berges hoch wie da ist:
Birken, Farne, vereinzelt Fichten. Viel Grün und enorm viele Blumen.
Frauentreu, Storchenschnabel, Eisenhut und Milchlattich fallen uns
gleich ins Auge. Kein Wunder, befinden wir uns hier auch auf kalkhaltigem
Boden.
Das
Kalkgestein hat vielerlei Bedeutung. Nicht nur die üppige Vegetation,
sondern auch die Sümpfe und Moore, die wir durchqueren, sind nicht
tief und unheimlich, wie sonstwo, sondern das Wasser versickert
rasch und die Hochmoore sind auch nach einem Regenguss problemlos
zu durchqueren.
Die
Birken ziert bereits ein Anflug von Gelb, ein untrügliches Zeichen,
dass sich der Sommer dem Ende zuneigt. Doch noch brennt die Sonne
vom Himmel. Wenn auch hier heroben, wir haben inzwischen das erste
Hochmoor erreicht und die schützende Waldzone verlassen, ein frisches
Lüfterl weht.
Wir
befinden uns auf ungefähr sechshundert Meter Seehöhe, da tut es
schon gut, sich richtig in den Anorak einmummen zu können. Hier
begrüsst uns auch das Wollgras mit einem sanften Nicken der weissen,
zart-leichten samtigen Köpfchen und wir fühlen uns richtig zuhause.
Noch eine halbe Stunde bergaufsteigen, dann tauchen bereits kleinere
Felsen zwischen den Schwarzbeersträuchern auf.
Die
Höhen von sechshundert bis tausend Meter, die hier generell bewandert
werden, klingen vielleicht für den Mitteleuropäer wie lächerliche
Berge. Nun, ganz unterschätzen sollte man die Fjälls hier heroben
im Norden nicht.
Du
wirst zwar kaum jemals Gefahr laufen abzustürzen, es gibt einfach
keine steil aufragenden Wände und wenn, dann in weglosem Gebiet,
und man muss schon sehr weit hinauf in den Norden zum Kebnekaise
und in die Gegend, um solchen Gefahren zu begegnen.
Dafür
gibt es andere, subtilere Momente, die einem Mitteleuropäer schon
einmal das Herz in die Hosen rutschen lassen. Die Weite des Landes
zum Beispiel und die totale, greifbare, fast unheimliche Einsamkeit,
die dich wie ein Raubtier anspringt, wenn du es am wenigsten vermutest,
können dem Menschen, der dieses Ausgesetzsein, diese Geworfenheit
nicht kennt, ziemlich zusetzen.
Man
könnte einen Vergleich mit der Architektur versuchen: Erinnern die
Alpen mit ihren Zacken und Graten an die Zinnen und Türme gotischer
Kathedralen, so sind die schwedischen Berge wie die romanischen
Kirchen, breit und wuchtig, erdverbunden.
Nach
ungefähr eineinhalb Stunden stehen wir auf dem Jomliklumpen. Ein
kalter Wind umweht uns und das Mützchen wird aus dem Rucksack geholt.
Die
Fernsicht ist phantastisch. Ein Berg reiht sich an den nächsten,
wie die Wellen eines ewigen, Stein gewordenen Meeres rollen die
Bergketten heran. Scheinbar unendlich. Zwischendrinnen lockern immer
wieder helle Spiegel der Seen die Szene auf.
Schrille
Schreie wecken uns aus unseren Verzauberung. Ein Adlerpärchen schraubt
sich in gewaltigen Kreisen in den Himmel über uns und verständigt
sich mit diesen wenig grandios anmutenden Gemütsäusserungen.
Nach
dem Schauen folgen wir auf dem Rückweg einer anderen Markierung,
die ebenfalls einen Weg ins Tal anzeigt. Vereinzelte Birken, immer
wieder hochmoorartige Flächen, die aber völlig problemlos zu begehen
sind. Die Gräser dieser Moore haben bereits eine rostrote Farbe
angenommen.
Eine
Stunde später kommen wir zu einer Dreiwegegabelung. Jormliklumpen
steht da zu lesen, auf dem waren wir gerade. Jormlien, dort werden
wir später noch hingehen und Storlidfjället, ein Berg der etwas
höher ist als der Jormliklumpen und auf der Karte keinen allzuweit
entfernten Eindruck macht.
Das
Storlidfjäll liegt genau nach Norden, der Jormliklumpen gegen Osten
und Jormlien nach Süden.
DAS
STORLIDFJÄLL
Wir
entscheiden uns dafür, das Storlidfjäll noch "mitzunehmen". Nach
zwanzig Metern kommen wir an ein kleines Bächlein, dessen Wasser
glasklar ist. Dann geht es bergauf durch einen Birken- und schütteren
Fichtenwald.
Nach
einer Viertelstunde auf dem markierten Weg kommen wir an einer kleinen
Ansammlung Hütten vorbei, deren grösste versperrt ist. Nur ein Winterraum
ist offen.
Schöne
Holzbänke laden zum Sitzen und Verweilen im Freien ein, doch wir
gehen an einem kleinen Teich entlang und weiter hinauf, bis wir
eine Art Hochebene erreichen. Dort wandern wir lang bis zu einer
offenen kleinen Hütte, die mit Ofen, Tisch und Bett ausgerüstet
ist. Ein ausreichender Holzvorrat zeugt von der Winterfestigkeit
der Behausung. Auch diese Hütte liegt an einem kleinen See.
Übrigens
hört hier der markierte Weg auf. Der Berg Storliden liegt rechterhand
und weil das Wetter so schön ist, beschliessen wir, einfach da rauf
zu marschieren. Es kann so weit nicht sein.
Halbrechts,
also nach Osten, steigen wir den Berg hoch bis zum Steinmann, der
den Gipfel anzeigt. Jetzt ungefähr in Richtung Markierung geradeaus
hinunter und nach einer halben Stunde sind wir wieder auf dem markierten
Pfad.
Übrigens
ist bei keiner der Hütten und auch nicht bei den Windverschlägen
ein Futzerl Abfall zu sehen. Kein Papier, keine Aludose, nichts.
Wenn es um ihre Natur geht, sind die Schweden wirklich vorbildlich.
Und es zeigt sich wieder einmal, dass der Mensch, je mehr Verantwortung
man ihm überträgt, um so mehr damit wachsen kann.
Das
"Allemannsrätt", also das "Recht zum Gemeingebrauch", erlegt jedem
einzelnen Bewohner dieses Landes die Verantwortung für seine Natur
auf - und siehe da, er fühlt sich dieser Verantwortung bewusst und
nimmt sie wahr.
Nach
zwanzig Minuten sind wir wieder bei der Dreiweggabelung, wo wir
jetzt Richtung Jormlien losmarschieren. Nach fünfzehn Minuten sind
wir im Tal und bei den Schildern, die die verschiedenen Richtungen
anzeigen.
Jormliklumpen 3,5, Storlidfjället 5, Raudekvattnet 6. In Nordschweden
werden also auf den Schildern die Entfernungen in Kilometern angegeben.
Morgen geht es zum Raudeksee. Man kann natürlich die heutige Tour
auf zwei Tage aufteilen und so den Körper erst einmal langsam an
die Beanspruchung gewöhnen.
Fjällpension
Fjällgården
Kenneth Wästberg
S-830 90 Jormlien
Tel. +46 672 201 90
http://www.welcome.to/jormlien
email: fjallgarden@telia.com
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Updated: Montag, 1. September 2008
Copyright 1999-2008 Dr. Eduard Nöstl
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